Helga Losche, Stephanie Püttker: Interkulturelle Kommunikation
Rezensiert von Prof. Dr. Wolfgang Berg, 26.07.2010

Helga Losche, Stephanie Püttker: Interkulturelle Kommunikation. Theoretische Einführung und Sammlung praktischer Interaktionsübungen. ZIEL Verlag (Augsburg) 2009. 5., überarbeitete und erweiterte Auflage. 252 Seiten. ISBN 978-3-940562-28-9. D: 19,80 EUR, A: 19,80 EUR, CH: 35,00 sFr.
Zur Neuauflage
Ein Klassiker: Erstmals 1995 von Helga Losche herausgegeben, liegt nun 2010 die 5. Auflage vor. Wesentlich verbessert ist sie aber nicht: Das Cover ist mehr auf Business getrimmt, die Gestaltung soll dynamischer wirken, doch sind die Kommafehler zahlreicher, viele Satzkonstruktionen ungrammatischer und der Stil bürokratischer geworden. Quellen werden mitunter aus zweiter oder dritter Hand genutzt (was erst zu erkennen ist, wenn man die Anmerkungen nach dem zweiten Teil gefunden hat). Die angekündigte Gendersensibilität halten die AutorInnen nicht durch.
Aufbau und Inhalt
Im ersten Teil, über 100
Seiten, stellen die Autorinnen ausführlich das Konzept der
Kulturstandards von Thomas und die kulturellen Dimensionen
nach Hall und Hofstede vor. Die Kritik am Kulturalismus
(Radtke, Welsch etc.)) wird angedeutet, doch an keiner Stelle
expliziert, geschweige denn umgesetzt. So begegnen sich weiter
Kulturen, allenfalls „Kulturangehörige“, nicht
Menschen.
In einigen Übungen des zweiten Teils indes
geht es auch mal um Situationen, in denen Akteure viele
Gemeinsamkeiten haben, aber in mancher Hinsicht auch
unterschiedlichen Regeln folgen. Statt sich so mit Transkulturalität
auseinanderzusetzen, unterscheiden die Autorinnen interkulturelle,
d.h. lernfähige Gruppen von multikulturellen, die es beim
„Nebeneinander verschiedener Kulturen“ belassen. Im
Folgenden, auch bei den Übungen, sortieren sie die Menschheit
dann wieder einfach nach Ländern und Nationalitäten.
Das Kapitel, das die Autorinnen den Kommunikationsproblemen und
speziell den Missverständnissen widmen, besticht durch
anschauliche Beispiele von Regeldifferenz, endet aber schnell in der
alten Problematik von Stereotypen und Vorurteile. Für
internationale (!) Teams betonen die Autorinnen vor allem die
Bedeutung von Vertrauensbildung und Kennenlernphasen. Wie
interkulturelle Teams Synergie herstellen können, ist –
von wenigen Arbeiten (Zeutschel&Thomas) abgesehen - nach
wie vor empirisch kaum untersucht.
Im zweiten Teil sind über 50 „Interkulturelle Interaktionsübungen“ versammelt, zum großen Teil entweder allgemeine Kennenlernspiele oder Übungen, die nationale Stereotypen aktivieren und womöglich bewusst machen („Aha-Erlebnis“). Dazu kommen die vier oder fünf Klassiker wie der Café-Klatsch, das Kartenspiel oder der Besuch bei den Albatrossen, die seit zwei Jahrzehnten in der westeuropäischen Trainingsszene unter diesen oder anderen Namen, sicher auch dank der Verbreitung durch dieses Buch, die Runde machen. Wie diese Übungen, bei denen es ja darum geht, neue Regeln auszuhandeln, theoretisch fundiert, Lösungen ausgewertet und auf die Realität transferiert werden, bleibt den Trainern überlassen.
Diskussion
In der Einleitung zum zweiten Teil haben Losche/Püttker einen Satz formuliert, der zu denken gibt: „Übungen sind nicht interkulturell“. Sie meinen damit, dass viele, ja die Mehrzahl der Übungen nur mit solchen Personen möglich sind, die diese Art von „Erlebnispädagogik“ (?) schätzen, insbesondere Körperkontakt akzeptieren. Der Satz hat aber noch eine tiefere Wahrheit: Übungen ersetzen nicht das respektvolle, faire Aushandeln von Regeln, die Regeldifferenzen überbrücken – in jedem Handlungszusammenhang.
Fazit
Bei alle Einwänden und trotz aller Kritik: Wer immer in interkulturellen Geschäft, als Trainer/in oder Dozent/in, aktiv ist oder wird, an diesem Standardwerk kommt keine/r vorbei.
Rezension von
Prof. Dr. Wolfgang Berg
Hochschule Merseburg
Mailformular
Es gibt 128 Rezensionen von Wolfgang Berg.
Zitiervorschlag
Wolfgang Berg. Rezension vom 26.07.2010 zu:
Helga Losche, Stephanie Püttker: Interkulturelle Kommunikation. Theoretische Einführung und Sammlung praktischer Interaktionsübungen. ZIEL Verlag
(Augsburg) 2009. 5., überarbeitete und erweiterte Auflage.
ISBN 978-3-940562-28-9.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/9450.php, Datum des Zugriffs 07.02.2023.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.