Martin Sauerland, Julia Weikamp (Hrsg.): Zündstoff Motivation
Rezensiert von Monika Pietsch, 26.05.2010
Martin Sauerland, Julia Weikamp (Hrsg.): Zündstoff Motivation. Motivierungsmethoden für Mitarbeiter, Führungskräfte und Organisationen.
Verlag Dr. Kovač GmbH
(Hamburg) 2009.
341 Seiten.
ISBN 978-3-8300-4452-9.
88,00 EUR.
Schriftenreihe Schriften zur Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie - Band 50.
Thema
Im vorliegenden Buch werden etablierte Theorien zur Arbeitsmotivation beschrieben, erneut überprüft und mit Anwendungsbeispielen für die Praxis ergänzt. Dabei handelt es sich um ein Brainstorming und Ideenarsenal zur Fremd- und Selbstmotivation.
Autorin und Autor
Die Herausgeber und Autoren kommen aus dem Umfeld der Universität mit Praxiserfahrungen. Der Grundtenor ist eine erkenntnistheoretische Einstellung.
Aufbau
Das Buch wird in die 3 Zielgruppen gegliedert:
- Mitarbeiter,
- Führungskräfte und
- Organisationen.
Für jede Zielgruppe werden in verschiedenen Artikeln Theorien und Transferideen vorgestellt. Jeder Beitrag wird durch eine Quellenliste ergänzt.
1. Zielgruppe: Mitarbeiter
Martina Spörl: Motivation durch Zielsetzung. Ausgehend von der Theorie von Locke und Latham (1990) beschäftigt sich Spörl mit Zielformulierungen und deren Einflussfaktoren auf Leistungen. Spörl beschreibt, dass Ziele (schwierige und konkrete Ziele) motivierend sind, da sie die Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung lenken. Gleichzeitig erhöhen Ziele die Ausdauer und die Intensität der Bearbeitung. Die Einflussgrößen auf Ziele sind: Aufgabenkomplexität (z. B. vernetzte Aufgaben), Zielbindung oder Commitment (Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- und Bewusstseinsprozesse werden beeinflusst.), Feedback (zur Sache/Ziel oder zum Handelnden) und Selbstwirksamkeit (Abgleich zwischen Aufgabe und nötigen Ressourcen). Spörl beschäftigt sich weiter mit komplexen Zielen (die in einfache Ziele aufgespalten werden sollten) und mit fremdgesetzten Zielen (die mit der persönlichen Zielsetzung des Einzelnen verbunden werden müssen).
Lisa Kugler: Selbstmotivierung und Bindung an Ziele. Motivation wird erreicht durch die Setzung eigener Ziele und Verpflichtungen. Ziele von außen hingegen brauchen eine Verknüpfung mit persönlichen Zielen. Als Methoden beschreibt Kugler unter anderem: Kalendereinträge, Personen, die Druck ausüben, Kosten und Aufwendungen zur Erreichung des Ziels einsetzen und eine Freiwilligkeit bei der Umsetzung der Ziele. Die Gefahr der Selbstüberschätzung wird ebenso wie der Umgang mit Misserfolg kritisch beleuchtet. Weitere Motivationsfaktoren sind soziale Faktoren, wie ein Vorbild oder Team oder das Priming (Zettel mit Worten wie ERFOLG, SPASS,.o.ä. in sichtbarer Nähe).
Martin Sauerland: Von Arbeit beseelt. Einen anderen kritischen Ansatz verfolgt Sauerland, indem er die These aufstellt: Jemand, der von der Arbeit beseelt ist, braucht keine Motivation und keine Motivationstechniken. Sauerland stellt einen Vergleich zwischen dem Steinzeitmenschen und uns heute an. Er konstatiert eine Arbeitswelt, die keine existentiellen Erlebnisse bereithält, geprägt ist von widernatürlichen Bewegungen und einer Ausbildung und Lehre, die nicht neugierig macht. Sauerland empfiehlt zur Beseelung der Arbeit körperliche Bewegung, Beachtung des biologischen Rhythmus, (geschlechts- ) gemischte Gruppen, keine Unterbrechungen bei den Tätigkeiten und die Möglichkeit, die hergestellten Produkte auch erwerben zu können. Er plädiert für persönliche Mikromärkte, die ein großes Maß an Überschaubarkeit und Bedarfsorientierung bieten und den Produzierenden soziale Anerkennung verschaffen. Das Ziel wäre eine Integration der Mikromärkte in die globalisierten Makromärkte.
Jarek Krajewski: „Den Seinen gibt es der Herr im Schlaf“- Wie betriebliches Pausenmanagement müdigkeitsbedingte Motivationsverluste verhindert. Krajewski spricht von einem volkswirtschaftlichen Schaden in Höhe von 10 Milliarden Euro durch müdigkeitsbedingte Unfälle. Seine Untersuchungen beschreiben den Umgang mit Müdigkeit und den Umgang anderer Kulturen damit und schließlich stellt er Erholungsprinzipien vor. Krajewski kommt zu dem Schluss, dass die Abwesenheit von Müdigkeit eine Voraussetzung für lustvolles und beseeltes Tun ist. Die betriebliche Nichtakzeptanz von Ruhe- und Schlafpausen begründet sich auf verschiedenen Tabus. So steht das Schlaf- und Liegeverbot in einem Gegensatz zum protestantischen Arbeitsethos. Auch fehlen bislang nötige Voraussetzungen wie Silent Rooms mit einem Maß an Privatheit.
Martin Sauerland und Julia Weikamp: Arbeitsmoral. Arbeitsmotivation und das Empfinden von Glück hat mit der Erreichung von Zielen zu tun. Sauerland/Weikamp führen in ihrem Artikel eine Anekdote von Böll an, in der der Unterschied zwischen Zielstrebigkeit und dem Genuss des Augenblicks deutlich gemacht wird. Der zufriedene Fischer sitzt am Meer, obwohl der Fischfang an diesem Tag besonders gut ist. Ein dazugekommener Tourist versucht ihn durch die Aussicht auf Reichtum zu mehr Arbeit anzuspornen. Das Fazit ist die Relativität von Glücksempfinden und ein nicht generalisierbares individuelles Bedürfnis nach Zufriedenheit.
Marie- Christin Fellner: Einstellungen. Fellner befasst sich mit der Entstehung von Einstellungen. Sie geht von der Theorie aus, dass Menschen Widersprüche in der Gedankenwelt möglichst gering halten wollen. Beispiel: Ein Mitarbeiter wird für eine aufwendige Arbeit vom Vorgesetzten kritisiert. Der Mitarbeiter hat 2 Möglichkeiten: 1. Er kann der Meinung des Vorgesetzten folgen und seine Arbeit erniedrigen oder 2. Er kann den Vorgesetzten als unfähig hinstellen. In beiden Fällen werden die Widersprüche zwischen Anstrengung und Rückmeldung verringert. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Entstehung von Einstellungen ist die „ausbalancierte Beziehung“. So besteht die Neigung, Dinge gut zu finden, die sympathische Menschen gut finden. Und anders herum: Menschen sympathisch zu finden, die die gleichen Meinungen/Einstellungen vertreten. Fellner stellt den Zusammenhang zwischen der Veränderung bewusster Einstellungen und der persönlichen Zufriedenheit dar. Grundlage bildet die kritische Auseinandersetzung mit der Arbeit und den Arbeitsbedingungen, in der das Selbstbild und Wunschbild näher zusammenrücken, die Widersprüche geringer werden und Einstellungen und Arbeitszufriedenheit erhöht werden.
Sandra Kaltner: Motivation 3,2,1…deins! Kaltner beruft sich auf Erkenntnisse, die auf dem Fischmarkt in Seattle gewonnen wurden. Denn obwohl die Arbeitsplätze dort in vielerlei Hinsicht (Geruch, Lautstärke etc.) unattraktiv erscheinen, herrscht dort Lebens- und Arbeitsfreude. Die Maximen sind:
- Wähle deine Einstellung!
- Gestalte deine Arbeit spielerisch!
- Bereite anderen eine Freude!
- Sei für die Kunden präsent!
Sie plädiert dafür, es sich bei der Arbeit so gut wie möglich gehen zu lassen. Für alle o.g. Teilbereiche hält sie Tipps bereit, die in unterschiedlichen Branchen Ideen zur Umsetzung bieten. Ein weiterer Schwerpunkt ist ein geglücktes Zeitmanagement.
2. Zielgruppe: Führungskräfte
Martina Spörl: Motivation durch Furchtappelle. Furchtappelle können verbal oder nonverbal sein und sollen beim Empfänger Furcht auslösen, um Einstellungs- oder Verhaltensänderungen hervorzurufen. Sie informieren über negative oder schädliche Konsequenzen eines Verhaltens (Arbeitsverlust, Ausbleiben der Gehaltserhöhung…). Sie lösen Stress aus, sind jedoch nicht generell überflüssig. Aus Zeit- oder Sicherheitsgründen kann es die Notwendigkeit geben, damit zu agieren (Bsp: Ein Reaktor- GAU). Furchtappelle fördern nach Spörl das Vermeidungslernen und engen gedanklich ein. Im Sinne der Motivation bilden sie einen schwachen Faktor. Das Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten und die Lösung von schwierigen Anforderungen spielt eine wichtigere Rolle als das Nachdenken über Gefahren. Spörl beschreibt positive Vorbilder und Tandem- Systeme zwischen erfahrenen und unerfahrenen Mitarbeitern als mögliche Alternativen zu Fruchtappellen.
Julia
Weikamp: Motivation durch (Ver-) führung. Weikamp
stellt in 4 Themenblöcken Sinn, Zweck und Möglichkeiten von
Führung dar:
1. Notwenigkeit und Bedürfnis nach einer
Führungskraft
2. Chefsessel für jedermann
3. Gruppen
zum Erfolg führen
4. Internationale Handlungskompetenz
Was
macht eine Führungskraft zur Führungskraft? Mit welchen
Vorannahmen nimmt sie ihren Posten ein, wie sieht sie ihre
Mitarbeiter und was will sie mit ihnen erreichen? Weikamp
nimmt den Leser mit auf eine interaktive Reise um die Welt, in der
den o.g. Fragen nachgegangen wird.
3. Zielgruppe: Organisationen
Tanja Schwarzmüller: Auf die Praxis übertragen. Schwarzmüller beobachtet eine hohe Motivation im Ehrenamt (z.B. im Sportverein) und fragt, wie diese auf das Arbeitsleben zu übertragen sei. Sie stellt 5 Theorien vor und wendet die Erkenntnisse auf den betrieblichen Alltag an. Beispielsweise die ERG- Theorie von Alderfers, in der Bedürfnisse in 3 Bereiche unterteilt werden, in existentielle Bedürfnisse (Nahrung, Arbeitslohn, Sicherheit,…), relationale Bedürfnisse (soziales Miteinander, Anerkennung,…) und Wachstumsbedürfnisse (Weiterentwicklung,…). Auf das betriebliche Handeln übertragen, werden die Bedürfnisse und deren Befriedigung durch Sicherung der Arbeitsplätze, Aufenthaltsräume, evtl. flexible Arbeitszeiten usw. sichergestellt. Andere Theorien lassen den Rückschluss zu, dass gerechtes Handeln, Unterstützung der Mitarbeiter, Feedback etc. zur Motivation beitragen.
Moritz Körber: Lohnformen unter dem Aspekt Motivation. Neben Aufgabenvielfalt und einem guten Arbeitsklima ist die Entlohnung ein wichtiger Motivationsfaktor. Körber stellt die Gründe für die Wirksamkeit und ihre Grenzen dar und gibt einen Überblick über die gängigsten Lohnformen ( z.B. zeitlich orientierte Vergütung, leistungsbezogene Entlohnung, Prämienlohn). Im Beitrag entwickelt er ein alternatives Entgeldsystem als Kombination der vorangegangenen. Dabei ist das Grundgehalt jeweils an Zielen orientiert, die mit der Führungskraft vereinbart werden. Weitere Maßnahmen sind ein Teambonus, ein Innovationsbonus oder ein Tausch von Boni in Urlaubstage.
Bettina Eibl: Arbeitsplatzgestaltung. Eibl untersucht die Frage nach der Gestaltung von Arbeitsplätzen, um für Arbeitnehmer attraktiv und zufriedenstellend zu sein. Neben Maßnahmen zur Arbeitsstrukturierung (z.B. Vergrößerung des Tätigkeitenspielraums) und Arbeitszeitgestaltung (z.B. Flexibilisierung, Pausen) werden auch Priming- Maßnahmen genannt.
Sabine Schildein und Bernd Körber: Best- Leister, Top- Performer: What makes them tick. Schildein/Körber stellen Erkenntnisse zur Eignungsdiagnostik vor, die das Ziel verfolgen leistungsmotivierte Mitarbeiter zu finden, zu fördern und zu halten. Es wird unterschieden zwischen: Eigenschaftsanforderungen (Fähigkeiten der Mitarbeiter), Verhaltensanforderungen (Fertigkeiten), Qualifikationsanforderungen (Kenntnisse) und Ergebnisanforderungen (Problemlösungen). Als weiteres Kriterium gilt das „Potential“ eines Menschen. Messbare und überprüfbare Ziele bilden die kognitive Verbindung zu dem in der Kindheit erlernten Leistungsmotiv. Im weiteren werden die Zusammenhänge mit der persönlichen Einstellung zur Leistung untersucht. Schildein/Körber bieten einen Fragebogen an, der Personalentwicklern Hilfen für individuelle Förder- und Entwicklungsmaßnahmen anbietet.
Martin Neuberger und Bettina Williger: Entwicklungspsychologische Aspekte der Arbeitsmotivation. Neuberger/Williger erforschten Büro- und Führungskräfte und ihre Motivation über das 50. Lebensjahr hinaus zu arbeiten. Diese Altersgruppe ist vor dem Hintergrund des demographischen Wandels interessant. Ihre Motivation hängt ab von: dem Interesse der Arbeitgeber an der Gesundheit und der Bereitstellung von entsprechenden Maßnahmen, der Befriedigung der Bedürfnisse z.B. bei der Pflege kranker Angehöriger, dem sozialen Austausch, z.B. durch Jobrotation, Qualifizierungsmaßnahmen, die auf erworbenen Fähigkeiten aufbauen und dem Ausbau horizontaler Verantwortungsbereiche.
Diskussion
Motivationsbücher gibt es viele. Häufig werden kurze, knackige Tipps und Tricks zur persönlichen Motivation oder zur Umgehung der Hindernisse gegeben. Dabei regt sich mancher Zweifel, ob diese Hilfen langfristig erfolgreich und umsetzbar sind und nicht nur eine Form der Manipulation darstellen.
In „Zündstoff Motivation“ werden viele der bekannten Motivationstheorien und -strategien theoretisch dargestellt, beleuchtet und durch praktische Tipps auf den betrieblichen Alltag bezogen. Immer wieder begegnen dem Leser kritische Anmerkungen, von Schlagworten und schnellen Tipps ist das Buch weit entfernt.
Die Beiträge sind unabhängig von einander zu lesen, verbinden sich jedoch durch Querverweise zu einem Ganzen und zeigen sowohl die Verbindung der Autoren untereinander als auch ihre gemeinsame gedankliche Basis. Einige der Maßnahmen für den betrieblichen Alltag tauchen öfter auf. So wird deutlich, dass es Schnittmengen gibt und die Motivation von Mitarbeitern mit einer Maßnahme in unterschiedlichen Bereichen gefördert werden kann.
Der universitäre Hintergrund ist sehr präsent und erschwert an vielen Stellen das Lesen und Verstehen. So werden viele Fachbegriffe eingeflochten und erschweren Fachfremden die leichte Verarbeitung und Übertragung des Gelesenen. Insbesondere in den Abschnitten für Mitarbeiter ist kritisch zu fragen, welche Leser hier angesprochen werden.
Der Leser kann das Buch als Lesebuch nutzen, um sich einen Überblick über die Gesamtheit der Maßnahmen zu verschaffen und anschließend die Beiträge seiner Zielgruppe und so den Wirkbereich seiner eigenen Tätigkeit genauer betrachten.
Fazit
Das Buch startet sehr ambitioniert und leserfreundlich mit einem Dialog zwischen dem „inneren Schweinehund“ und dem „fleißigen Bienchen“ und einer Kurzvorstellung aller Beiträge. Leider wird dieser interaktive Stil nicht durchgehalten. Es handelt sich dennoch um eine interessante und fachlich gute Zusammenstellung von Theorien und praktischen Anteilen, die zum Nachdenken anregt und einige Tipps für den betrieblichen Alltag bereithält.
Rezension von
Monika Pietsch
Training und Konstruktives Lernen
selbständige Trainerin und Beraterin, Schwerpunkt: Team- und Führungskompetenzen mit den Methoden des konstruktiven Lernens
Website
Es gibt 60 Rezensionen von Monika Pietsch.
Zitiervorschlag
Monika Pietsch. Rezension vom 26.05.2010 zu:
Martin Sauerland, Julia Weikamp (Hrsg.): Zündstoff Motivation. Motivierungsmethoden für Mitarbeiter, Führungskräfte und Organisationen. Verlag Dr. Kovač GmbH
(Hamburg) 2009.
ISBN 978-3-8300-4452-9.
Schriftenreihe Schriften zur Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie - Band 50.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/8794.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.