Mechthild Schroeter-Rupieper: Für immer anders (Trauer)
Rezensiert von Dr. Mechthild Herberhold, 17.03.2010

Mechthild Schroeter-Rupieper: Für immer anders. Das Hausbuch für Familien in Zeiten der Trauer und des Abschieds. Schwabenverlag (Ostfildern) 2009. 143 Seiten. ISBN 978-3-7966-1456-9. D: 24,90 EUR, A: 25,60 EUR, CH: 42,90 sFr.
Thema und Entstehungshintergrund
Für immer anders – der Titel beschönigt nicht. Abschiede lassen sich nicht ausradieren und ungeschehen machen. Es geht darum, mit diesen Ereignissen zu leben. Wenn jemand stirbt, aber auch bei einer Trennung oder Scheidung verändern sich die Menschen. Trauer gehört zum Leben dazu – so der Grundtenor des Buches.
Das Werk ist als „Hausbuch“ zum Umgang mit Trauer in der Familie konzipiert. Die Trauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper erklärt leicht verständlich das Phänomen Trauer und geht darauf ein, wie Kinder unterschiedlicher Altersgruppen Tod und Trauer begreifen. Zudem zeigt sie eine Vielzahl an Möglichkeiten auf, den Trauerprozess zu gestalten. In ihrer eigenen Praxis, aus der sie viele Beispiele bringt, unterstützt sie Menschen, selbst handlungsfähig zu bleiben und ihre eigene Ausdrucksweise zu finden. So begleitet sie beispielsweise einen Vater dabei, den Kindern zu sagen, dass ihre Mutter sterben wird (25f). Die respektvolle, Mut machende Grundhaltung der Autorin zieht sich durch das ganze Buch: „Kinder in Trauerzeiten zu beschützen heißt nicht, sie vor Traurigem zu bewahren, sondern sie zu begleiten und zu unterstützen, einen eigenen Ausdruck für ihre Gefühle zu finden.“ (7)
Autorin
Mechthild Schroeter-Rupieper, * 1964, ist ausgebildete Trauerbegleiterin. In ihrem Institut „LaVia“ in Gelsenkirchen unterstützt sie Kinder, Jugendliche und Familien in Trauersituationen. Zudem führt sie Seminare und Fortbildungen für LehrerInnen, ErzieherInnen, SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen, Pflegende und Angehörige weiterer Berufsgruppen durch, die in Krankenhäusern sowie der Alten- und Behindertenhilfe mit Trauer und Tod zu tun haben.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in kleine überschaubare Abschnitte gegliedert und mit Fotos aus der eigenen Arbeit illustriert. Es enthält viele Beispielgeschichten. Wichtige Punkte sind in Merksätzen formuliert und farblich abgesetzt.
Das einleitende Kapitel „Für immer anders“ stellt die Basis vor, auf der die Trauerbegleiterin arbeitet: „Damit es auch anders wieder gut werden kann, muss die Trauer gelebt werden.“ (8) Sie ermutigt, Trauer nicht zu verdrängen, sondern für sie einen je persönlichen und angemessenen Ausdruck zu finden. Kinder stellen Fragen, die beantwortet sein wollen: „Ganz gleich, welches Alter, welche Behinderung oder, im Alter, welcher Grad einer Demenz: Jeder Mensch hat ein Recht auf ehrliche, angemessene Information!“ (9)
Das zweite Kapitel ist überschrieben „Dem Tod begegnen“. Es widmet sich zunächst den Anlässen für Abschied, Tod und Vergänglichkeit im Leben von Kindern. Zudem gibt die Autorin einen Einblick in das Abschieds- und Todesverständnis von Kindern verschiedener Altersgruppen und Jugendlichen. Weiterhin greift sie die Sorgen der Eltern, selbst das Falsche zu sagen oder dem Kind zu viel zuzumuten, auf und ermutigt, mit Tränen der Kinder oder mit Aggressivität umzugehen. Sie geht auf praktische Fragen ein – welche Papiere braucht man, was ist zu erledigen etc. Sie erklärt Rituale, die möglicherweise schwer verständlich sind (wie das Waschen von Toten) und versteht ihre eigenen Ausführungen v.a. als Ausgangspunkt zur Weiterentwicklung in der jeweiligen Familie: „Das alles sind nur Anregungen, es gibt keine 'fertigen Rezepte' für gutes Abschiednehmen. Das Wichtigste: Seien Sie authentisch, lassen Sie Gefühle zu, finden Sie Ihren persönlichen und auch gemeinschaftlichen Abschied.“ (35) Schroeter-Rupieper nennt häufige und wichtige Fragen und beantwortet diese kurz und verständlich, so z.B.
- „Wann ist ein guter Zeitpunkt für ein Gespräch über eine lebensbegrenzende Krankheit, einen bevorstehenden Tod gekommen?“ (38-41),
- „Ab welchem Alter kann ich ein Kind mit zur Beerdigung nehmen?“ (41-42),
- „Darf man selbst einen Sarg bemalen“ (42) oder
- „Kann ich meinen Kindern zumuten, den Verstorbenen noch einmal zu sehen?„(45-48).
Im dritten Kapitel betrachtet die Autorin verschiedene Traueranlässe. Sie geht auf den Tod nahestehender Menschen ein:
- „Tod der Großeltern“ (63),
- „Tod eines Geschwisterkindes“ (64-66) und
- „Tod von Vater oder Mutter“ (66-68).
Sie greift häufig tabuisierte Situationen wie
- „Wenn ein Kind tot geboren wird“ (69-70) und
- „Tod durch Suizid“ (58-62)
auf. Für Kinder ist zudem der
- „Tod eines Haustieres“ (70-72)
ein einschneidendes Erlebnis. Trauer wird nicht nur durch Tod ausgelöst, sondern durch jede Verlusterfahrung wie etwa
- „Abschied durch Scheidung“ (72-73).
Das vierte Kapitel „Trauerreaktionen“ erklärt – ausgehend von Ruthmarijke Smedings Modell „Gezeiten der Trauer“ – die Vielfalt von möglichen Äußerungen und Verhaltensweisen. Es stellt nach Altersgruppen gegliedert Trauerreaktionen vor und gibt gezielte Hinweise, wie Erwachsene Kinder und Jugendliche begleiten und unterstützen können. „Trauerreaktionen bei Scheidung“ werden explizit thematisiert, ebenso wie (möglicherweise) unterschiedliche Verhaltensweisen von Männern und Frauen. Das Kapitel schließt mit fünf Vorschlägen, wie Erwachsene Verlusterfahrungen aus der eigenen Biographie betrachten können.
Unter der Überschrift „Mit der Trauer leben lernen – Praktische Hilfestellungen“ bietet die Autorin im fünften Kapitel auf über 20 Seiten eine Sammlung konkreter Ideen. Im ersten Abschnitt empfiehlt sie, Erinnerungen zu sammeln, die die Kinder später in der Trauer und in der Identitätsfindung unterstützen: Geschichten aus der Biographie, Briefe, Fotos, Schatzkisten mit Gegenständen etc. Der zweite Abschnitt gibt für jeden Monat jahreszeitlich passende Anregungen, mit der Trauer umzugehen, sich selbst etwas Gutes zu tun und intensiv zu leben. Der dritte Abschnitt schließlich regt an, die Gedenktage zu gestalten, neue und passende Rituale zu entwickeln: am Todestag als Familie etwas gemeinsam zu machen, beispielsweise das Lieblingsessen des Verstorbenen zu kochen oder mit Hilfe von Gegenständen über den Verstorbenen, die Familie und die Trauer zu reden.
Im sechsten Kapitel „Zurück ins Leben finden – Wenn die Trauer nicht mehr so wehtut“ geht Mechthild Schroeter-Rupieper auf die Möglichkeit ein, dass sich eine neue Partnerschaft entwickelt. Sie empfiehlt, keine Vergleiche anzustellen bzw. der neuen Partnerschaft eine eigene Chance zu geben und dennoch dem Verstorbenen und der eigenen Trauer einen Platz im Leben zu bewahren. Auch für Kinder ist es wichtig, dass der neue Partner, die neue Partnerin nicht Vater oder Mutter ersetzt. Manche Kinder reagieren offen auf das neue Familienmitglied, andere sind eher skeptisch. Für alle Situationen gilt: „Gehen Sie achtsam mit sich selbst, Ihren Kindern und der neuen Beziehung um.“ (139)
Im Anhang stellt die Autorin eine zum Teil mit Kurzkommentaren versehene Literaturliste mit Bilderbüchern, Kindersachbüchern, Jugendbüchern und Elternratgebern sowie eine ebenfalls kommentierte Liste mit Links und Adressen im Internet zur Verfügung. Sie stellt ihre eigene Arbeit vor und lädt explizit dazu ein, Kontakt aufzunehmen. Sie schließt mit einem Hinweis auf den Förderverein Trauerbegleitung, ohne den viele Familien das Angebot von LaVia nicht wahrnehmen könnten.
Diskussion
Das „Hausbuch für Familien in Zeiten der Trauer und des Abschieds“ ist ein Buch zum Blättern, um das eine oder andere nachzulesen und sich selbst inspirieren zu lassen, eine Fundgrube an einzelnen Anregungen, die zu einem eigenen kreativen Umgang mit Trauer ermutigt. Durchgehend wird der Respekt deutlich, mit dem Mechthild Schroeter-Rupieper Trauernden begegnet. Der Text fördert das Verständnis für unterschiedliche Trauerreaktionen und lädt ein, in Trauersituationen mit sich und anderen Geduld zu haben. Die Fotos aus der Arbeit der Autorin ergänzen den Text und regen dazu an, eigene Ausdrucksformen zu entwickeln.
Durch die farbenfrohe Gestaltung (es gibt fünf verschiedene Schriftfarben) ist das Buch stellenweise anstrengend zu lesen.
Nichtsdestotrotz ist es sowohl in der Vorbereitung auf Trauersituationen als auch im akuten Trauerfall hilfreich. Die kurzen, überschaubaren Textabschnitte ermöglichen auch Familien in Trauersituationen, die für sie wichtigen Punkte nachzuschlagen, und Fachpersonen, auf Fragen von Eltern und Kindern verständliche und fundierte Antworten zu finden.
Fazit
Dass Trauer zum Leben dazugehört, dass es für Kinder und Erwachsene gut ist, Trauer nicht auszugrenzen, zieht sich wie ein roter Faden durch den Text. Vor allem geschrieben für Familien ist das Buch auch für all diejenigen geeignet, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen bzw. deren Familien in Trauersituationen zu tun haben. Es macht Mut - den Betroffenen, zu den eigenen Gefühlen zu stehen und sich mit der eigenen Trauer zu befassen, und den Begleitenden, sich auf Trauernde einzulassen.
Rezension von
Dr. Mechthild Herberhold
Ethik konkret, Altena (Westf.).
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