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Christine Färber: Geschlechtersensibler Beteiligungshaushalt

Rezensiert von Dr. Armin König, 26.05.2010

Cover Christine Färber: Geschlechtersensibler Beteiligungshaushalt ISBN 978-3-941201-53-8

Christine Färber: Geschlechtersensibler Beteiligungshaushalt. Ergebnisse und Empfehlungen für die Praxis. Verlag Dashöfer GmbH (Hamburg) 2009. 78 Seiten. ISBN 978-3-941201-53-8. 27,80 EUR.

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Thema

Immer mehr Städte und Gemeinden beteiligen ihre Bürgerinnen und Bürger an der Haushaltsplanung. Das ist positiv, da der kommunale Haushalt alle Einwohnerinnen und Einwohner betrifft. Doch werden die Haushaltsmittel geschlechtergerecht verteilt? Werden Frauen und Männer gleichberechtigt an Entscheidungsprozessen beteiligt? Die Stadt Freiburg und die Landesstiftung Baden-Württemberg haben in einem innovativen Kooperationsprojekt versucht, diese Aufgabe zu lösen.

Autorin

Prof. Dr. Christine Färber hat seit 2006 eine Professur für empirische Sozialforschung und sozialwissenschaftliche Grundlagen an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Außerdem ist sie Inhaberin der Firma Competence Consulting. Sie hat das Projekt wissenschaftlich begleitet.

Entstehungshintergrund

In Freiburg wurde bundesweit erstmals im Rahmen des Programms „Chancen=Gleichheit. Gleiche Chancen für Frauen und Männer“ der Landesstiftung Baden-Württemberg ein Projekt zum geschlechtersensiblen Beteiligungshaushalt erprobt und umgesetzt. Gleichzeitig sollte die Öffentlichkeit sensibilisiert werden.

Aufbau

Die Broschüre beschreibt in 7 Phasen die Aufstellung eines geschlechtersensiblen Beteiligungshaushalts von der politischen Beschlussfassung im Rat und der Planung durch die Verwaltungsführung über die Mobilisierung und Beteiligung bis hin zu konkreten Vorschlägen für den Gemeinderat und Rückmeldungen an die Bevölkerung.

Inhalt

Das Kapitel zur Phase 1 beschreibt die politische Beschlussfassung, durch die das Beteiligungsprojekt legitimiert wird, und die Planung. Die Beschlussfassung ist wichtig, weil der Gemeinderat das Etatrecht hat. Zu Beginn wurde eine geschlechterparitätisch besetzte Begleitgruppe zu Gender Budgeting eingesetzt.

Phase 2 umfasst die Qualifizierung der Verwaltung. Die Autorin empfiehlt umfassende Schulungen der Fachamtsleiterinnen und –leiter, der Verwaltungsspitze, der Begleitgruppe und der Kämmerei. Das Problembewusstsein müsse erst geschaffen werden.

In Phase 3 wurden umfassende Genderinformationen zum Haushalt erfasst. Das ist bisher mangels ausreichender Daten noch schwierig. In einem komplizierten Prozess, bei dem die Verwaltung stark gefordert war, wurden aus 11 Produktbereichen 22 Haushaltsposten destilliert, bei denen geschlechterdifferenzierte Daten zu Nutzerinnen und Nutzern der aus diesen Mitteln finanzierten städtischen Einrichtungen eine Rolle spielten. Dies reichte von Schulen über Kindertageseinrichtungen, Stadtentwicklung und Bauen, Wohnen, Verkehr und ÖPNV, Kultur, Existenzsicherung bis hin zu Wirtschaft und Tourismus. Anschließend mussten die Informationen in die Haushaltsaufstellungsprozesse integriert werden.

In der Phase 4 wurden die Bürgerinnen und Bürger informiert und mobilisiert. Dazu wurden fünf Informationsveranstaltungen angeboten, darunter eine speziell für Jugendliche. Flyer, Infobus, Straßenbahnwerbung und eine Online-Plattform gehörten zu den Marketinginstrumenten. Christine Färber beschreibt ausführlich Standards für die Gestaltung und den Ablauf einer gendergerechten Informationsveranstaltung.

Im Kooperationsprojekt wurden drei Beteiligungsverfahren getestet. Dazu gehörten eine Repräsentativerhebung, eine Online-Beteiligung mit Haushaltsrechner und eine Stadtkonferenz. Dies wird im Kapitel zur Phase 5 beschrieben. Alle drei Varianten werden ausführlich und praxisnah vorgestellt. Auf empirischer Basis werden auch die Ergebnisse der Voten für Mehr- und Minderausgaben in einzelnen Produktbereichen darstellt. „Dabei zeigen sich in den meisten Haushaltsposten ähnliche Prioritäten von Frauen und Männern. Unterschiede gab es bei den Schwimmbädern, den Mitteln für Senior/innen und der Integration ausländischer Mitbürger/innen sowie den Beratungsstellen, Jugendtreffpunkten und Musikschulen – Frauen gaben hier deutlich mehr Geld aus als Männer.“ (36) Spannend war der Haushaltsrechner im Onlineverfahren. „Dort konnten die Beteiligten einen eigenen Haushalt aufstellen und dabei die Haushaltsansätze der 22 Haushaltsposten verschieben. Dabei mussten sie allerdings kostenneutral handeln“ (46).

In Phase 6 geht es „ans Eingemachte“ (72). Die Autorin stellt die Stärken und Schwächen der drei Beteiligungsformen dar und beschreibt die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen von Frauen und Männern. Damit wird belegt, dass es sinnvoll ist, die bisher unterrepräsentierten Frauen bei der Haushaltsaufstellung stärker als bisher zu berücksichtigen.

Im Kapitel zur Phase 7 plädiert Färber dafür, für die Aufbereitung von Beteiligungsergebnissen externe wissenschaftliche Kapazitäten zu nutzen.

Diskussion

Echte Bürgerhaushalte werden in Deutschland erst in wenigen Ausnahmefällen aufgestellt. Die Verfahren haben sich als aufwändig erwiesen. Beim geschlechtersensiblen Beteiligungshaushalt steigt der Aufwand noch, da zunächst genderbezogene Daten als Grundlage des Prozesses erhoben werden müssen. Außerdem sind umfassende Schulungen und Informationen notwendig. Die Freiburger Ergebnisse legen nahe, dass sich bei geschlechtersensiblen Beteiligungshaushalten die Prioritäten in den Haushalte deutlich zugunsten der Themenfelder Soziales, Kinderbetreuung und Kultur verschieben. Zu fragen ist allerdings, ob sich der enorm hohe Aufwand für das Gender-Projekt auszahlt, da am Ende ohnehin der Gemeinderat auf Grund seines Etatrechts das Entscheidungsrecht hat. Bei einem solchen Projekt empfiehlt sich fachkundige externe Moderation.

Fazit

Das Freiburger Projekt zum geschlechtersensiblen Beteiligungshaushalt macht deutlich, dass die Gleichstellung nur gelingen kann, wenn die Verwaltung sensibilisiert wird, umfassende Informationen erhoben und transportiert werden und wenn das Thema auch in der Steuerung der Stadt oder Gemeinde einen hohen Stellenwert hat. Außerdem müssen unterschiedliche Instrumente genutzt werden, um die Bürgerinnen und Bürger zu mobilisieren.

Rezension von
Dr. Armin König
Bürgermeister der Gemeinde Illingen, Verwaltungswissenschaftler. Dozent an der Fachhochschule für Verwaltung des Saarlandes (FHSV).

Es gibt 24 Rezensionen von Armin König.

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Zitiervorschlag
Armin König. Rezension vom 26.05.2010 zu: Christine Färber: Geschlechtersensibler Beteiligungshaushalt. Ergebnisse und Empfehlungen für die Praxis. Verlag Dashöfer GmbH (Hamburg) 2009. ISBN 978-3-941201-53-8. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/9472.php, Datum des Zugriffs 09.12.2024.


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