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Dieter Kreft, Wolfgang Müller (Hrsg.): Methodenlehre in der Sozialen Arbeit

Rezensiert von Dipl. Päd. Andrew F. Kmiec, 09.06.2010

Cover Dieter Kreft, Wolfgang Müller (Hrsg.): Methodenlehre in der Sozialen Arbeit ISBN 978-3-8252-3370-9

Dieter Kreft, Wolfgang Müller (Hrsg.): Methodenlehre in der Sozialen Arbeit. Konzepte, Methoden, Verfahren, Techniken. UTB (Stuttgart) 2010. 182 Seiten. ISBN 978-3-8252-3370-9. D: 19,90 EUR, A: 20,50 EUR, CH: 33,90 sFr.
Reihe: UTB S (Small-Format) - 3370.

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Thema

Das Buch ist als „Lehrbuch im Rahmen eines berufsqualifizierenden Studiums der Sozialen Arbeit entwickelt worden“ (S. 9). Die Herausgeber erheben dabei den Anspruch, auf folgende Fragen orientierende Antwort geben: „Wie kann an den vielen unterschiedlichen Arbeitsplätzen der Sozialen Arbeit fachlich angemessen planvoll gehandelt werden, aufgrund welcher Information und wie?“ (s.10).

Entstehungshintergrund

Das Buch entstand, so die Herausgeber in der Einführung, im Zusammenhang mit den Rückmeldungen zu einem von ihnen verfassten Artikel in der Zeitschrift „Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit“ ( TuP 2/2008, 134-143). Man habe die „wiederholt ausgesprochene Anregung, diese Idee [eines Ordnungsversuches für das Handeln nach den Regeln der Kunst] in einem Basis-Lehrbuch weiterzuentwickeln aufgegriffen und (…) konkretisiert:“.

Aufbau

Das Buch ist laut Einführung in zwei Darstellungsblöcke mit drei Kapiteln gegliedert:

  1. Im ersten Block (Kap. 1 und 2) soll „grundsätzlich strukturell und inhaltlich“ auf 36 Seiten Antwort auf den Fragenkomplex gegeben werden.
  2. In einem zweiten Block (Kap. 3) sollen zunächst die „klassischen Methoden“ mit dem Darstellungsanspruch ihrer „aktuellen Ausprägungen“ in drei Einzelbeiträgen erläutert werden (39 Seiten). Daran soll sich die Darstellung von sechzehn „bewährten Verfahren für das Handeln nach den Regeln der Kunst“ anschließen (59 Seiten), gefolgt von einer beispielhaften „Auswahl von (…) sechs entsprechendes Handeln eventuell stützende Techniken (…)“. Sinn dieser Anlage soll sein, den Lehrenden und Lernenden die Möglichkeit zu geben, „…das so schwierige professionelle Handeln im Einzelfall zu ordnen und inhaltlich zu justieren (…) Alles zu dem alleinigen Zweck, in der je konkreten Arbeitssituation eines Arbeitsplatzes ’Arbeitshilfen für die Gestaltung von Situationen zu entwickeln´ “.

Am Ende der Beiträge finden sich Literaturempfehlungen für das vertiefende Studium.

Inhalt

Kapitel 1: Konzepte, Methoden, Verfahren und Techniken in der Sozialen Arbeit. Kreft und Müller untertiteln dieses Kapitel als Ordnungsversuch für das Handeln nach den Regeln der Kunst. Auf einen Verweis auf die Notwendigkeit eines Ordnungsversuches und die Begründung der Kategorienwahl sowie einen kurz gehaltenen historischen Abriss folgt die Ausdifferenzierung der Kategorien Konzepte, Methoden, Verfahren und Techniken. Sie münden in entsprechende Vorschläge zur Begriffsverwendung. Der Konzeptbegriff soll im Sinne einer „unverzichtbaren, erläuternden, beschreibenden, klärenden Vorarbeit für das nachfolgende methodische Handeln“ (S. 21) verstanden werden, der Methodenbegriff nur noch für die drei klassischen Methoden gelten. Alle anderen Ansätze sollen als Verfahren bezeichnet werden. Techniken wiederum werden als in ihrer Wirkung prognostizierbare, standardisierte Verhaltensmuster gesehen. Danach sind beispielsweise das narrative Interview und das Soziogramm als Techniken zu verstehen. Das Kapitel schließt unter Rekurs auf Hiltrud von Spiegel und ihrer Form der Problematisierung des Methodenthemas hinsichtlich seiner Lehr-, Lern- und Anwendbarkeit mit der Empfehlung, das je eigene Verhalten an diesem Kategorienentwurf orientierend auszurichten.

Kapitel 2: Beobachten, Beurteilen, Handeln: Handlungsbezogene Reflexion und Wissensanwendung als Merkmale professioneller Sozialer Arbeit. Hier geht Maykus der Frage nach, was professionelles Handeln in der Sozialen Arbeit bedeutet. Im Rahmen der Ausdifferenzierung dieser Frage entwickelt er „Vier Schritte zur Beschreibung“. Als ersten Schritt schlägt er vor, das Grundverständnis methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit zu klären und als zweiten, das Können zu erkennen. Den dritten Schritt sieht er in der Beantwortung der Frage, wie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter Wissen und Handlungsstrategien in Praxissituationen generieren, gefolgt von einer bewussten Blickweitung auf unterschiedliche Praxisebenen. Die Beschreibung der ersten drei Schritte münden in ein grafisch dargestelltes Modell „Handlungsbezogene reflektierte Fallarbeit“ (S.43). Den vierten Schritt untergliedert er in drei Kontexte methodischen Handelns: Adressaten orientierte Fallarbeit, berufliches Handeln im Team und Organisationsgestaltung. In seinem Fazit gelangt er zu der Erkenntnis, dass die Qualität professionellen Handelns nicht nur von der Person an sich, sondern ebenfalls von den Realisationsbedingungen abhängt, in die das Handeln an sich eingebettet ist.

Kapitel 3: Methoden, Verfahren und Techniken: Beispiele. Im ersten Unterkapitel 3.1 widmet sich Kreft dem Thema Handlungskompetenz in der Sozialen Arbeit. Er stellt drei Erklärungsansätze zur Diskussion: Hiltrud von Spiegels Modell der Unterscheidung von Können, Wissen und Haltungen, seinen eigenen Ansatz, in dem v. Spielgels Modell eine Erweiterung um kommunikative und administrative Kompetenz erfährt, sowie den Entwurf der Schlüsselkompetenzen der Sozialen Arbeit des DBSH.
Das Unterkapitel 3.2 Methoden beinhaltet einen Beitrag von Belardi zur Entwicklung der Einzelfallhilfe von ihren Ursprüngen bis zur Gegenwart. Er konstatiert darin in wesentlichen Handlungskontexten Sozialer Arbeit eine Veränderung vom Case Work zum Case Management und verortet die Sozialpädagogische Familienhilfe exemplarisch als Anwendungsbereich für ein Unterstützungsmanagement. Müllers Beitrag besteht in der Explikation des Social Group Work als klassischer Methode. Dem historischen Abriss folgt die Prozessbeschreibung mit ihrer Distinktion in Anamnese, Diagnose und Intervention mit entsprechender formativer Evaluation sowie der Phasierung und angemessenen Rahmung der Gruppenprozesse sowie der Ablösung der anleitenden „Gruppenpädagogen“. Ergänzt wird der Beitrag durch die Darstellung von Weiterentwicklungen der vergangenen fünf Dekaden, einem Abschnitt über Einwände und Gegenpositionen zur Thematik sowie Wirkungen von Gruppenpädagogik. Hinte expliziert in seinem Beitrag die Entstehungsgeschichte, den Prozess und die Weiterentwicklung von Gemeinwesenarbeit zur Sozialraumorientierung. Damit schließt das Unterkapitel 3.2 der klassischen Methoden.
Im Unterkapitel 3.3 Verfahren werden in Einzelbeiträgen Sozialpädagogische Beratung, Gruppendynamik, Supervision, Coaching, Mediation, Jugendhilfeplanung, Erlebnispädagogik, Kinderschutz und Kinderschutzauftrag, Hausbesuch, Themenzentrierte Interaktion, Straßensozialarbeit, Quartiersmanagement als strategischer Ansatz zur Kooperation in der Sozialen Arbeit, Qualitätsmanagement und Qualitätsentwicklung, Sozialmanagement, Evaluation und Selbstevaluation sowie Öffentlichkeitsarbeit.
In Unterkapitel 3.4 Techniken finden sich Beiträge zu Fragen-Nachfragen-Zuhören, Oral History, Genogrammarbeit, Spielen und Spiele, Rollenspiel und Tetralemma-Handeln bei Vieldeutigkeit.

Diskussion

In meiner bisherigen Berufs- und Lehrpraxis habe ich noch kein Buch mit vergleichbar heterogenen Charakter hinsichtlich a) des von den Herausgebern formulierten Anspruches und dessen Umsetzung sowie b) hinsichtlich der Qualität der Einzelbeiträge gelesen. Der dieser Wertung zugrunde liegende Maßstab ist derselbe wie der von den Herausgebern postulierte: Handeln nach den Regeln der Kunst. Die Anzahl der Beiträge in diesem Werk macht es unmöglich, auf alle im Einzelnen einzugehen. Deshalb beschränke ich mich auf eine exemplarische Darstellung der positiven und negativen Polarität sowie einer Bewertungsmitte.

Bereits auf der formallogischen Ebene finden sich Brüche, die eben jene Orientierung erschweren, welche als Zweck des Buches für den Inhalt genannt sind. So findet sich in der Einführung im Gegensatz zu den anderen Beiträgen kein Hinweis auf Krefts Artikel zur Handlungskompetenz. Der Beitrag wäre inhaltlich wie strukturell gut geeignet, Studierenden die Vielfältigkeit der fachlichen Diskussion um das Kompetenzverständnis in der Sozialen Arbeit in nahezu haptischer Qualität zu verdeutlichen. Krefts Beitrag steht damit beispielhaft für den positiv zu bewertenden Pol des Werkes. Nicht nachvollziehbar für die Leserinnen und Leser bleibt dessen Ansiedlung im Methodenkapitel. Von der Gliederungslogik her wäre er zwingend dem zweiten Kapitel zuzurechnen, mithin ist die formale Logik des Werkes auch hier gebrochen.

Der inhaltlich-qualitative Gegenpol entfaltet sich vor allem in den Beiträgen von Belardi. Handwerklich mangelhaft gerahmt (exemplarisch hier im Beitrag zur klassischen Einzelfallhilfe: die Quellenangabe auf S. 66 „Siehe: www.dji.spfh.de“ ist falsch), wirft die inhaltliche Ausgestaltung eine ganze Reihe von Fragen auf. Neben einer völlig unreflektierten Verwendung des Begriffes „Multiproblemfamilie“ finden sich eine ganze Reihe im epistemologischen Sinne fragwürdiger Aussagen ohne entsprechende Begründungen oder gar Belege. Exemplarisch hierfür: „Die heute wichtigste theoretische Bezugswissenschaft für die helfenden und kommunikativen Aspekte der Sozialen Arbeit sind die Erkenntnisse aus der Familientherapie“ (S. 61). Man muss nicht in Psychologie habilitiert sein, um den Un–Sinn dieser Aussage zu bemerken. Schlimmer noch, sie ist auch faktisch unzutreffend. Dazu passt die deskriptive Qualität bei der Entfaltung der von ihm vorgestellten Ansätze. Case Management erfährt ebenso unzulässige Verkürzungen und einseitige Betrachtung wie Sozialpädagogische Familienhilfe und Beratung. Diesem Beitrag mangelt es an Ausgewogenheit in der Darstellung von Pro und Contra, der auch für einen Einführungstext notwendigen inhaltlichen Tiefe sowie an schlüssigen Belegen für die Reliabilität der von Verfasser gemachten Aussagen.

Bei weiterer Lektüre atmet man förmlich auf ob der klaren strukturellen und inhaltlichen Ausgestaltung des Beitrages von Müller zur Gruppenpädagogik mit Genese, Kritik und Wirkung.

Hinte entfaltet das Thema GWA und deren Entwicklung hin zu sozialräumlichem Handeln im Duktus vertraut erfrischender Polemik, ohne dadurch den professionellen Gehalt des Beitrags zu beeinträchtigen.

Einen epistemologischen Suizidversuch erlebt man beim Weiterlesen. Belardi entwickelt das Thema Sozialpädagogische Beratung in gleicher Weise wie schon das Thema Einzelfallhilfe. Mit fragwürdiger Begriffsverwendung und teilweise unbelegten Behauptungen qualifiziert er sich selbst höchstens als Verfasser von Fachtexten mit Anspruch auf ein Handeln nach einer Kunst ohne erkennbare Regeln.

Im Mittelfeld zwischen diesen Polen bewegen sich beispielsweise die Beiträge von Merchel. Lässt man die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Begriffes Sozialmanagement einmal außen vor, bleibt es der geneigten Leserin und dem geneigten Leser dennoch verborgen, weshalb ein Teilbereich der Managementwissenschaft, noch dazu reduziert auf Aspekte aus dem Instrumentarium einer Betriebswirtschaftslehre, als Verfahren kategorisiert ist und nicht als ein den Methoden, Verfahren und Techniken vorgeordnetes „Konzept“ nach der Definition der „neuen“ Ordnungsstruktur, die Gegenstand dieses Werkes sein soll. Also auch hier bleibt als Erkenntnis die eines Bruches, diesmal der eigens als „neu“ erfundenen Ordnungslogik der Herausgeber. Um auch inhaltlich im Bild der Herausgeber zu bleiben: Management in Sozialen Organisationen ist, wie Merchel selbst sagt, eine Gestaltungsaufgabe (S. 137). Zu ihrer Erfüllung bedient sich Management unterschiedlicher Verfahren und Techniken aus vielerlei Bezugsdisziplinen und eben nicht nur jener der Betriebswirtschaften. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Spätestens mit der Adaption von Überlegungen der neuen Institutionenökonomik für Organisation(en) Sozialer Arbeit sind entsprechende Kategorisierungsansätze in der Fachdiskussion Sozialer Arbeit bekannt und akzeptiert. Eben diese finden hier keine Beachtung mit der Folge, dass inhaltlich auf einem überholten Erkenntnisniveau argumentiert wird.

Die Empfehlungen zur Lektüre weiterführender Literatur erschöpfen sich schlussendlich oftmals in der Nennung derjenigen Titel, die der Lesart der Verfasser entsprechen. Hier ist Ausgewogenheit nur in geringem Maße erkennbar.

Fazit

Als „Versuch“ etikettiert, ist dieses Werk in seiner Gesamtheit trotz teilweise bemerkenswerter Einzelbeiträge misslungen. Allenfalls handelt es sich um ein anschauliches Lehrstück darüber, wie ein Lehrbuch nicht beschaffen sein sollte, repräsentiert es doch auf allen Ebenen eine Konterkarikatur des „Handelns nach den Regeln der Kunst“.

Rezension von
Dipl. Päd. Andrew F. Kmiec
M.A., Freie Pädagogische Praxis; Lehrkraft für besondere Aufgaben im Ruhestand, Frankfurt University of Applied Sciences
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Es gibt 8 Rezensionen von Andrew F. Kmiec.

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ISSN 2190-9245