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Konrad Paul Liessmann (Hrsg.): Geld. Was die Welt im Innersten zusammenhält?

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 31.03.2010

Cover Konrad Paul Liessmann (Hrsg.): Geld. Was die Welt im Innersten zusammenhält? ISBN 978-3-552-05458-5

Konrad Paul Liessmann (Hrsg.): Geld. Was die Welt im Innersten zusammenhält? Zsolnay (Wien) 2009. 309 Seiten. ISBN 978-3-552-05458-5. D: 21,50 EUR, A: 22,10 EUR, CH: 41,30 sFr.
Reihe: Philosophicum Lech - Band 12.

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Geld: Wurzel allen Übels oder Schlüssel zum Paradies?

„Geld macht nicht glücklich“ heißt es in einem Sprichwort. Der irische Schriftsteller George Bernhard Shaw (1856 – 1950) konterte darauf: „Es ist richtig, dass Geld nicht glücklich macht. Aber man meint damit das Geld der anderen“. Shaw wird auch der Spruch zugeschrieben: „Geld ist nichts. Aber viel Geld, das ist etwas anderes“. Menschen haben schon immer, seit sie zusammen leben und miteinander Handel treiben, bestimmte Gegenstände, ob Lebensmittel, Gebrauchsdinge oder Schmuck, wenn sie sie besitzen und benutzen wollten, eingetauscht gegen Sachen, die andere besaßen, und zwar, wie dies bereits der griechische Philosoph Aristoteles feststellte, die sie in solchen Mengen hatten, um sie gegen andere Dinge einzutauschen. Das „Paläogeld“ können wir uns heute in Museen und Sammlungen anschauen: Das so genannte „Mollusken-Geld“, wie Kaurischnecken (Monetaria moneta), die im Indisch-Pazifischen Ozean lebt und in Asien und Afrika über viele Jahrhunderte als Zahlungsmittel diente, wurden einzeln, abgewogen in Mengen, in Ketten oder als Schmuckelemente auf Kleidungsstücken benutzt. Oder geschliffene und polierte Steinbeile, die entlang der Südküste Neuguineas als Währungseinheit dienten; oder Salzbarren und –kegel, mit denen die Salzkarawanen in der Sahara handelten; Pfeil- und Lanzenspitzen, aus Buntmetallen und mit der Verarbeitungstechnik der Verlorenen Form hergestellte Manillas, Metall-(Messing-)Ringe in verschiedenen Größen und Formen; oder das „Akori-Geld“ aus gebranntem Ton oder Glas. Wichtig ist dabei, dass diese Wert-Symbole anfangs nicht in erster Linie wirtschaftliche, sondern gemeinschaftsbildende, -bestimmende und –prägende Bedeutung hatten. Sie wurden vergeben und empfangen bei Familienfesten, wie Geburten, Hochzeiten, Totenfeiern. Die Sieger einer kriegerischen Auseinandersetzung forderten und erhielten sie von den Verlierern; sie spielten auch bei Friedensverhandlungen eine Rolle; und sie wurden als Opfergaben für die Götter verwendet. Man kann also sagen, dass dieses „Geld“ ursprünglich keinen eigenen Wert besaß, sondern dieser sich in der in der jeweiligen Kultur und Gemeinschaft definierten und festgelegten Wertschätzung ausdrückte.

Der Ausspruch "Geld wächst auf Bäumen" ist von spanischen Eroberern überliefert, als sie feststellten, dass das wichtigste Tauschmittel der Azteken im Tal von Mexiko und Yucatán die Kakaobohne darstellte. Wegen der schwierigen Anbaubedingungen und der raren Ernteergebnisse war die Kakaofrucht ein wertvolles Gut. Schokolade war ein rituelles Getränk, das nur die Edlen und Krieger genießen durften, als "Götterspeise", der magische Eigenschaften zugeschrieben wurden. Neben der "Kakaowährung" wurden auch "Quachtli" als Währung benutzt - Baumwolltücher, die entsprechend der Herstellungszeit, z.B. 450 Stunden Arbeit, einen fest bestimmten Wert darstellten. Da Kakaobohnen mengenmäßig beliebig geteilt werden konnten, wurden etwa 100 Früchte als ein Quachtli gerechnet Ebenfalls bei den Mayas war Kakao der Wertmaßstab für alle Handelsgüter, auch für Sklaven als Arbeitskräfte. Den Bewohnern der Santa-Cruz-Inseln im Pazifischen Ozean galten die roten Kopf-, Rücken- und Brustfedern des Kardinalhonigfressers als Zahlungsmittel. Die Vögel wurden gefangen, in Käfige gesperrt und gerupft. Aus den Federn wurden von entsprechenden Handwerkern Federplättchen hergestellt, die für den Kauf von alltäglichen Waren verwendet wurden. Viele Plättchen wurden zu mehreren Metern langen Doppelrollen zusammengefügt, die für größere Anschaffungen, als Brautgeld oder auch für Wiedergutmachung, etwa als Strafe bei Ehebruch, benutzt wurden. Der Bogen hin zum „Raubtierkapitalismus“ (vgl. Peter Jüngst, Rezension) ist zu schlagen.

Entstehungshintergrund und Autoren

Soweit eine Replik in die Geschichte der Herkunft des Tausch- und Zahlungsmittels Geld. Nicht nur wirtschaftende Alltagsmenschen, Händler und Spekulanten haben die Bedeutung des Geldes betont, bewertet, gepriesen und verflucht, sondern auch Schriftsteller, Poeten und Künstler arbeiteten sich daran ab, was Geld für einen Sinn hat und wie man es loben und bannen kann. „Was die Welt im Innersten zusammen hält“, diese Reflexion in Goethes Faust wurde zum geflügelten Wort und zum Anker- und Anklagepunkt für die vielfältigsten Beschreibungen des Zustandes unserer Welt. Nicht zuletzt waren und sind es auch die Philosophen, die sich Gedanken darüber machen, was Geld ist, was es richtet und anrichtet. Eine der Denkschmieden im deutschsprachigen Raum ist das Philosophicum Lech im österreichischen Vorarlberg, eine jährlich stattfindende Veranstaltung, bei der sich Philosophen und intellektuelle Denker zusammen finden, um auf die Lage in unserer Welt zu reagieren, zurück- und vorwärts zu schauen. Die Vorträge auf dem Symposium werden jeweils in einer Dokumentation herausgegeben. Die Themenbereiche können dabei als ein lokales und globales „So what?“ verstanden werden; z. B.: Faszination des Bösen. Über die Abgründe des Menschlichen (1997), Im Rausch der Sinne. Kunst zwischen Animation und Askese (1998), Die Furie des Verschwindens. Über das Schicksal des Alten im Zeitalter des Neuen (1999), Der Vater aller Dinge. Nachdenken über den Krieg (2000), Der listige Gott. Über die Zukunft des Eros (2001), Die Kanäle der Macht. Herrschaft und Freiheit im Medienzeitalter (2002), Ruhm, Tod und Unsterblichkeit. Über den Umgang mit der Endlichkeit (2003), Der Wille zum Schein. Über Wahrheit und Lüge (2004) ISBN 978-3-552-05339-7, Der Wert des Menschen. An den Grenzen des Humanen (2005), Die Freiheit des Denkens (2006), Die Gretchenfrage. "Nun sag“, wie hast du„s mit der Religion?" (2007, bisher alle im Zsolnay-Verlag veröffentlicht), Vom Zauber des Schönen. Reiz, Begehren und Zerstörung (2008, bisher nicht erschienen).

Beim 12. Philosophicum vom 17. bis 21. 9. 2008 ging es um das Thema: „Geld. Was die Welt im Innersten zusammenhält?“, wohlgemerkt mit einem Fragezeichen versehen. Keine Frage ist, ob die Thematik eine philosophische sei. Das legt der Initiator und wissenschaftliche Leiter der Veranstaltung, der an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien tätige Konrad Paul Liessmann in seinem Einführungsbeitrag in den Tagungsband „Eine kleine Philosophie des Geldes“ überzeugend dar. Mit der Frage – „Was gilt, wenn das Geld gilt?“ – geht Liessmann das Problem an. Denn wie eine Wertsetzung beim Tauschakt und im Warenverkehr zustande kommt, ist eine ungemein komplizierte und lexikalisch kaum zu beantwortende Frage. Da können wir uns auf Aristoteles verlassen, der schon feststellte: „Es ist in Wirklichkeit das Bedürfnis, das alles zusammenhält“. Bedürfnisse, das wissen wir ja, sind eben nicht einfach zu benennen; höchstens in der Weise, dass, wie in der Entwicklungspolitik, „Grundbedürfnisse“ als das bezeichnet werden, was Menschen zum (Über-)Leben benötigen. Eine erste Antwort auf den schwierigen Komplex lautet deshalb: „Geld gilt, insofern die Menschen daran glauben, dass es gilt“. Diese ja erst einmal nicht religiöse Auffassung lässt sich als ein Abstraktum bezeichnen, das pendelt zwischen dem Guten und dem Bösen, dem Angenehmen und Unangenehmen, dem Wünschens- und Verdammenswerten, dem Charakter und der Charakterlosigkeit des Geldes.

Aufbau und Inhalt

Der Schweizer Volkswirtschaftler Hans Christoph Binswanger setzt sich in seinem Beitrag „Geld und Magie“ mit dem Goetheschen alchemistischen Drama „Faust“ auseinander und interpretiert die Bedeutung des Stücks ökonomisch. Der Versuchung, Geld (Gold) zu machen, deutet der Autor, und das ist erst einmal überraschend, als „alchemistischen Charakter“ der modernen Wirtschaft, insbesondere bei den Exzessen, die wir in den verschiedenen (Welt-)Wirtschafts- und Finanzkrisen erleben: „Wir können den Wirtschaftsprozess als Alchemie deuten, wenn man zu wertvollem Geld kommen kann, ohne es vorher durch eine entsprechende Anstrengung verdient zu haben“. Dabei kommt – überraschenderweise – zutage, was wir schon immer geahnt haben: Aus Nutzlosem und Wenigem mehr und immer mehr zu machen! Mephistopheles überall!

Der Medienwissenschaftler von der Technischen Universität Berlin, Norbert Bolz, der u. a. auch durch sein Buch „Das konsumistische Manifest“ (2003) bekannt geworden ist, greift mit dem Titel seines Buches „Wo Geld fließt, fließt kein Blut“ den von Max Weber beschworenen „Geist des Kapitalismus“ und Walter Benjamins Bezeichnung von der „kapitalistischen Religion“ auf und konfrontiert diese Thesen mit der Marxschen, dass „der nicht umkehrende Kapitalismus.( ) Sozialismus (wird)“. So wird Geld zum falschem und zur Schuld. Aber auch, und hier wagt sich der Autor auf sehr glattes Eis, „Geld entlastet die Gesellschaft von Menschlichkeiten wie Hass und Gewalt“. Das meint Bolz nicht als Ehrenrettung für das Phänomen Geld; er will damit den Slogan widerlegen, dass Geld ist, was die Welt zusammenhält; denn „Geld ist universal, aber eben auch nur speziell verwendbar – nämlich in der Wirtschaft“.

Der Karlsruher Kunst- und Medienwissenschafter Wolfgang Ullrich fragt in seinem Beitrag „Flüssig sein?“ danach, wie der Kapitalismus eigentlich aussieht. An zwei Bildcollagen, die aus einer Studie stammen, die im Auftrag einer Bank erstellt wurden. Probanden wurden aufgefordert, Bilder und Symbole auszuwählen, mit denen sie ihre Empfindungen zum Geld ausdrücken. Während das eine hochformatige Bild verunsicherte und ängstliche Fußgänger zeigt, die sich auf einer Hängebrücke bewegen, sind auf der anderen, querformatigen Darstellung selbstbewusste, lachende und siegessichere junge Menschen zu sehen, die umgeben sind von Dollarscheinen. Der Sinn des ganzen? Es ist die „Energiepool-Metapher“, die in der Werbung und manipulativen Produktinformation eingesetzt wird und das „Flüssigsein… als eine Hauptmetapher für das Geld“ ausweist. Es entstehen die Wellness-Angebote, die den „Kapitalismus und seine Glücksverheißungen metaphorisch zelebrieren“.

Jochen Hörisch, Professor für Neuere Germanistik und Medienanalyse an der Universität Mannheim, fragt bei Aristoteles und Kant nach, was Geld ist: „Mein, nicht dein“, formuliert der Autor seinen Titel. Vom „dienenden Medium“ wird Geld zum „übermächtigen Medium“ und Machtinstrument – und, das ist der zweite Baustein in seinem Beitrag, zum „ontosemiologischen Leitmedium“. Pecunia non olet, Geld stinkt nicht, wie Vespasians Sohn Titus seinem Vater entgegen hielt, als der Kaiser eine Latrinensteuer einführen wollte. „Ein Geschäft machen“ hat eben doch den Duktus von Unsauberkeit. Die ontologische Reflexion über Geld muss auch die der Frohen Botschaft einschließen. Wie ist es mit dem bekannten Matth.-Spruch: „Ein Reicher wird schwerlich ins Himmelreich eingehen…“? Aber auch mit den anvertrauten Pfunden, mit denen es zu wuchern gilt? Ist hier die Lösung, dass man dem Kaiser geben solle, was seines ist und Gott, was Gottes ist? In den dreißig Silberlingen, die Judas für seine Spitzeldienste erhält, schillert der Verrat und das Böse, während sich im Abendmahl: „Man kann nicht Gott dienen und dem Mammon, aber man kann mit Mammon Gott dienen“ – ist das die Lösung, um der beiden Konkurrenz-Leitmedien Geld und Abendmahl gerecht zu werden?

Christine Wimbauer vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung setzt sich in ihrem Beitrag „Geld und Liebe“ mit der symbolischen Bedeutung von Geld und Paarbeziehungen auseinander. Gilt Geld als Quelle von sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Macht auch da, wo die Liebe spielt? Gilt der Spruch: „Wer zahlt, schafft an“ auch in der Ehe und in länger andauernden (festen) Verbindungen? Anhand von drei Fallbeispielen aus einer Studie zur Thematik zeigt die Autorin eine interaktive Gesamtkonstruktion und –bewertung auf. Mit der Subsumierung „Mein Geld – dein Geld – unser Geld“ entsteht „Beziehungsgeld“, das beides ermöglicht: Bindung und Trennung., wie auch Besitz und Freiheit, Abhängigkeit und Selbständigkeit.

Die Architektin, Ökologin und Expertin für Komplementäre Währung, Margrit Kennedy von der Universität Hannover macht sich daran, die Selbstverständlichkeit (?), dass Geld die Welt regiert, mit der Frage zu konfrontieren,: „Doch wer regiert das Geld?“; angesichts des Unbehagens, dass offensichtlich die Politik den Machtkampf mit der internationalen Finanzindustrie verloren habe (Thomas Metzinger, vgl. dazu die Rezension seines Buches: Der Ego-Tunnel, 2009), eine berechtigte und notwendige Nachschau. Die Autorin räumt dabei mit drei Missverständnissen auf: Dem Wachstumsfetischismus, der Zinsnotwendigkeit und der Zinsgerechtigkeit. Ihre Lösungsvorschläge gehen nicht in Richtung „Abschaffung des Geldes“, sondern in die Einführung von sektoralen und regionalen Komplementärwährungen. „Eine neue Finanz-Architektur, die Krisen vermeiden will, wird von neuen Akteuren und neuen Spielregeln gekennzeichnet sein, die für eine Vielfalt ergänzender Strukturen statt für mörderischen Wettbewerb stehen“.

Der wissenschaftliche Mitarbeiter im Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut, Stephan Schulmeister, referiert über „Geld als Mittel zum (Selbst-)Zweck“. Es seien die Spekulationsstrategien, die die Relationen zwischen den weltweiten Finanztransaktionen und den nominellen Welt-BIP-Werten in ein Ungleichgewicht gebracht und zu einer Destabilisierung der wichtigsten Preise in der Weltwirtschaft geführt haben. Bleiben wir bei der kapitalistischen Marktwirtschaft (vgl. dazu auch: Sebastian Dullien, Hansjörg Herr, Christian Kellermann: Der gute Kapitalismus. … und was sich dafür nach der Krise ändern müsste, 2009, Rezension): Die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Leitmustern Real- und Finanzkapitalismus sind in vollem Gange. Was helfen kann, ist: „Gewohnte Weltanschauungen müssen abgelegt, kognitive Dissonanzen ertragen und konkretes Denken muss wieder gelernt werden“.

Der Volkswirtschaftler an der Fachhochschule Würzburg, Karl-Heinz Brodbeck, setzt sich mit dem Homo oeconomicus auseinander, jenem seltsamen, realen Wesen aus Glücksritter-, Gutsherrentum und Gier: „Geldwert und Geldgier“ nennt er seinen Beitrag, in dem es um die „Macht einer globalen Illusion“ geht. Seine Argumentation, dass „sehr viele der zu beobachtenden globalen Probleme ( ) eine einfache Konsequenz der Tatsache (sind), dass die Menschen einer Illusion das Regiment über den Planeten anvertraut haben, die durch massenhaften Glauben an sie in ihrem Schoß unentwegt Geldgier und Konkurrenz und die allgemeine De-Regulierung tradierter Natur- und Kulturformen hervorbringt“, belegt er mit zwei Thesen, die er in einer theoretischen, historischen und aktuellen Reflexion darlegt: Was Geld ist, bleibt ein Rätsel; und: Für Geld und seinen Wert gibt es keinen realen Grund.

Christoph Deutschmann, der Tübinger Soziologe, weist nach, dass die landläufige und durchaus wissenschaftlich vertretene Auffassung, dass Geld etwas sehr Nützliches und Unentbehrliches für das menschliche Leben sei. Auch er plädiert als Konsequenz seiner Reflexion nicht für die Abschaffung des Geldes, sondern er kritisiert mit überzeugenden Argumenten die wirtschaftswissenschaftliche Sichtweise von der Neutralität des Geldes. So kommt er zum (Frage-)Titel seines Beitrags: „Geld – die verheimlichte Religion unserer Gesellschaft?“. Gelänge es, zu „einem institutionell regulierten Rückbau des Warencharakters der Arbeitskraft“ zu kommen, würde auch der „Religionscharakter … des Kapitalismus“ deutlich und veränderbar werden (vgl. dazu auch:John Gray, Politik der Apokalypse. Wie Religion die Welt in die Krise stürzt, 2009, Rezension).

Der Jenenser Philosoph Gottfried Gabriel begibt sich auf ein missverständliches und erklärungsbedürftiges Feld, wenn er von der „Ästhetik des Geldes“ spricht. Seine Überzeugung: „Ohne Geld geht es nicht“. Deshalb ist für ihn die Geldillusion eine notwendige im Dasein der Menschen. Wenn das so ist, so kann es nicht ohne Bedeutung und Wirkung sein, wie Geld, das sich in Scheinen und Münzen gibt, aussieht, gestaltet wird, wiegt und sich gewissermaßen in der Hand anfühlt. Inwieweit der bargeldlose Zahlungsverkehr diese nicht nur haptischen Gefühle und Eindrücke verändert, ist eine wichtige Frage, wenn es um die Ästhetik des Geldes geht.

Mit dem Schlussbeitrag im Tagungsband verdeutlicht der Direktor der Wiener Albertina, Klaus Albrecht Schröder, die Bedeutung des Geldes in der Kunst; und zwar weniger mit dem oberflächlichen (falschen oder richtigen?) Slogan: „Geld geht vor Kunst“; vielmehr in der Auseinandersetzung mit Moral und Ethik; „denn unser Umgang mit Geld hat ganz wesentlich unsere moralischen Kategorien geprägt: Neid, Geiz, Verschwendungssucht, Habgier, aber auch Mildtätigkeit und Barmherzigkeit“. Mit Pieter Breughels Zeichnung, in der er drastisch aufzeigt, dass Geld blind und dumm macht, kommt der Autor zu dem Ergebnis: „Kunst kann zwar mit Geld gekauft werden, aber wer nur ihren Geldwert sucht, wird das Wichtigste an ihr versäumen“.

Fazit

In der vielschichtigen, faszinierenden Auseinandersetzung mit der Thematik „Geld“ beim 12. Philosophicum Lech vom 17. bis 21. 9. 2008 haben die Autorinnen und Autoren keine Revolution ausgerufen; ob bewusst oder mangels Masse, keiner der Vortragenden hat sich auf das Feld gewagt: Abschaffung des Geldes; obwohl es dazu durchaus auch wissenschaftliche Überlegungen gibt (z. B. im Diskurs um die Konzepte zur Internationalen Politischen Ökonomie; vgl. dazu; Eva Hartmann u.a., Hrsg., Globalisierung, Macht und Hegemonie, 2009, vgl. die Rezension). Natürlich wird mit dem Buch die Frage, was Geld ist, was es richtet und anrichtet, nicht mit einem Rezept beantwortet. „Über Wirkungen und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Philosophen“; so geht’s auch nicht. Was bleibt? Die stetige Auseinandersetzung, auch bei Veranstaltungen wie in Lech am Arlberg. Das 14. Philosophicum 2010 trägt den Titel: „Der Staat. Wie viel Herrschaft benötigt der Mensch?“ (http://www.philosophicum.com/2010/2010.html). Wie gut, dass es solche Denkschmieden gibt, in Österreich mit Lech und Alpbach und anderswo in der Welt!

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Es gibt 1672 Rezensionen von Jos Schnurer.

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Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 31.03.2010 zu: Konrad Paul Liessmann (Hrsg.): Geld. Was die Welt im Innersten zusammenhält? Zsolnay (Wien) 2009. ISBN 978-3-552-05458-5. Reihe: Philosophicum Lech - Band 12. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/9228.php, Datum des Zugriffs 08.11.2024.


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