Christian Koller: Rassismus
Rezensiert von Prof. Dr. Gazi Caglar, 20.03.2010

Christian Koller: Rassismus.
UTB
(Stuttgart) 2009.
111 Seiten.
ISBN 978-3-8252-3246-7.
D: 9,90 EUR,
A: 10,20 EUR,
CH: 17,90 sFr.
Reihe: UTB - 3246 - Profile.
Thema
Der moderne Rassismus als Ideologie und Praxis bildet den Gegenstand der als Einführung gedachten Schrift. Das Buch geht gleich zu Beginn von der richtigen Feststellung aus, dass es keinen gesellschaftlichen Konsens in Bezug auf den Begriff des Rassismus gibt. „Was die einen als rassistisch erkennen, halten andere für Exotik“ (S.7). Gerade aufgrund dieser „breiten“ Grauzone muss vorweggeschickt werden, dass mit dem vorliegenden Buch der gesellschaftlichen Öffentlichkeit doch ein umfassendes und glänzendes Angebot vorgelegt wird, was denn Rassismus ist und warum die Gesellschaften das Phänomen stets ernstnehmen müssen: Der Rassismus ist nach wie vor eine alltägliche und alltäglich erfahrene Gefahr. Eine ganz große Stärke des Buches ist es, als Einführung allgemein verständlich zu bleiben und dennoch die wichtigsten Diskussionen in Wissenschaft und Praxis aufzunehmen.
Autor
Christian Koller hat Allgemeine Geschichte, Wirtschafts- und Politikwissenschaften studiert. Er ist Senior Lecturer in Modern History an der Bangor University und Privatdozent für Geschichte der Neuzeit an der Universität Zurich.
Aufbau und Inhalte
Der Einleitung „Was ist Rassismus?“, in der Begriffsklärungen und Definitionen vorgenommen und Theorien und Forschungsrichtungen vorgestellt werden, folgen detailreiche Analysen zu verschiedenen Dimensionen des Rassismus. Dieses „Rassismus im Profil“ beschriebene Hauptkapitel enthält ausgewogene und vertiefte Problemerörterungen zu folgenden Überschriften:
- „Gab es Rassismus in der Vormoderne?“ (S. 15);
- „Die Erfindung der ‚Rasse‘ im Zeitalter der Aufklärung“ (S. 24);
- „Die Geschichte als Abfolge von Rassenkämpfen“ (S.32);
- „Vermessen, Klassifizieren, Züchten: Wissenschaftlicher Rassismus und Eugenik“ (S.41); „
- ‚Semiten‘, ‚Wilde‘, ‚Zigeuner‘: Spielarten des Rassismus im 19. Und 20. Jahrhundert (S. 53);
- „‘Rassentrennung‘ als politisches System“ (S. 70);
- „Rassismus und Völkermord“ (S.79);
- „Kultureller Neo-Rassismus: Alter Wein in neuen Schläuchen?“ (S. 89) und
- „Hat der Antirassismus versagt“ (S.98).
Über diesen alle wichtigen Aspekte berücksichtigenden Aufbau gelingt es dem Autor, inhaltlich die Entwicklung des Rassismus bis heute historisch darzustellen und theoretisch zu reflektieren. Von der christlichen Etablierung des Prinzips der „Blutsreinheit“ in Spanien ab dem 15. Jahrhundert über die transatlantische Sklaverei und die historische Herausbildung von „Rassen-Kasten-Gesellschaften“ in der sog. Neuen Welt entwickelten sich Strukturen, die für die Herausbildung des modernen Rassismus von entscheidender Bedeutung waren. Daher werden diese Strukturen auch im Einzelnen. aber in aller gebotenen Kürze beschrieben. Das 18. Jahrhundert wird schließlich als Geburtsepoche des modernen Rassismus identifiziert. Die rassistischen Konzepte der Anthropologie, der Naturwissenschaften und der Sprachwissenschaften, aber auch der Philosophie werden dargestellt, so dass der Beitrag der Wissenschaften zur Entstehung des Rassismus klar benannt ist. Schließlich werden inhaltlich die Beiträge der ersten rassistischen „Theoretiker“ untersucht, die den „Kampf der Rassen“ als Motor der Geschichte „erklärten“, eigentlich erst konstruierten. Hier finden Sozialdarwinismus und „Theorien“ über den Gegensatz von „Ariern“ und „Semiten“ Betrachtung. Das biologistische Weltbild im „wissenschaftlichen Rassismus“ der Eugenik und Anthropologie sowie des Sozialdarwinismus mit seiner Vermessungs- und Zuchtwut werden genauso kompetent behandelt wie die verschiedenen Spielarten des Rassismus (Antisemitismus, Kolonialrassismus, Antiziganismus), wobei gleich zu Beginn der Analysen zu den Spielarten die richtige Feststellung getroffen wird, dass der moderne Rassismus sich situativ seine Opfergruppen aussucht. Heute kommt zu diesen konstanten Spielarten vor allem auch antimuslimischer Rassismus in Europa hinzu. Die rassistischen Segregationsmaßnahmen in den amerikanischen Südstaaten, im deutschen Faschismus und in Südafrika zeigen die Folgen einer manifesten Institutionalisierung des Rassismus, der zum Völkermord führt. Der Autor klassifiziert die Shoa als rassistisch motivierten Völkermord. Der kulturalistische Rassismus und die Probleme des Antirassismus beenden schließlich die Einführung.
Zielgruppe
Die Publikation ist für Studierende und Wissenschaftsschaffende, aber auch für das interessierte Publikum sicherlich eine gute Einführung.
Fazit
Das Programm der Reihe „UTB-Profile“, das da „klar – knapp – konkret“ lautet, ist auf jeden Fall eingehalten worden. Das Buch ist sehr zu empfehlen.
Rezension von
Prof. Dr. Gazi Caglar
Professor an der Fakultät für Soziale Arbeit und Gesundheit der HAWK Hildesheim / Holzminden / Göttingen
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Es gibt 13 Rezensionen von Gazi Caglar.