Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (Hrsg.): Pflege und Unterstützung im Wohnumfeld [...]
Rezensiert von Prof. Dr. Margret Flieder, 29.09.2010
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Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (Hrsg.): Pflege und Unterstützung im Wohnumfeld - Innovationen für Menschen mit Pflegebedürftigkeit und Behinderung.
Schlütersche Fachmedien GmbH
(Hannover) 2010.
168 Seiten.
ISBN 978-3-89993-234-8.
D: 24,90 EUR,
A: 25,60 EUR,
CH: 44,90 sFr.
Deutsches Institut für Angewandte Pflegeforschung e.V. (Hrsg.) Reihe: Pflegeforschung.
Thema
Notwendige Reformen im Gesundheitswesen sind das zentrale Thema dieses Bandes. Zahlreiche aktuelle Reformimpulse gehen zurück auf das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz. Mit diesem Band stellen die Herausgeber eine Zusammenschau verschiedener Initiativen und Projekte vor, die im Rahmen der Landespflegegesetzgebung in Rheinland-Pfalz im Rahmen einer Pflegestrukturplanung umgesetzt werden sollen. Es handelt sich um eine Expertise im Auftrag des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen (MASGFF) mit verschiedenen Schwerpunkten aus dem beruflichen Handlungsfeld von Pflege.
Der zentrale Auftrag des Gutachtens ist der einer praxisorientierten Handreichung unter Einbeziehung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse u.a. zu folgenden Schwerpunkten:
- innovative Pflege- und Unterstützungskonzepte;
- Integration und Öffnung von stationärer Pflege und Gemeinwesen;
- Bürgerschaftliches Engagement;
- Teilhabe und Selbstorganisation von Menschen mit Hilfebedarfen;
- Integrierte Versorgungskonzepte;
- Vernetzung, zugehende Beratung, Koordinierung;
- Strategievorschläge für Wohnumfeldkonzepte in der Kommune.
Herausgeber
Der vorliegende Band wird vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung herausgegeben. Dieses Institut ist ein gemeinnütziges Forschungsinstitut an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen (KatHO NRW) in Köln.
Aufbau
Das Buch enthält Vorworte von der rheinland-pfälzischen Staatministerin Malu Dreyer (MASGFF)und von den GutachterInnen, ein grundlegendes Kapitel zur Einführung in die Ansätze, ein Kapitel mit Beispielen der Referenzprojekte und ein Schlusskapitel mit abschließenden Empfehlungen.
Die Einführung erläutert den Auftrag des Gutachtens, die Vorgehensweise und einige zentrale Begriffe (Barrierefreiheit, Gender Mainstreaming), die hier als Megathemen benannt sind.
Im
Kapitel Grundlegungen und
Ansätze werden Aspekte
der Steuerungsproblematik in Ausführung des SGB V und XI der
pflegebezogenen Versorgungslage vorgestellt. Im Zentrum der
Diskussion steht die Frage nach strategischen Steuerungsmechanismen
auf Länderebene, die auf kommunaler Ebene greifen und die einen
lebensweltlichen Bezug bieten. Weiterhin erläutert werden
Ansätze der Landespflegegesetzgebung in Rheinland-Pfalz mit
entsprechenden Initiativen. Ein weiterer Schwerpunkt dieses Kapitels
nimmt die Sozialökonomie ambulanter und stationärer
Pflegearrangements in den Blick. Der Fokus liegt hierbei auf einer
kritischen Hinterfragung von Einsparungen durch „ambulant vor
stationär“ und auf Aspekten der Gestaltung eines
„Pflegemix“ zur Erhöhung der Kosten-Effektivität.
Es ist in der Tat ein grundlegendes Kapitel, das sich
komplexen Fragestellungen widmet. Auf so umfassende Fragen gibt es
keine einfachen Antworten, insofern ist ein hoher Anspruch an das
Niveau der Vorkenntnisse konstitutiv für die Verstehbarkeit
dieses Kapitels. Kritisch anzumerken ist jedoch eine ab S. 37
zunehmend schwerer werdende Lesbarkeit des Textes, was insbesondere
in Kombination mit wenig verständlichen Abbildungen dem Anliegen
des Textes abträglich ist. Darüber hinaus ist das Kapitel
in Bezug auf Formalia verbesserungswürdig. Begriffe wie
„transaktionskostentheoretisch“ (S. 36),
„wohnmorphologisch“ (S. 46) oder
„lebensführungssoziologisch“ sind für eine
breitere LeserInnenschaft auch im Rahmen einer wissenschaftlichen
Expertise zumindest erklärungsbedürftig. Weiterhin wird an
mehreren Stellen auf empirische Untersuchungen abgehoben, dazu
gehörende Quellenangaben fehlen jedoch (S. 44, S. 45, S.47).
Das Kapitel Innovative Entwicklungen und Beispiele begründet die Notwendigkeit neuer Versorgungsformen auf der Basis der demographischen Entwicklung und anhand der Kritik am „Inselcharakter“ der stationären Pflegeeinrichtungen. Die Chancen einer Öffnung der Institutionen werden differenziert beleuchtet und diskutiert. In diesem mit mehr als 70 Seiten umfangreichsten Kapitel des Bandes werden zu den o.g. Schwerpunkten insgesamt neun ausgewählte Referenzprojekte aus unterschiedlichen Bundesländern vorgestellt. Am Ende jedes Projektberichtes sind die Schlussfolgerungen für Rheinland-Pfalz aufgearbeitet. Dieses Kapitel gibt interessante Einblicke in Projekte, es ist gut aufbereitet und anschaulich dargestellt.
Es folgt das Kapitel Schlussfolgerungen und Empfehlungen. Hier werden in Anknüpfung an die zuvor dargestellten Projekte zusammenfassende Thesen für die Implementierung in Rheinland-Pfalz erläutert. Hervorgehoben wird erneut die Rolle der Kommunen in ihrer Schlüsselfunktion bei der Gestaltung der Versorgungslandschaft.
An das Schlusskapitel angehängt folgen Empfehlungen: Zum einen erläutern die AutorInnen Thesen für eine innovative Struktur- und Prozessentwicklung in den Kommunen, zum anderen Empfehlungen für innovative Ansätze im Wohnumfeld. Diese Thesen bündeln die zuvor dargelegten Ausführungen und sind gut geeignet als argumentative Unterstützung für ähnliche Projekte.
Zielgruppen
Das Buch wendet sich in erster Linie an Fachleute und EntscheidungsträgerInnen für Projekte auf kommunaler Ebene. In zweiter Linie ist es für WissenschaftlerInnen geeignet.
Die Texte sind anspruchsvoll, teilweise schwer verständlich (Kap. 3), teilweise gut lesbar (Kap. 2 und 4) geschrieben. Der Band eignet sich ausschließlich für Profis mit einschlägigen Vorkenntnissen.
Diskussion
Inhaltlich bietet das Buch einen guten Überblick über innovative Projekte für wohnortnahe Angebote bei Hilfebedarf und Pflegebedürftigkeit. Ein zentraler Aspekt der vorgestellten Projekte thematisiert Varianten einer notwendigen Öffnung der stationären Altenhilfe. Die hierzu vorgestellten Ansätze z.B. in Bezug auf die verkehrstechnische Infrastruktur, auf niedrigschwellige und wechselseitige Zugänge verschiedener Institutionen (Kindergärten, Vereine etc.), auf Begegnungsmöglichkeiten und auf Vernetzung mit dem Wohnumfeld sind gut aufgearbeitet und bieten interessante Einblicke in die Versorgungslandschaft.
Weitere Schwerpunkte diskutieren Möglichkeiten zur Förderung des bürgerschaftlichen bzw. ehrenamtlichen Engagements, des persönlichen Budgets und Case Managements, des Schnittstellenmanagements und der Integrierten Versorgung, zugehende Angebote der Pflegeberatung (präventiver Hausbesuch) sowie interkulturelle Ansätze.
In Bezug auf Formalia wünscht man sich als Leserin eine sorgfältigere Schlussredaktion mit Korrektur der Schreibfehler.
Der Band hat Stärken und Schwächen. Die Zusammenschau der Projekte und das Fazit einer neuen Rolle für die Kommunen als Steuerungsinstanz für gesundheits- und pflegebezogene Bedarfslagen sind innovativ, werden fundiert aufgefächert und nachvollziehbar begründet. Eine Schwäche des Buches liegt in der Struktur der Darstellung. Die Gliederung erlaubt keine Rückschlüsse auf die AutorInnen der jeweiligen Kapitel. Ein klares Bekenntnis zum Bundesland bereits im Titel oder als Untertitel hätte das Anliegen und Inhalte des Buches präziser herausgestellt als es die allgemeine Formulierung vermag.
Fazit
Die innovative Ausgestaltung der Versorgungslandschaft für hilfe- und pflegebedürftige Menschen benötigt Informationen, die sowohl die Gesetzeslage als auch kommunale Gegebenheiten ausleuchtet und den EntscheidungsträgerInnen zugänglich macht. Mit diesem Band werden Ansätze vorgestellt und Projekte, die für das Auftrag gebende Bundesland der Expertise und möglicherweise auch darüber hinaus eine hilfreiche Wirkung entfalten können. Diese neuartigen Vorgehensweisen einer professionellen Öffentlichkeit zugänglich zu machen ist ein wichtiger Schritt. Die Diskussion und Integration ausgewählter Erkenntnisse in die Versorgungslandschaft ist zu begrüßen.
Rezension von
Prof. Dr. Margret Flieder
Evangelische Hochschule Darmstadt
Fachbereich Pflege- und Gesundheitswissenschaften
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