Christian Pross: Verletzte Helfer. Umgang mit dem Trauma [...]
Rezensiert von Prof. Dr. Werner Reiners-Kröncke, 08.12.2009
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Christian Pross: Verletzte Helfer. Umgang mit dem Trauma: Risiken und Möglichkeiten, sich zu schützen.
Klett-Cotta Verlag
(Stuttgart) 2009.
270 Seiten.
ISBN 978-3-608-89090-7.
26,90 EUR.
CH: 45,50 sFr.
Reihe: Leben lernen - 222.
Thema
Traum-Therapie ist ein relativ neues Arbeitsfeld und von daher sind auch die Bedingungen in Einrichtungen, die sich mit diesem Problem beschäftigen, kaum beschrieben und untersucht. Menschen mit schweren traumatischen Belastungen zu helfen fordert von den Helfern „alles“ und so sollten ihre Arbeitsbedingungen „gelungen“ sein, damit nicht durch sie ergänzende Belastungen auf die Helfer zukommen. Oft zeigen aber die Einrichtungen und Organisationen, mit großem Idealismus gegründet und mit hohem Engagement und Optimismus geführt, krisenhafte Entwicklungen, die kaum beachtet werden (dürfen).
Entstehungshintergrund
Der Autor betrachtet auf dem Hintergrund langjähriger Erfahrungen Einrichtungen und Organisationen aus dem Bereich der Traumatherapie. Dabei hat er offensichtlich immer wiederkehrende Muster und Prozesse entdeckt, die, auch in nach außen stabil erscheinenden Einrichtungen, (negative) Auswirkungen auf die Qualität der Arbeit haben. Da das Buch die „verletzten Helfer“ (auch) auf dem Hintergrund von Organisationsanalysen betrachtet, füllt es eine bisher bestehende Lücke.
Aufbau und Inhalt
Einleitend stellt Christian Pross das von ihm untersuchte „Feld“ dar. Aus 13 Einrichtungen stammen insgesamt 72 Interviewpartner, die Ärzte, Sozialarbeiter, Pädagogen, Psychologen und andere helfende Berufsgruppen umfassen.
Das Buch erscheint, mit seinen vielen Gliederungs(unter)punkten etwas „zergliedert“ und es ist nicht ganz einfach, eine Orientierung zu finden.
Kapitel 1 beschreibt Fragen von Non-Profit-Organisationen und der Gruppenbildung,
bevor im Kapitel zwei ein eher historischer Überblick die Entstehung von Traumazentren differenziert aufgreift, ohne dabei die politische und soziale Realität aus den Augen zu verlieren.
In den Kapitel 3 und 4 werden Einrichtungen mit niedrigem Stress- sowie Konfliktpegel und Einrichtungen mit hohem Stress- sowie Konfliktpegel vorgestellt und verglichen, dabei stehen vier Einrichtungen im Mittelpunkt der Ausführungen.
Die Kultur von Traumazentren sowie die Symptome von Stress und Überlastung werden im nachfolgenden Text (Kapitel 5 und 6) aufgezeigt. An späterer Stelle, im Kapitel 10, wird auch die Struktur der Einrichtungen beschrieben, und die Ursachen der häufig zu finden Strukturlosigkeit macht Kapitel 11 deutlich.
Helferbezogene Inhalte finden sich in den Kapiteln 6 (Symptome von Stress und Überlastung), 7 (Ressourcen der Helfer) 8 (eigenes Trauma), 9 (Reinszenierung des Traumas) und 13 (Persönlichkeitsfaktoren). Insgesamt kommen die direkt auf die Helfer bezogenen Ausführungen gegenüber den einrichtungsbezogenen Faktoren etwas kurz.
Handlungsempfehlungen zur Veränderung werden im abschließenden Kapitel 18 kurz angesprochen.
Diskussion
Die Schrift setzt sich – vielleicht etwas unstrukturiert und zergliedert – differenziert, empirisch begründet und auch richtungsweisend mit den Problemen von Organisationen im Bereich der Taumahilfe auseinander. Konkrete Handlungsempfehlungen und Hilfen für Mitarbeiter in der Traumahilfe sind dagegen, wenn auch angerissen, weniger zu finden.
Zielgruppe
Aufgrund der Buchinhalte richtet sich die Schrift eher an leitende Mitarbeiter in Organisationen der Traumahilfe, an Supervisoren und/oder Organisationsberater. Bei diesen Gruppen sollte allerdings, angesichts der aktuellen und zunehmenden Problematik, die Schrift im Bücherschrank nicht fehlen. Helfer, die aufgrund des Titels für sich selber konkrete Hilfen suchen, werden von den Inhalten eher enttäuscht sein, da die Schrift eher die verletzenden Bedingungen der Organisationen – und nicht die Hilfesuchenden als Belastungsfaktoren für Helfer – in den Focus stellt.
Fazit
Christian Pross greift in seiner Schrift ein Problem auf, welches bisher zu wenig beachtet wurde. Aufgrund eigener Erfahrungen und empirischer Daten werden die Probleme von Einrichtungen im Bereich der Traumahilfe in verständlicher und erfrischender Sprache dargestellt und durch einige gelungene Grafiken transparent gemacht. Helfer, die konkrete und individuelle „Ratschläge“ zur Bewältigung ihres belastenden Alltags erfahren wollen, werden weniger zufrieden sein, wenn sie die Betroffenen als „Belastungsfaktor“ erleben und in dieser Richtung nach Hilfe suchen. Die stark unterteilte Gliederung und der Aufbau des Textes sind etwas verwirrend, erst bei genauerem Hinsehen erschließt sich die Logik des Vorgehens.
Rezension von
Prof. Dr. Werner Reiners-Kröncke
Dipl.-Päd./Soz.Arb.
Vizepräsident a. D. der Fachhochschule Coburg. Lehrte Pädagogik und Methoden der Sozialarbeit, insbesondere Suchterkrankungen, Kriminalität und Sozialmanagement
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