Judith Rosta, Manfred V. Singer: Über die Kunst des rechten Alkoholgenusses
Rezensiert von Prof. Dr. Gundula Barsch, 13.03.2010
Judith Rosta, Manfred V. Singer: Über die Kunst des rechten Alkoholgenusses. Eine kleine Kulturgeschichte des Alkohols.
Shaker Verlag
(Aachen) 2008.
119 Seiten.
ISBN 978-3-8322-7222-7.
D: 19,80 EUR,
A: 19,80 EUR,
CH: 39,60 sFr.
Reihe: Berichte aus der Medizin.
Thema und Entstehungshintergrund
Der Autor, eher mit der medizinischen Leitung einer großen Klinik und mit dem Alkoholkonsum beruflich wohl mehr aus der ärztlichen Praxis beschäftigt, erlaubt sich mit diesem Buch einen Ausflug in kulturgeschichtliche Betrachtungen, die sich um dieses jahrtausendealte Genussmittel ranken. Es ist offensichtlich nur eine kurze Auszeit, die für diese kleine Reise in ein überwältigend großes Forschungsthema zur Verfügung stand, die von der Heinrich-Vetter- Stiftung und der Stiftung Biomedizinische Alkoholforschung unterstützt wurde. Dem Autor ist offensichtlich bewusst, dass sich die Darlegungen dieses Buches nicht mit vorliegenden umfänglichen Analysen zu diesem Thema messen lassen können. Insofern ist der bereits im Vorwort angebrachte Hinweis zu unterstreichen, dass sich dieses Buch an Laien wendet, die eher Genuss und Spaß finden mögen und nicht unbedingt eine ausführliche Untersuchung des Gegenstandes erwarten sollen.
Aufbau und Inhalt
Das facettenreiche Thema „Alkohol und Menschheitsgeschichte“ lässt sich unter verschiedenen Aspekten aufgreifen. Für dieses Buch sollten sowohl die Anfänge des Alkoholkonsums als Bestandteil der Lebensweise der Menschen dargestellt, den Funktionen des Alkoholtrinkens nachgespürt und dabei auch dem Problematisierungsversuchen und Regulierungsbestrebungen für dieses Handeln nachgegangen werden. Allein schon diese Palette von Fragen eröffnet ein Forschungsfeld, das eine kaum überschaubare Fülle präsentiert. Insofern wird an dem angestrebten Gesamtvorhaben bereits deutlich, dass ohne eine deutliche Einschränkung mit den zur Verfügung stehenden Kräften nur ein kleiner Einblick in die Zusammenhänge gelingen konnte.
Der Überblick beginnt mit einer knappen Darstellung einzelner Informationen zum Alkoholkonsum aus prähistorischer Zeit und aus der Antike, die die Funktionen gegorener Getränke als Nahrungsmittel, Durstlöscher, Arznei und Bestandteil religiöser Fest nachzeichnen und auch schon ersten Regulierungsversuchen erkennen lassen. Allerdings erscheint dieses Kapitel eher als eine Hinführung zum eigentlichen Schwerpunkt der Recherche: Der Auseinandersetzung mit alkoholischen Getränken in ihrer Entwicklung zum Kulturgut von der germanischen Zeit über das Mittelalter bis zur Gegenwart. Dabei überrascht das Herangehen des Autors, sich dem Thema nicht vordergründig chronologisch zu nähern, sondern dem Alkoholkonsum eher über die jeweils angestrebten Funktionen alkoholischer Getränke in der Lebensweise der Menschen nachzuspüren. Aufgegriffen wird dafür die Verwendung von Alkohol als Nahrungsmittel, Durstlöscher, Arznei, Statussymbol und Zeichen des Lebensstandards sowie als Begleiter von Festen und religiösen Ritualen. So mutig eine solche Strategie der Betrachtung auch zunächst erscheint, so deutlicher werden allerdings auch die Schwierigkeiten der Umsetzung. Durch die Differenzierung in die jeweils zu betrachtende Funktion wird das Gesamtphänomen „Alkoholkonsum“ leider immer wieder aus seinen Zusammenhängen zu anderen Funktionen und erst recht zu den Lebensumständen und Lebenswelten der jeweiligen Zeit gerissen. Dadurch hat es der Leser schwer, sich ein Gesamtbild zu den jeweils angesprochenen Epochen zu entwerfen und davon ausgehend den Alkoholkonsum und die durchaus zu registrierenden Veränderungen in seinen Formen und Funktionen passgerecht einordnen zu können. Wohl auch deshalb rückt der Autor in einem nächsten Kapitel von diesem Verfahren ab und geht bei der Skizzierung gesellschaftlicher Regulierungsversuche nunmehr chronologisch vor. Hier gelingt es, den historischen Takt der Problematisierung problematisch Trinkender vom Sünder, über den Delinquenten zum Kranken nachzuzeichnen. Dennoch fällt es nicht immer einfach ist, den zeitlichen Sprüngen, den Versatzstücken in der Argumentation und den notgedrungen immer wieder auch auftauchenden Redundanzen zu folgen. Mit einem Ausblick auf die Vielzahl der gegenwärtig gültigen Definitionen, mit denen aus dem Alkoholgebrauch ein Alkoholmissbrauch gemacht wird, kommt das Werk in der Gegenwart an. Es entlässt einen Leser, der eine Ahnung von der Kompliziertheit und dem Facettenreichtum des Themas erhalten hat, der unaufgeregt und eher mit Gelassenheit auf den Alkoholkonsum blickt und sich auch eine durchaus kritische Meinung zu den historisch immer auch nachweisbaren moralisierenden Antialkoholbewegungen und prohibitiven Versuchen erlauben darf.
Fazit
Das Buch hat eine einladende Ausstattung mit vielen historischen Darstellungen und interessanten Zitate aus überlieferten Schriften, die amüsant zu lesen sind und an mancher Stelle auch Staunen und Verwunderung über die Umgangsweise unserer Altvorderen mit Alkohol auslösen. Insofern gehört es in der Tat, wie vom Autor erhofft, zum Lesestoff, den man vielleicht zu einem guten Glas Wein genießen kann. In die Rubrik einer wissenschaftlich strukturierten Abhandlung mit dezidierten Ableitungen und aufgeworfenen kritischen Fragestellungen für die weitere Forschung gehört es nicht.
Rezension von
Prof. Dr. Gundula Barsch
Hochschule Merseburg
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Zitiervorschlag
Gundula Barsch. Rezension vom 13.03.2010 zu:
Judith Rosta, Manfred V. Singer: Über die Kunst des rechten Alkoholgenusses. Eine kleine Kulturgeschichte des Alkohols. Shaker Verlag
(Aachen) 2008.
ISBN 978-3-8322-7222-7.
Reihe: Berichte aus der Medizin.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/8840.php, Datum des Zugriffs 10.10.2024.
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