Manfred Huber, Ricardo Rodrigues et al.: Facts and Figures on Long-Term Care
Rezensiert von Prof. Dr. rer.medic. Martina Hasseler, 10.08.2010

Manfred Huber, Ricardo Rodrigues, Frédédrique Hoffmann, Katrin Gasior, Bernd Marin: Facts and Figures on Long-Term Care. Europe and North America. Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und -sozialforschung (Wien) 2009. 140 Seiten. ISBN 978-3-902426-49-9.
Herausgeber
Die Autoren und Autorin dieser Publikation setzen sich aus überwiegend gesundheitsökonomischen und sozialwissenschaftlichen Fachgebieten zusammen.
- Manfred Huber ist Gesundheitsökonom und Direktor für „Health and Care Programme“ am European Centre for Social and Welfare Policy and Research in Wien.
- Ricardo Rodrigues ist Ökonom und Forscher in dieser Abteilung.
- Frédérique Hoffmann ist als Sozialwissenschaftler in diesem Programm beschäftigt.
- Bernd Marin, ist Executive Director des European Centre for Social and Welfare Policy and Research in Wien.
- Katrin Gasior ist Soziologin und Graphikentwicklerin in diesem Projekt.
Entstehungshintergrund
Diese Publikation ist Teil des Projektes „Mainstreaming Ageing: Indicators to Monitor Implementation“, welches als Kooperationsprojekt zwischen dem European Centre for Social and Welfare Policy and Research in Wien und der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) entstanden ist. Das Hauptziel des „Mainstreaming“-Projektes ist, Regierungen eine wissenschaftliche und instrumentelle Unterstützung in der Implementation und im Monitoring ihrer Maßnahmen in Bezug auf das Thema „Alter“ innerhalb der UNECE-Regionen zu geben. Das Projekt ist im Kontext des „Madrid International Plan of Action on Ageing“ zu sehen, der auf der zweiten Weltversammlung zum Thema „Altern“ im Jahres 2002 verabschiedet worden ist. Ein internationales Expertentreffen zum Thema „Monitoring Long-Term Care for the Elderly“ im September 2009 in Israel hat dazu beigetragen, diese Veröffentlichung inhaltlich zu erweitern.
Aufbau und Inhalte
Die Veröffentlichung hat insgesamt sieben Kapitel, die sich über 135 Seiten erstrecken, inklusive Verzeichnis der Abkürzungen, Tabellen und Abbildungen, Literaturverzeichnis und statistische Quellen.
Im Kapitel „Einleitung“ beschreiben die Autoren, dass international in Gesundheits- und Sozialpolitik das Thema Langzeitpflege von hoher Relevanz ist. Eine Befragung in Europa aus dem Jahr 2007 weist daraufhin, dass viele Europäer besorgt sind, dass sie nicht eine bezahlbare und qualitativ hohe Pflege erhalten, wenn sie in die Situation kommen. Obgleich der Bedeutung dieses Themas im internationalen Raum, gibt es nur wenige Vergleichsdaten zwischen Ländern und Kontinenten, die die Basisindikatoren und Daten zu Wohn- und Lebensarrangements von älteren Menschen, zu Bedarfen für Pflege und Organisation und zu Pflegeangeboten miteinander vergleichen. Das Ziel dieser Studie ist, eine erste umfassende und vergleichende Datenlage zu Indikatoren in der Langzeitpflege zu präsentieren. Des Weiteren bietet sie eine qualitative Einschätzung der zur Verfügung stehenden internationalen und nationalen Datenlage.
In einem zweiten Teil des einführenden Kapitels definieren die Autoren den Begriff Langzeitpflege. Sie beziehen sich dabei auf eine OECD Definition aus dem Jahre 2005. Demnach wird unter Langzeitpflege eine Bandbreite von Dienstleistungen für Menschen verstanden, um sie in den Aktivitäten des täglichen Lebens über einen längeren Zeitraum in ihrem Leben zu unterstützen. Es ist hervorzuheben, dass die Autoren unter Aktivitäten des täglichen Lebens folgende einordnen: Körperpflege, An- und Ausziehen, Essen und Blasen- und Darmentleerung. Diese Aktivitäten können nach Ansicht der Autoren gemeinsam mit Gesundheitsdienstleistungen, wie bspw. Pflege, durchgeführt werden. Zu den pflegerischen Leistungen zählen sie z.B. Wundversorgung, Palliativpflege, Gesundheitszustand überwachen und Rehabilitation. Des Weiteren subsumieren die Autoren auch niederschwellige Dienstleistungen zu dem Bereich der Langzeitpflege. Im weiteren Verlauf unterscheiden sie institutionelle Pflege von der ambulanten Pflege und gehen auf Geldleistungen für pflegende Angehörige ein.
Das zweite Kapitel dient der Darstellung der Demographie und Gesundheit in unterschiedlichen Ländern. Dieses Kapitel verdeutlicht, dass einige Länder einen hohen Anteil älterer Menschen haben (Italien, Deutschland, Griechenland und Bulgarien), während andere einen eher „jungen“ Bevölkerungsanteil haben wie Kanada, Irland, Island, Israel, Slowakische Republik, Zypern und die Vereinigten Staaten. Länder wie Dänemark, Schweden Norwegen und Großbritannien haben den Alterungsprozess durch hohe Fertilitätsraten und/oder Immigration aufhalten können. Allerdings wird auch deutlich, dass in einigen Ländern seit den 90iger Jahren sich der Anteil der über 80ig Jährigen verdoppelt hat. Zwar erfahren alle in die Analyse einbezogenen Länder einen Anstieg der Menschen über 80ig Jahren. Aber in bestimmten Ländern erfolgt dies von einem niedrigen Niveau aus, wie in Portugal, Spanien und Malta. Insgesamt zeigt Kapitel 2, dass mehr und mehr Menschen über 65 Jahre erwarten können, noch weitere 20 Jahre zu leben. Auch wird deutlich, dass Frauen von der höheren Lebenserwartung profitieren und in den meisten Ländern den höchsten Anteil der über 80ig Jährigen ausmachen. Die Effekte der höheren Lebenserwartung sind unklar. Das heißt, es gibt keine vergleichbaren Daten darüber, ob eine höhere Lebenserwartung mit einer höheren Pflegebedürftigkeit bzw. mit einer höheren Inzidenz und Prävalenz von Krankheit und Behinderung verbunden sind. Die Daten zeigen ein eher gemischtes Bild.
Kapitel drei hat das Thema Wohnarrangements zum Inhalt. Es wird differenziert in folgende Arrangements: Leben bei einem Kind, Paare, Allein, Mit anderen. Es zeigt sich, dass die Arrangements in den Ländern ganz unterschiedlich sind. In asiatischen, südamerikanischen und afrikanischen Ländern ist es demnach üblich, mit einem Kind im Alter zusammen zu leben. In Europa überwiegt die Lebensform im Alter, dass Paare gemeinsam im Alter zusammenleben. Insbesondere in Deutschland und in Dänemark leben hochaltrige Frauen eher allein. Des Weiteren zeigt dieses Kapitel, dass in Europa und in Nordamerika aufgrund der Lebens- und Wohnarrangements sowohl die ambulanten Pflegeleistungen als auch die familiäre Pflege durch Angehörige eine hohe Bedeutung einnimmt.
In Kapitel vier wird die informelle Pflege durch Angehörige und Mitbewohner thematisiert. Der Anteil ist in Europa durchaus unterschiedlich im Vergleich. Er ist am höchsten in Finnland und am niedrigsten in Spanien. Des Weiteren zeigt der europäische Vergleich, dass Frauen den Hauptanteil der informellen Pflege ausmachen.
Kapitel fünf offenbart, dass der Anteil der älteren Personen, die formelle Pflege erhalten, in fast allen Ländern ansteigt. Nicht überraschend ist der Befund, dass die nordischen Länder im Vergleich den höchsten Wert in der Unterstützung älterer Menschen im häuslichen Bereich haben.
Im Weiteren zeigt Kapitel sechs, dass der Anteil der Personen, die institutionalisierte Pflege erhalten signifikant geringer ist als diejenigen, die im häuslichen Bereich gepflegt werden. Offensichtlich wird, dass die Definition von institutionalisierter Pflege nicht eindeutig ist und in den Ländern durchaus unterschiedliche Versorgungsformen darunter subsumiert werden.
Kapitel sieben hinterfragt, wie viel Geld die Länder in Langzeitpflege investieren. Es wird offensichtlich, dass Schweden und die Niederlande im Vergleich das meiste Geld für die Langzeitpflege ausgeben, danach kommen Dänemark, Island, England, Italien, Belgien und Kanada. Finnland, Schweiz und Deutschland geben rund 1% des BIP für die Langzeitpflege. Am wenigsten investieren im Vergleich die baltischen Länder in die Langzeitpflege. Es sei jedoch zu beachten, dass die Länder unterschiedliche Finanzierungsoptionen für die Langzeitpflege entwickelt haben
Diskussion
Die Diskussion kann kurz und bündig ausfallen, da das Ziel dieser Veröffentlichung voll erfüllt wird. Die Kapitel sind in sich abgeschlossen und in der Reihenfolge jedoch folge- und sachrichtig aufgebaut. Die Veröffentlichung greift alle wichtigen Themen auf, die mit der Langzeitpflege älterer Menschen verbunden sind. Die Tabellen und Statistiken sind gut verständlich in die Texte integriert und erläutert. Insgesamt zeugt das Buch von der hohen Fachkompetenz der Autoren. Das Buch zeigt, dass es hinsichtlich Finanzierung und Gestaltung der Langzeitpflege keine Lösung für alle geben kann und gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen in einem hohen Maße die umgesetzten Maßnahmen bestimmen. Es ist zwar in englischer Sprache veröffentlicht, dieses tut der Verständlichkeit jedoch keinen Abbruch, da es in einem sehr gut lesbaren Englisch geschrieben ist.
Fazit
Diese Veröffentlichung gibt einen sehr guten komprimierten und verständlichen Überblick über die demographische Entwicklung sowie die Auswirkungen auf die Langzeitpflege in den meisten OECD-Ländern und in den UNECE-Regionen. Es wird deutlich, dass die Länder unterschiedlich mit der Frage der Gestaltung der Langzeitpflege umgehen und unterschiedliche Lösungs- und Finanzierungsmöglichkeiten die Inanspruchnahmen von Dienstleistungen und entsprechenden Ausgaben beeinflussen. Dieses Buch ist sicherlich nicht geeignet für Personen, die sich mit Fragen auf der Mikroebene beschäftigen wie bspw. mit Konzepten der Versorgung in Situationen der Pflege. Es ist jedoch für all diejenigen zu empfehlen, die sich mit der Finanzierung, den Strukturen und Rahmenbedingungen der Langzeitpflege im internationalen Raum auseinandersetzen und nach vergleichenden Daten, Ansätzen und Lösungen suchen.
Rezension von
Prof. Dr. rer.medic. Martina Hasseler
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