Sibylle Meyer, Eva Schulze: Smart home für ältere Menschen
Rezensiert von Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind, 27.12.2010
Sibylle Meyer, Eva Schulze: Smart home für ältere Menschen. Handbuch für die Praxis.
Fraunhofer IRB Verlag
(Stuttgart) 2009.
93 Seiten.
ISBN 978-3-8167-8064-9.
33,00 EUR.
CH: 46,70 sFr.
Reihe: Bau- und Wohnforschung - F 2534.
Thema
Wohnen im Alter ist ein weites Feld, denn es kommt eine Reihe von Risikofaktoren zusammen, die es zu berücksichtigen gilt: u. a. der physische und psychische Gesundheitszustand, die geistige Leistungsfähigkeit, das Alleinleben, das familiäre Netzwerk (u. a. Angehörige im Nahbereich), die soziale Eingebundenheit in Nachbarschaft und Quartier, hausärztliche Versorgung und auch Einkaufsmöglichkeiten. Das Ensemble dieser Faktoren bildet die Grundlage für das Ausmaß an Belastungen, die mit der Bewältigung des Alltags älterer Menschen verbunden sind. Es gilt hierbei das allgemeine Prinzip, dass mit zunehmendem Alter die Wirkungskreise immer kleiner werden, denn die Mobilität verringert sich zusehends.
Wohnen im Alter erfordert somit diverse Kompensationsleistungen, um das Nachlassen an Rüstigkeit ausgleichen zu können. Der Sicherheitsfaktor ist hierbei von vorrangiger Bedeutung, denn Schwindelanfälle und Stürze sind im Alter keine Seltenheit. In diesem Bereich sind in den letzten Jahrzehnten bedingt durch den raschen technologischen Entwicklungsprozess besonders im Computerbereich diverse Sicherungssysteme (u. a. mobile Notrufanlagen) alltagstauglich entwickelt worden. In der vorliegenden Publikation werden verschiedene Modelle EDV gestützter Sicherungssysteme und Systeme zur Erleichterung der Haushaltsführung anhand von Praxisbeispiele vorgestellt.
Autorinnen
Als Ansprechpartnerin der Veröffentlichung wird Dr. Eva Schulze, Gastprofessorin am Zentrum Altern und Gesellschaft an der Universität Vechta und zugleich Mitarbeiterin am BIS Berliner Institut für Sozialforschung, angegeben. Als weitere Mitarbeiterinnen werden Heidrun Mollenkopf, Uta Böhm und Anne Röhrig angeführt.
Entstehungshintergrund
Die Publikation fasst die Ergebnisse einer Evaluationsstudie von neun so genannten „Best-Practice-Beispielen“ von Modellen des so genannten „Smart Home für Ältere“ zusammen. Die Erhebung wurde im Zeitraum August 2005 bis Februar 2008 durchgeführt. Das Projekt wurde mit Mitteln des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung gefördert.
Bei dem „Smart Home“ handelt es sich laut Wikepedia um eine Vernetzung verschiedener Bestandteile des Haushaltes – Haustechnik (Energiezähler, Alarmanlagen, Heizungs- und Lichtsteuerung), Elektrohaushaltsgeräte (Herd, Kühlschrank u. a.) und Mulitmedia-Geräten (Fernseher, Videorecorder u. a.) – meist per Kabel, „Powerline“ oder Funk. Die Vernetzung dient bei Älteren vor allem der Sicherheit, der Erleichterung der Haushaltsführung und der Wirtschaftlichkeit (Energie sparen u. a.).
Aufbau
Die Publikation ist in fünf Kapiteln untergliedert:
- Einleitung
- Demografischer Wandel, Alltag, Wohnen und Technik
- Evaluation der „Best-Practice-Beispiele“ der „Smart Home“-Projekte
- Fazit
- Leitlinien und Handlungsempfehlungen
Inhalt
Zu Beginn werden Fakten über das Wohnen im Alter anhand verschiedener Erhebungen angeführt: die Ausstattung mit Haushaltsgeräten, die Internet-Nutzung (ca. 25 Prozent bei den 60jährigen und älteren), die Beliebtheit verschiedener Haushaltstätigkeiten (besonders beliebt sind Einkaufen und Kochen), Beschwernisse bei Haushaltstätigkeiten (vorrangig Gardinen auf- und abhängen und Fenster putzen), das Freizeitverhalten (beliebt sind vor allem das Lesen von Tageszeitung und Zeitschriften, Fernsehen und Besuch empfangen) und die sozialen Kontakte, die mit zunehmendem Alter weniger werden.
Es folgt die Beschreibung der einzelnen „Smart Home“- Projekte:
- Intelligente Sicherheit für Senioren in Gifhorn
- Wohnen für gesundheitlich Beeinträchtigte in Krefeld
- Smart Home und Multimedia in Hennigsdorf bei Berlin
- SOPHIA (technisches System, EDV gestützt) in Bamberg, Gelsenkirchen und Berlin
- Smartes Wohnen in NRW (Hattingen)
- Smartes Betreutes Wohnen für Senioren in Bochum
- Leben im Alter mit Assistenz in Kaiserslautern
- Wohnpark für alle Generationen in Lauterach (Österreich)
- Adhoco in Zürich (Schweiz)
Die Projektbeschreibung besteht aus den Teilen technische Anlage der Vernetzung, der Beschreibung der Wohnanlage, der Bewohner und einer Zusammenfassung der Nutzererfahrungen mit den jeweiligen technischen Elementen. In den meisten Fällen war die technische Anlage noch nicht ganz ausgereift hinsichtlich einer zu erwartenden Bedienungsfreundlichkeit durch die Bewohner im Seniorenalter. Manche Anlagen zeigten auch technische Fehler, die die Nutzung einschränkten. Es zeigte sich in der Erhebung auch, dass die Bewohner bei Fragen und alltäglichen Hilfen einen Ansprechpartner in der Wohnanlage (Hausmeister, Betreuungsmitarbeiter u. a.) der Nutzung einer technischen Anlage vorziehen. Für die Entscheidung des Einzugs in die Wohnanlage war die technische Ausstattung von nachrangiger Bedeutung. Besonders bedeutsam sind für die Senioren die Elemente, die der Sicherheit dienen (Videokontakt an der Wohnungstür, Notrufsystem mittels Armband und Funkvernetzung u. a.). Auch der zentrale Schalter meist im Flur neben der Wohnungstür zwecks Ein- und Ausschaltung aller technischen Geräte wird als Erleichterung der Haushaltsführung angenommen.
In dem Kapitel Fazit verweisen die Autorinnen u. a. auf die gegenwärtigen Probleme einer noch fehlenden Akzeptanz seitens der Bauwirtschaft und der Wohnungsverwaltungen diesen technischen Anlagen gegenüber, denn der Einbau dieser Anlagen ist mit entsprechenden Mehrkosten verbunden, die auf die Mietkosten angerechnet werden müssen. Auch befinden sich noch viele Anlagesysteme in ersten Erprobungsphasen, so dass gegenwärtig ausgereifte Prototypen solcher Anlagen noch nicht ausreichend vorhanden sind. Es wird des Weiteren darauf verwiesen, dass diese technischen Systeme in Zukunft neben der Hilfe durch Familienangehörige und durch berufliche Dienstleistungserbringer ein weiteres Element in der Erleichterung der Haushaltsführung und der Sicherheit darstellen werden.
Im letzten Kapitel werden in knapper Form Leitlinien und Handlungsempfehlungen bezüglich der Nutzung dieser technischen Anlagen angeführt. Es wird hervorgehoben, dass der Einsatz dieser technischen Systeme eine selbständige Lebensführung im Alter erleichtern wird. Daher sollte diesbezüglich verstärkt Aufklärung über diese Hilfesysteme erfolgen. Die Bedienung dieser Systeme sollte noch vereinfacht werden, damit die Hemmschwelle bei den Nutzern sinken kann. Neben der technischen Verbesserung gilt es, Organisations- und Geschäftsmodelle für diese Anlage zu entwickeln, damit sie in Zukunft Teil des Alltags werden können.
Diskussion
Den Autoren ist es mittels dieser Projektstudie gelungen, das Spektrum technischer Hilfssysteme im Haushalt und zur Sicherung anhand der konkreten Projektdarstellungen allgemeinverständlich darzustellen. Es handelt sich hierbei noch um Pionierarbeiten, doch bereits in wenigen Jahren werden diese Hilfesysteme von vielen genutzt werden können. Voraussetzung für eine flächendeckende Nutzung ist die noch fehlende Alltagstauglichkeit dieser Anlagen. Und auch den Kostenfaktor gilt es zu berücksichtigen. So eine Anlage darf also nicht zu teuer werden. Kritisch anzumerken ist bei der vorliegenden Publikation nur das fehlende Glossar für die vielen doch recht unverständlichen technischen Fachtermini.
Fazit
Es liegt hier eine solide Studie vor, die es verdient, in den Fachkreisen der Bau- und Wohnungswirtschaft und auch von Stadt- und Sozialplanern rezipiert zu werden.
Rezension von
Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind
Gerontologische Beratung Haan
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Zitiervorschlag
Sven Lind. Rezension vom 27.12.2010 zu:
Sibylle Meyer, Eva Schulze: Smart home für ältere Menschen. Handbuch für die Praxis. Fraunhofer IRB Verlag
(Stuttgart) 2009.
ISBN 978-3-8167-8064-9.
Reihe: Bau- und Wohnforschung - F 2534.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/9059.php, Datum des Zugriffs 20.09.2024.
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