Brunna Tuschen-Caffier, Sigrid Kühl et al.: Soziale Ängste und soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter
Rezensiert von Prof. Dr. Hans-Peter Michels, 19.01.2010
Brunna Tuschen-Caffier, Sigrid Kühl, Caroline Bender: Soziale Ängste und soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter. Ein Therapiemanual. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG (Göttingen) 2009. 134 Seiten. ISBN 978-3-8017-2118-3. 34,95 EUR. CH: 59,00 sFr.
Thema
In den letzten Jahren sind einige kognitiv-verhaltenstherapeutischen Manuale zur Behandlung von sozialen Ängsten bzw. Sozialphobien erarbeitet worden. Tuschen-Caffier, Kühl und Bender haben nun ein weiteres Programm vorgelegt. Es ist für die Arbeit mit Kindern bzw. Jugendlichen im Alter von 8 bis 12 Jahren entwickelt worden.
Aufbau und Inhalte
Die Autorinnen geben einen Überblick über Klassifikation und Epidemiologie der sozialen Angststörung.
In Kapitel 3 „Ätiologie und Aufrechterhaltung“ referieren sie in knapper Form diejenigen Erklärungsansätze, welche z. Zt. in der Psychologie diskutiert werden. Dabei wird deutlich, dass eigentlich noch keine kohärente Theorie zur Entstehung und Aufrechterhaltung der sozialen Angststörung existiert. Denn die vorgestellten neurobiologischen, lerntheoretischen oder kognitiven Ansätze sind – wie die Autorinnen verdeutlichen - in ihrer Aussagekraft eher begrenzt.
Das Kapitel 4 handelt von der „Diagnostik bei sozialen Ängsten und sozialer Angststörung“. Da mittlerweile einige Manuale zur Behandlung von sozialen Ängsten, sozialer Angststörung oder Sozialer Phobie vorliegen, ist die Frage interessant, wie Tuschen-Caffier, Kühl und Bender das Training gestalten und wo sie ihre Schwerpunkte setzen. Sie legen ein Therapieprogramm vor, das aus fünf Modulen besteht:
Modul I „Kognitive Vorbereitung“ beinhaltet die Einführung in den Ablauf des Gruppentrainings. Durch Spiele soll eine lockere Atmosphäre sowie die Kohäsion zwischen den Kindern in der Gruppe erzeugt werden. Die Kinder lernen insbesondere, den Zusammenhang von Kognitionen und Ängsten zu verstehen. Außerdem werden sie schon mit einigen kognitiv-behavioralen Techniken vertraut gemacht, um sie später für sich selbst einsetzen zu können.
In Modul II „Kognitive Interventionen“ werden die Techniken beschrieben, die für eine kognitive Umstrukturierung angstrelevanter Kognitionen als geeignet angesehen werden.
Betrachtet man die Anzahl der Module bzw. deren Gewichtung, dann setzen Tuschen-Caffier, Kühl und Bender m. E. nach den Schwerpunkt auf Veränderungen des Verhaltens (vgl. Module III, IV und V). Sie möchten, dass sozial ängstliche Kinder und Jugendliche vor allem lernen, interaktive Kompetenzen zu erwerben, insbesondere das Knüpfen von Kontakten zu üben. Wichtig sind die zusätzlichen Übungen, die es dem Kind ermöglichen sollen sich in der Schulklasse zu melden oder auch an die Tafel zu gehen und zu schreiben. Dieser Programmteil ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da aus einer Reihe von empirischen Studien bekannt ist, dass Kinder und Jugendliche mit sozialen Ängsten häufig in ihren schulischen Leistungen unter ihrem intellektuellen Potential bleiben. Hier in diesem Bereich förderliche Handlungsweisen aufzubauen ist sehr sinnvoll.
Großen Wert legen die Autorinnen auf den Transfer des Gelernten. Die Expositionsübungen (Modul IV) und die Übungen in Eigenregie (Modul V: Selbstmanagement) sollen zu diesem Ziel führen. Mit Modul V wird verdeutlicht, dass die Bewältigung sozialer Ängste kaum innerhalb eines begrenzten Therapiezeitraum (max. 20 Sitzungen a 90 Minuten) zu erreichen ist, sondern eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten nach der Therapie in Eigenregie notwendig ist. Damit wird den Kindern und Jugendlichen eine realistische Perspektive vermittelt, die überzogene Therapieziele, aber auch Rückfälle in sozial-ängstliches Verhalten verhindern helfen kann.
Neben den Modulen, die die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beschreiben, machen Tuschen-Caffier, Kühl und Bender Vorschläge bzgl. der Einbeziehung der Eltern und wie diese zur Unterstützung der Kinder gewonnen werden können.
Zielgruppen
Das Manual ist für Psychotherapeuten, Klinische Psychologen sowie in Ausbildung befindliche Psychotherapeuten gedacht.
Fazit
Das Manual ist übersichtlich aufgebaut und so konzipiert, dass es den Therapeuten eine flexible Therapiegestaltung ermöglicht. Eine weitere Stärke sind die Übungsteile in den Bereichen „Kontakt“ und „Beteiligung im Unterricht“.
Rezension von
Prof. Dr. Hans-Peter Michels
Dipl.-Psychol.
Es gibt 40 Rezensionen von Hans-Peter Michels.
Zitiervorschlag
Hans-Peter Michels. Rezension vom 19.01.2010 zu:
Brunna Tuschen-Caffier, Sigrid Kühl, Caroline Bender: Soziale Ängste und soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter. Ein Therapiemanual. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2009.
ISBN 978-3-8017-2118-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/8873.php, Datum des Zugriffs 18.01.2025.
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