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Dieter Münk, Eckart Severing (Hrsg.): Theorie und Praxis der Kompetenzfeststellung im Betrieb

Rezensiert von Dr. Matthias Rohs, 15.03.2010

Cover Dieter Münk, Eckart Severing (Hrsg.): Theorie und Praxis der Kompetenzfeststellung im Betrieb ISBN 978-3-7639-1130-1

Dieter Münk, Eckart Severing (Hrsg.): Theorie und Praxis der Kompetenzfeststellung im Betrieb - Status quo und Entwicklungsbedarf. Schriften zur Berufsbildungsforschung der Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz (AG BFN). W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG (Bielefeld) 2009. 240 Seiten. ISBN 978-3-7639-1130-1. 26,90 EUR. CH: 45,50 sFr.
Reihe: Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz: AGBFN - 7. Berichte zur beruflichen Bildung. Schriftenreihe des Bundesinstituts für Berufsbildung Bonn.

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Thema und Entstehungshintergrund

Mit der zunehmenden Beachtung informellen Lernens für die berufliche Kompetenzentwicklung wurden in den letzten Jahren auch verstärkt Verfahren der Erfassung und Bilanzierung von Kompetenzen außerhalb traditioneller Formen der Prüfung und Zertifizierung entwickelt und diskutiert. Als Ergebnisse dieser Auseinandersetzung sind eine Reihe von Publikationen erschienen, die den Status Quo der Auseinandersetzung in Theorie und Praxis resümieren. Dazu gehört auch der von Dieter Münk (TU Darmstadt) und Eckart Severing (Universität Erlangen-Nürnberg, fbb Nürnberg) herausgegebene Sammelband, der auf einem Workshop der Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz basiert und Beiträge der Berufsbildungsforschung zur Kompetenzfeststellung im Betrieb versammelt.

Aufbau

Die Publikation umfasst 13 Beiträge, die in die Bereiche

  • „Methoden der Kompetenzfeststellung“,
  • „Kompetenzfeststellung in Organisationen“ und
  • „Kompetenz und Lernort Betrieb“

gegliedert sind.

Eingeführt wird der Sammelband durch Beiträge von Dieter Münk & Thomas Reglin, John Erpenbeck und Eckart Severing, die aus unterschiedlichen Perspektiven das Thema einleiten und den Forschungsstand strukturiert darstellen, sowie zentrale Herausforderungen der Kompetenzfeststellung im betrieblichen Umfeld benennen. Dabei wird, wie auch in vielen weiteren Beiträgen dieses Sammelbands, die Frage der Kompetenzdefinition angesprochen. Als Ergänzung zur Einführung würde ich den Beitrag von Klaudia Haase empfehlen, der einen sehr guten Überblick über die Praxis der Kompetenzfeststellung in Europa bietet.
Wie in einleitenden Beitrag von Münk und Reglin schon angedeutet wird, fokussiert der Band auf die Perspektive der Berufspädagogik, schließt aber auch andere Disziplinen und Sichtweisen mit ein. Die Unterschiedlichkeit der Perspektiven und Forschungsansätze, die bei Sammelbänden oft zu einem Verlust an Stringenz der Themenbearbeitung führen, kann an dieser Stelle durchaus auch als Qualitätsgewinn bewertet werden, da hierdurch die Breite unterschiedlicher Verfahren und Ansätze deutlich wird.

Der erste Teil der Publikation zu „Methoden der Kompetenzfeststellung“ wird mit dem Beitrag von Nickolaus, Gschwendtner & Geißel eingeführt und stellt die Ergebnisse einer empirischen Validierung und Modellierung des Konstrukts der beruflichen Handlungskompetenz vor. Grundlage der Ausführungen sind umfangreiche Untersuchungen, die im Rahmen der Hamburger Evaluationsstudien (ULME) zu der beruflichen Ausbildung und am Ende der Berufsfachschule und dualen Ausbildung durchgeführt wurden (KfZ-Mechatroniker).
Der zweite Beitrag von Geithner & Moser widmet sich ebenfalls einem theoretisch fundierten, aber empirisch noch wenig untersuchtem Thema: der Berufserfahrung. Als zentrale Fragestellung wird die Erfassung von Berufserfahrung anhand von erlebten herausfordernden Situationen bei Führungskräften untersucht. Dabei werden auch gängige Vorstellungen widerlegt, z.B., dass Berufserfahrung mit der Länge der Berufstätigkeit in Verbindung steht.
Im dritte Beitrag von Margit Stein werden im Gegensatz zu den ersten beiden Artikeln praktisch erprobte und evaluierte Methoden und Instrumente - hier für die Kompetenzfeststellung von Auszubildenden - vorgestellt. Im abschließenden Beitrag dieses ersten Teils behandelt Julia Gillen die Bedeutung von Selbstreflexion für die Kompetenzfeststellung. Dabei wird deutlich, dass auch zentrale und oft verwendete Begriffe, wie der der Reflexion, in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik noch nicht grundlegend bearbeitet worden sind. Der erste Teil des Sammelbands kann so insgesamt als empirische und theoretische Grundlegung einzelner Aspekte der Kompetenzerfassung verstanden werden.

Der zweite Teil des Buches ist mit „Kompetenzfeststellung in Organisationen“ überschrieben und behandelt Ansätze zur Verbindung individueller, gruppenspezifischer und organisationaler Kompetenz. Göschke & Wilkens haben dazu ein Modell entwickelt, dass auf die sozialkognitive Theorie Banduras und die Komplexitätstheorie in der Lesart komplexer adaptiver Systeme basiert. Als Ergebnis der Studie in drei Einrichtungen wurde eine ebenenübergreifende Operationalisierung (Individuum, Gruppe, Organisation) von Kompetenz entwickelt, die jedoch noch weiterer Untersuchungen zur Fundierung und Anwendung bedarf.
Auch der Beitrag von Barthel, Mattes und Zawacki-Richter thematisiert die Verbindung individueller und organisationaler Kompetenz. Der von ihnen entwickelte Kompetenzkapitalindex zielt auf die strategische Erfassung und Steuerung des Humankapitals in Unternehmen und verbindet dazu Ansätze zur Bewertung individueller (z.B. Kodex) und organisationaler Kompetenz (EFQM - Qualitätsmanagementsystem der European Foundation of Quality Management).
Die Zuordnung des dritten Beitrags von Elsholz & Gottwald in diesen Teil, der sich mit von Kompetenzprofilen älterer Langzeitarbeitsloser beschäftigt, ist unklar. Es wird ein Verfahren vorgestellt, das insbesondere Aspekte abbildet, die bei einer Bewerbung Älterer von Bedeutung sind. Damit wird auch die Zielgruppenspezifik von Ansätzen zur Kompetenzerfassung deutlich gemacht.

Der dritten Teil („Kompetenz und Lernort Betrieb“) umfasst schließlich neben dem schon eingangs angesprochenen Artikel von Klaudia Haase, in dem neben einem Überblick über den Status Quo der betrieblichen Kompetenzfeststellung in Europa das Instrument of Competence Assessment (ICA) von Lantz & Friedrich vorgestellt wird, Beiträge von Burger & Saniter, sowie Fietz & Westhoff, die über die Ergebnisse von Wirtschaftsmodellversuchen berichten.
Burger & Saniter setzen sich kritisch mit psychometrischen Verfahren für die Erfassung beruflicher Kompetenzen auseinander und stellen ein Instrument zum Kompetenznachweis in der dualen Berufsausbildung (Luftfahrt-Breich) vor. Dieser Modellversuch ist Bestandteil des Programms „Flexibilitätsspielräume in der Aus- und Weiterbildung“, über dessen Ergebnisse Fietz & Westhoff einen Überblick geben.

Fazit

Insgesamt vereint der Sammelband damit Beiträge, die zusammengenommen einen vielschichtigen und differenzierten Überblick über den aktuellen Diskussionstand zur Kompetenzfeststellung im Betrieb geben. Die unterschiedlichen Prämissen, Disziplinen und Zielsetzungen, die hinter den Überlegungen und entwickelten Instrumenten stehen, führen die Komplexität des Themas dabei sehr deutlich vor Augen. Damit verbunden sind auch eine Reihe von Herausforderungen. So bieten die vielfältigen Ansätze zur Kompetenzerfassung auf der einen Seite zielgruppen- und bedarfsorientierte Lösungen. Auf der anderen Seite ist für die Akzeptanz auch die Bekanntheit von Instrumenten wichtig. Dabei stellt sich die Frage, ob das Ziel in zentralen (staatlichen) Angeboten liegt, oder aber der Fokus eher auf die Schnittstellen zwischen verschiedenen Methoden/Instrumente gelegt werden sollte. Eine dritte Möglichkeit würde darin bestehen, nicht die Parallelität „traditioneller“ und kompetenzorientierter Prüfungs- und Zertifizierungsansätze zu verfolgen, sondern stärker auf die Integration beider Ansätze zu setzen.

Für diese und weitere Überlegungen zur Kompetenzfeststellung in Unternehmen und darüber hinaus bietet dieser Sammelband eine hervorragende Grundlage sowie Aufarbeitung der aktuellen Theorie und Praxis.

Rezension von
Dr. Matthias Rohs
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Es gibt 4 Rezensionen von Matthias Rohs.

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ISSN 2190-9245