Constanze Kirchner, Johannes Kirschenmann et al. (Hrsg.): Kinderzeichnung und jugendkultureller Ausdruck
Rezensiert von Prof. Dr. Lisa Niederreiter, 13.09.2010

Constanze Kirchner, Johannes Kirschenmann, Monika Miller (Hrsg.): Kinderzeichnung und jugendkultureller Ausdruck. Forschungsstand - Forschungsperspektiven.
kopaed verlagsgmbh
(München) 2010.
320 Seiten.
ISBN 978-3-86736-123-1.
19,80 EUR.
Reihe: Kontext Kunstpädagogik - 23.
Thema
Die vorliegende Publikation behandelt in facettenreicher Weise die Phänomene der Kinderzeichnung sowie weiter gefasst des jugendkulturellen Ausdruck im Kontext kunstpädagogischer Forschung und schulischen Unterrichts. Dabei legen die Herausgeber besonderen Augenmerk auf die Erweiterung und Aktualisierung des Forschungsstandes um die Berücksichtigung veränderter kindlicher und jugendlicher Lebenswelten unter Einbeziehung der Neuen Medien, welche Wahrnehmung und Ausdruck von Kindern und Jugendlichen verändert haben. Die vorgestellten Ergebnisse beruhen großteils auf praxisnahen Erkundungen und Forschungsprojekten zu einzelnen Phänomenen der Kinderzeichnung.
Autor und Entstehungshintergrund
Die in der Reihe „Kontext Kunstpädagogik“ als Band 23 erschienene Publikation firmiert als überarbeiteter Tagungsband eines Symposiums zur Kinder- und Jugendzeichnungsforschung im deutschsprachigen Raum, welches 2009 von der Universität Augsburg ausgerichtet wurde und mit insgesamt 43 Beiträgen von Wissenschaftlern und forschenden Praktikern eine Bandbreite neuester Erkenntnisse zur ästhetischen Praxis von Kindern und Jugendlichen erwarten lässt.
Aufbau
Der Band ist in vier Kapitel gegliedert, welche die heterogenen, teilweise sehr kurzen und praxisnah generierten Forschungsergebnisse zu ordnen suchen: So behandeln die Beiträge in Kapitel 1 die Eigenarten und Funktionen der sich ausdifferenzierenden Zeichnung im Kindesalter in ihrer Interdependenz von Wahrnehmung, Ausdruck, Imagination, Denken und Sprache. Kapitel 2 widmet sich dem jugendkulturellen Ausdruck, der unter dem Einfluss der Neuen Medien, einer auch interkulturell veränderten Lebenswirklichkeit neu gedacht werden muss. Die Beiträge in Kapitel 3 befassen sich mit kunstdidaktischen, schulischen, experimentell methodischen, förder- und projektorientierten Fragestellungen angemessener künstlerischer Arbeit mit der Zielgruppe, wohingegen Kapitel 4 schließlich einige Ergebnisse spezifischer Untersuchungen und Erhebungen, Überlegungen zu Forschungsmethoden und weiterführenden Perspektiven eröffnet.
Inhalt
Das Buch stellt zahlreiche Überlegungen und Untersuchungsergebnisse zu aktuellen Veränderungen kindlicher Zeichentätigkeit in formaler und thematischer Hinsicht vor, berücksichtigt dabei jedoch jeweils den Stand der bisherigen Forschung. Konturiert zeigt sich die nach wie vor elementare Bedeutung kindlichen Zeichnens im Kontext der Persönlichkeits- und Intelligenzentwicklung und eines umfassenden Kompetenzerwerbs auch bzgl. kreativer Fähigkeiten. Besondere Aufmerksamkeit erfährt die kindliche Zeichnung hinsichtlich ihrer Resonanz auf mediale Vorbilder, eine Tatsache, die von den Autoren in hohem Maße in der ästhetisch-kulturellen Praxis von Jugendlichen herausgestellt wird. Die Ästhetik von Computerspielen, ästhetisch-kommunikatives Handeln mit dem handy, dem Web…finden Beachtung und führen zu einer erweiterten Sichtweise auf künstlerisch-kulturelle Praxis von Jugendlichen weit über die Zeichentätigkeit hinaus. Mehrere Beiträge beschäftigen sich mit Interkulturalität, Kinderzeichnung und ihre Konsequenzen für die Kunstpädagogik.
Für den schulischen Unterricht findet der Leser zahlreiche innovative didaktische Praxisberichte und -auswertungen, Überlegungen zur Interpretation und Förderung von ästhetischem Ausdruck und damit verbundenen Prozessen wie Wahrnehmung, Erinnerung, Imagination, Ausdruck, Selbstbestimmung und Identität. Bereichernd sind zudem die zahlreichen Beiträge zu methodischen Forschungsvorgehen der Beobachtung, der Videodokumentation, der vergleichenden Bildbetrachtung und -besprechung u.v.a.m.
Diskussion
Der umfassende Band stellt einen reichen Fundus an neueren und neuesten Erkenntnissen zur Veränderung der Kinderzeichnung und mehr noch an Überlegungen zu einem notwendigen erweiterten Begreifen ästhetischer Praxis von Jugendlichen zur Verfügung. Projektbeschreibungen, Forschungsdokumentationen, Fragestellungen sind vielfältig, anschaulich und anregend.
Von Nachteil ist jedoch, dass Versuche zu einer umfassenden Theorie- oder Merkmalbildung hinsichtlich aktualisierter Kinderzeichnungsforschung nicht vorgenommen werden, die einzelnen Beiträge vignettenhaft, binnenspezifisch auf einzelne Aspekte, Fragestellungen und Projekte ausgerichtet sind und überwiegend angesammelt werden. Auch die Frage zum so wichtigen Verhältnis schulischer und außerschulischer künstlerischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und Formen ihrer Vermittlung hinsichtlich der Entwicklung schöpferischer Kompetenzen in der Aneignung von Welt wird nicht genügend nachgegangen.
Fazit
Diese für einen Tagungsband typische, äußerst facettenreiche Publikation bietet in teils sehr anschaulicher Weise einen Einblick zu einzelnen Aspekten sich wandelnder kindlicher Zeichentätigkeit und ästhetischer Praxis Jugendlicher und eröffnet dem Leser Möglichkeiten , die aktuellen Entwicklungen im Kontext veränderter Gesellschaft besser zu verstehen und evtl. mit neuen, angemesseneren Formaten der Kunstvermittlung darauf zu reagieren, um das Potential künstlerischer Prozesse nutzen zu können.
Der Band ist geeignet und sicherlich Bereicherung für Studierende und Professionelle in den Feldern Kunst-, Sozial-, Museumspädagogik, für alle, die mit Kindern und Jugendlichen in Bildung, Erziehung und kultureller Teilhabe zu tun haben.
Rezension von
Prof. Dr. Lisa Niederreiter
Kunst- und Sonderpädagigin, Kunsttherapeutin, Künstlerin
Professorin an der Hochschule Darmstadt, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Soziale Arbeit
Website
Mailformular
Es gibt 9 Rezensionen von Lisa Niederreiter.