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Kathrin Düsener: Integration durch Engagement?

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 12.03.2010

Cover Kathrin Düsener: Integration durch Engagement? ISBN 978-3-8376-1188-5

Kathrin Düsener: Integration durch Engagement? Migrantinnen und Migranten auf der Suche nach Inklusion. transcript (Bielefeld) 2010. 287 Seiten. ISBN 978-3-8376-1188-5. 29,80 EUR. CH: 49,90 sFr.
Reihe: Kultur und soziale Praxis.

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Heimat ist, wo ich engagiert bin

Es sind gleich zwei Dilemmata zu verzeichnen: Wer seine Heimat verlässt, um anderswo eine neue Heimat zu finden, gibt Gewohnheiten, Sicherheiten, Geborgenheiten und Gewissheiten auf, um solche und bessere im Migrationsprozess wieder zu finden, stößt aber dort erst einmal auf Unsicherheiten und Ungewissheiten. Und: Die Mehrheitsgesellschaft verweigert dem Eingewanderten den Wunsch nach Zugehörigkeit und Integration. In der nationalen und transnationalen Integrationspolitik wird von der „Steuerbarkeit von Zuwanderung und Integration“ gesprochen (vgl. dazu: Stefan Luft: Staat und Migration, Campus Verlag, Frankfurt/M., 2009, in: socialnet Rezensionen unter www.socialnet.de/rezensionen/7909.php und in der Migrationsforschung gibt es verschiedene Analyse- und Begründungskonzepte, wie Integrationsprozesse ablaufen, aber auch verhindert werden.

Autorin

Kathrin Düsener hat an der Ludwig-Maximilians-Universität in München ihre Doktorarbeit zu einem Thema vorgelegt, das in den Bereichen der Migrations-, der Engagement- und der Identitätsforschung verortet ist. Angesichts der neuen politischen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit für zivilgesellschaftliche Aktivitäten, wie sie in den vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegebenen „Freiwilligen-Surveys“ zum Ausdruck kommen, wird deutlich, dass es kein einheitliches Bild über zivilgesellschaftliches Engagement von Menschen mit Migrationshintergrund in der deutschen Gesellschaft gibt; einerseits wird von bemerkenswerten Initiativen berichtet; andererseits werden Abstinenzen in Parallelgesellschaften dargestellt. Da ist es gut, dass in einer wissenschaftlichen Studie einmal nachgeforscht wird, ob und welche Motive und Erfahrungen bei engagierten Eingewanderten vorliegen. Die Autorin ging bei der Erstellung ihres Forschungsdesigns erst einmal davon aus, „dass MigrantInnen ihr Engagement für Deutsche nutzen, um sich in der fremden Gesellschaft zu beheimaten“. Der Zugang zur Thematik wird erleichtert dadurch, dass Kathrin Düsener längere Zeit in einer Münchner Freiwilligenagentur tätig war und bei den ehrenamtlich Engagierten eine hohe Bereitschaft zum freiwilligen Einsatz erlebte. Dabei fiel ihr auf, dass sich immer wieder Migrantinnen und Migranten für eine gesellschaftliche Mitarbeit interessierten; und zwar nicht in erster Linie, um etwa Landsleute in den Integrationsbemühungen zu unterstützen, sondern ausdrücklich, um mit Deutschen zusammen zu arbeiten. Im Rahmen der reflexiven sozialpsychologischen Forschung fokussiert die Autorin ihre Arbeit auf die theoretischen Grundlagen von Migration und Bürgerengagement. Es sind individuelle und gesellschaftlich-politische Aspekte, die bürgerschaftliches Engagement begründen und stiften. Und es sind nicht zuletzt die schwierigen Fragestellungen von Inklusion und Exklusion, von Eingliederung und Ausgrenzung, von Anpassung und Assimilation, und um die Kontroversen in der Migrationspolitik (vgl. dazu auch: Jutta Aumüller: Assimilation, transcript Verlag, Bielefeld 2009, in: socialnet Rezensionen unter www.socialnet.de/rezensionen/8169.php. Das neue Bewusstsein, dass Deutschland ein Migrationsland ist, nicht zuletzt zum eigenen Nutzen, hat zwar einigen gesellschaftlichen Sprengstoff ausgeräumt; aber Einwanderungswillige haben es nach wie vor schwer, in unserer Gesellschaft anzukommen (vgl. dazu die interessante Befragung von MigrantInnen im Rahmen der InWent-Arbeit: Ulrike Bartels u.a., Deutschland mit anderen Augen. Erfahrungsberichte von Menschen mit Migrationshintergrund, Horlemann Verlag 2009).

Aufbau und Inhalt

Kathrin Düsener setzt bei der Frage an, „wie Menschen, die… migrieren, in der Aufnahmegesellschaft Anerkennung finden“. Welche Erwartungen werden dabei von der Mehrheitsgesellschaft an die Minderheiten gestellt, offen und verdeckt; welche Reaktionen sind bei den Eingewanderten erkennbar; welche Angebote werden ihnen dabei gemacht… Aus ihren Kontakten mit Einrichtungen der Migrationsarbeit und ihrem eigenen Engagement kann sie zahlreiche Migrantinnen und Migranten aus elf verschiedenen europäischen und außereuropäischen Herkunftsländern für ihr Forschungsvorhaben interessieren. Mit zwanzig (legal) Eingewanderten führt sie Interviews und Gruppengespräche. Daraus filtert sie mit qualitativen Forschungsmethoden die Gründe heraus, die zivilgesellschaftliches Engagement bei den Migrantinnen und Migranten begründen. Das ist zum einen das „Inklusionsbegehren“, also dem Willen dazuzugehören; zum zweiten die „Selbstpositionierung“, die sich in Anpassungstendenzen und Emanzipations- und Selbstbewusstseinsstreben darstellt; und drittens in „Identitätskonstruktionen“, der Fähigkeit, hypbride, also „Zwischen- oder Patchworkidentitäten“ zu bilden. Im Forschungsbericht werden die einzelnen Grundlagen ausdifferenziert und mit den Interview-Ergebnissen zu einem Gesamtbild zusammen gefasst: „Die von mir befragten Personen nutzen das Engagement, um ihre Identität zu verorten“.

Fazit

Kathrin Düsener wirft mit ihrer Forschungsarbeit einen wichtigen Brocken in die Landschaft, die einmal eine harmonische Lebens- und Wohngegend für alle diejenigen sein soll, die dort friedlich, gerecht und demokratisch zusammen leben wollen. Dass es in der aktuellen Landschaft noch viele Gräben, Grenzen und Großbaustellen gibt, davon sprechen die Interview-Ergebnisse eine deutliche Sprache. Die Bereitschaft von Eingewanderten, in der Mehrheitsgesellschaft anzukommen, aufgenommen zu werden und sich in ihr zu engagieren, nicht mit dem ethnozentrierten Impetus und von Eingesessenen-Gnaden, sondern mit dem selbstpositionierten Selbstbewusstsein. Das ist eine gute Botschaft. Wir sollten sie besser nutzen!

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Es gibt 1702 Rezensionen von Jos Schnurer.

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ISSN 2190-9245