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Bardo Herzig: Medienbildung. Grundlagen und Anwendungen

Rezensiert von Prof. Dr. Christian Beck, 25.06.2013

Cover Bardo Herzig: Medienbildung. Grundlagen und Anwendungen ISBN 978-3-86736-201-6

Bardo Herzig: Medienbildung. Grundlagen und Anwendungen. kopaed verlagsgmbh (München) 2012. 306 Seiten. ISBN 978-3-86736-201-6. 19,80 EUR.
Reihe: Handbuch Medienpädagogik - 1.

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Thema

Das Besondere des vorliegenden Bandes ist, dass sein Autor „ein integratives Verständnis von Medienbildung“ auf relativ neue Art entfalten will, indem er Pädagogik, Semiotik und Informatik aufeinander bezieht (S. 10). Dabei setzt er sich mit traditionell-analogen wie mit computerbasiert-digitalen Medien auseinander, ebenso mit theoretisch-konzeptionellen Grundlagen wie auch mit Praxisbezügen. Das Buch zielt in erster Linie auf den „schulischen Zusammenhang“, weniger auf außerschulische Felder, wie Jugendarbeit oder Vorschule (S. 21).

Autor

Dr. Herzig ist an der Universität Paderborn Professor für Allgemeine Didaktik und Schulpädagogik, und zwar unter Berücksichtigung der Medienpädagogik (dazu finden sich keine Angaben im Buch; daher eigene Recherche C.B.).

Entstehungshintergrund

Um ein „allgemeinbildendes Element“ in der Medienbildung markanter zu prägen, hält Herzig „eine stärker theoriebezogene Diskussion“ für nötig, und das als eine Diskussion, die zugleich Vorhandenes nutzbringend aufnimmt (S. 79 f.). Es sei dabei wichtig, den interdisziplinären Charakter der Medienbildung zu sehen. Leitende Begriffe, die sich hierbei erkennen ließen, seien „Kommunikation und Zeichen“ – daher der starke Bezug zur Semiotik (S. 80).

Aufbau

In fünf Kapiteln entwickelt Herzig die Grundlagen seines theoretischen Ansatzes. Jedes Kapitel endet dabei mit einer Zusammenfassung. Es werden überwiegend Aspekte der Zeichen- und Kommunikationstheorie dargestellt sowie entsprechende Gesichtspunkte aus der Medieninformatik.

Im folgenden Schlusskapitel diskutiert Herzig exemplarisch zwei Fragestellungen, die medienpädagogisch von Bedeutung seien: Diese sollen verdeutlichen, „inwieweit ein medienerzieherisches Anliegen durch den Einbezug der hier entwickelten Grundlagen fundiert, unterstützt, erweitert und zum Teil auch überhaupt erst sinnvoll diskutiert werden kann“ (S. 229).

Inhalt

Im ersten Kapitel geht es, übereinstimmend mit der schulischen Zielrichtung des Buches, „darum, die Ausgangslage zu skizzieren und Entwicklungslinien im Bereich der Medienerziehung und im Bereich der informationstechnischen Grundbildung sowie der Informatik als Unterrichtsfach aufzuzeigen“ (S. 12). Dieses Kapitel ist mit 66 Seiten das umfangreichste.

Hier umschreibt Herzig auch, was er unter Medienbildung versteht, nämlich „all die pädagogischen Prozesse der Auseinandersetzung mit Medien […], die reflexiv verlaufen und für Bildung relevant sind“ (S. 16). Das schließe „sowohl didaktische als auch erzieherische Prozesse ein“, wobei in diesem Buch „die erzieherische Perspektive im Vordergrund“ stehe (S. 20 f.).

„Als zentrales Theorieelement“ werden im zweiten Kapitel Grundlagen, die der Semiotik entstammen, systematisch dargestellt (S. 12). Der Autor bezieht sich dazu vor allem auf Werke von Charles Sanders Peirce (1839-1914) und Charles William Morris (1901-1979). Zu zeigen versucht Herzig, dass diese Werke sowohl für die Medienpädagogik als auch für die Softwareentwicklung von beträchtlicher Bedeutung sein können. Die semiotische Grundlegung wird im vierten Kapitel ausgehend von Einsichten Louis Hjelmslevs (1899-1965) „um eine Typologie computerbasierter Zeichen erweitert“ (S. 13).

Im vorherigen dritten Kapitel geht es darum, semiotische Überlegungen auf die technische Entwicklung der Medien, sowohl analoge als auch digitale, anzuwenden. Herzig hält es dabei analytisch und unter medienpädagogischen Gesichtspunkten für gegenstandsangemessen, die Erstellung medialer Angebote getrennt von deren Rezeption durch die Individuen zu betrachten. Das Phänomen der Interaktivität zwischen Mensch und Computer – hier: der verändernden Einwirkung auf Zeichen – wird sodann speziell im folgenden vierten Kapitel beleuchtet.

Das fünfte Kapitel erweitert nochmals die theoretische Perspektive: um Aspekte der Systemtheorie, besonders im Anschluss an Grundlagen des Soziologen Niklas Luhmann (1927-1998). Hat Herzig vor allem im vorigen Kapitel „das Verhältnis zwischen Einzel-Mensch und Einzel-Computer“ diskutiert, so rückt nun „die Frage des Austausches oder des mittelbaren In-Kontakt-Tretens mit anderen Menschen oder mit – von anderen Menschen gestalteten – Medienangeboten in den Fokus der Aufmerksamkeit“ (S. 202 f.).

Herzig entwirft auf dieser Basis – verknüpft mit allen anderen theoretischen Bezügen – „eine Modellvorstellung von mediatisierter Kommunikation“ (S. 205; Hervorhebung C.B.). Danach „lassen sich Medienangebote beschreiben als mustergeprägte potenzielle Zeichenanordnungen, die Partizipienten in Kommunikationsprozessen Anlässe zur Bedeutungszuweisung bieten. Zeichenaspekte werden dabei als Muster in Technik eingeschrieben oder mit Hilfe von Technik präsentiert, arrangiert, gespeichert, übertragen und verarbeitet. Die Kommunikationsprozesse lassen sich durch das Aufnehmen und Anbieten von Selektionsofferten, d.h. Medienangeboten, sowie durch die Synthese von Information, Mitteilung und Verstehen charakterisieren.“ (S. 227)

Wie schon erwähnt, bearbeitet Herzig im abschließenden sechsten Kapitel zwei aus seiner Sicht beispielhafte medienpädagogische Fragestellungen auf der Grundlage der entwickelten Modellvorstellung:

  • Es geht zum einen um das Problem, dass zu einem Thema „vielfältige und divergierende Informationen“ angeboten werden, noch dazu in verschiedenen Arten von Medien (S. 230; Hervorhebung C.B.); hier am Beispiel der Diskussion über die Anwerbung ausländischer Facharbeitskräfte der Informationstechnologie, wie sie in Deutschland im Jahr 2000 geführt wurde.
  • Zum anderen handelt es sich um eine Auseinandersetzung mit technischen Bildern, wobei es Herzig darauf ankommt, „den Status solcher Bilder zu klären und auch auf ihre Begrenztheit hinzuweisen“ (S. 261); Ausgangsbeispiel ist hier Robert Capas (1913-1954) bekannte Fotografie des Todes eines republikanischen Milizionärs im Spanischen Bürgerkrieg, deren Authentizität immer wieder angezweifelt wurde, und das Spektrum reicht bis zu bildgebenden Verfahren und zur digitalen Fotografie.

Diskussion

Mit seinem Anspruch einer umfassend-integrativen Sichtweise – und durch die Konsequenz, mit der er sein Vorhaben verfolgt – begibt sich Herzig durchaus auf Neuland. Insgesamt gibt der Autorseinen außerpädagogischen Bezugswissenschaften, der Semiotik und der Medieninformatik, viel Darstellungsraum. Das erscheint auch angezeigt: Denn den meisten der potentiellen LeserInnen dürften die hier referierten Grundlagen nicht vertraut sein.

Es kann die angestrebte integrative Sichtweise mit dem hier vorgelegten Band als eingelöst gelten, jedenfalls in den Grundzügen. Ob sie auf breite Resonanz beim pädagogischen Publikum treffen wird, scheint wegen der eingeschränkten Möglichkeit, an Vertrautem anknüpfen zu können, aber fraglich.

Dabei wirkt Herzigs Darstellung gediegen, auch Kompliziertes wird recht verständlich erklärt. Da der Text sich meist auf einem höheren theoretischen Anspruchsniveau bewegt, erfordert das Buch über weite Strecken ein überdurchschnittlich konzentriertes Lesen. Die jeweiligen Zusammenfassungen am Ende der Kapitel sind hier hilfreich.

Eine Befassung mit dem Bildungsbegriff in der Pädagogik fällt sehr knapp aus. Angesichts des Buchtitels wäre eine ausführlichere Auseinandersetzung zu erwarten gewesen. Hinzu kommt die mehr oder weniger ausgeprägte Engführung auf die Sparte der Schulpädagogik. Es wäre angebracht, dass dieser Schwerpunkt schon im Titel des Buches zu erkennen wäre.

Fazit

MitarbeiterInnen aus der Sozialwirtschaft dürfte das Buch erst in zweiter Linie ansprechen: Zu sehr dominiert die schulische Perspektive. Günstig sind Vorkenntnisse in Semiotik und auch (Medien-) Informatik. Wer sie als LeserIn nicht mitbringt, sollte sich jedoch nicht abschrecken lassen, sondern bereit sein, sich auf eine ungewohnte Sichtweise einzulassen, die bei intensiver Beschäftigung durchaus neue Verständnisse ermöglicht.

Rezension von
Prof. Dr. Christian Beck
Pädagogische Forschung und Lehre
Website

Es gibt 53 Rezensionen von Christian Beck.

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Zitiervorschlag
Christian Beck. Rezension vom 25.06.2013 zu: Bardo Herzig: Medienbildung. Grundlagen und Anwendungen. kopaed verlagsgmbh (München) 2012. ISBN 978-3-86736-201-6. Reihe: Handbuch Medienpädagogik - 1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/8817.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.


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