Maren Hartmann, Andreas Hepp (Hrsg.): Die Mediatisierung der Alltagswelt
Rezensiert von Dr. habil. Christian Schwarzenegger, 06.10.2010
Maren Hartmann, Andreas Hepp (Hrsg.): Die Mediatisierung der Alltagswelt.
VS Verlag für Sozialwissenschaften
(Wiesbaden) 2010.
325 Seiten.
ISBN 978-3-531-17042-8.
34,95 EUR.
CH: 59,50 sFr.
Reihe: Medien - Kultur - Kommunikation.
Thema
Das Interesse des Bandes liegt in der vielseitigen Befassung mit dem Wechselverhältnis zwischen einer durch Medien geprägten Alltagswelt und ebendiesen Medien der sozialen Kommunikation, seien es Massenmedien, digitale Medien und das Web 2.0 oder aber Technologien für die Mobilkommunikation. Das Konzept der Mediatisierung (zu englisch Mediatization, und als solche seit nunmehr einigen Jahren sehr prominent und prosperierend im internationalen Fachdiskurs der Medien- und Kommunikationsforschung etabliert), das im deutschsprachigen Raum untrennbar mit der Arbeit von Friedrich Krotz verbunden ist, folgt den Zusammenhängen und Wechselwirkungen zwischen medialem Wandel, sich wandelnden kulturellen Praktiken und Kulturen und schließlich Gesellschaftswandel. Die hier im Mittelpunkt stehende Mediatisierung, kann – unter direkter Bezugnahme auf Krotz, was die beiden Herausgeber einleitend ausführen – neben der Individualisierung, Kommerzialisierung und Globalisierung als einer der Meta-Prozesse der Prägung der Moderne begriffen werden.
AutorIn oder HerausgeberIn
Dr. Maren Hartmann ist Juniorprofessorin für Kommunikationssoziologie an der Universität der Künste Berlin.
Prof. Dr. Andreas Hepp ist Professor für Kommunikationswissenschaft am Institut für Medien, Kommunikation und Information (IMKI) der Universität Bremen.
Insgesamt haben neben den Herausgebern noch 29 weitere Autoren zu diesem Werk beigetragen.
Entstehungshintergrund
Der Band ist Prof. Friedrich Krotz zu dessen 60. Geburtstag gewidmet und greift zu diesem Anlass das Krotzsche Verständnis und Theoriekonzept von „Mediatisierung als Metaproezess“ auf und diskutiert das Konzept gleichermaßen theoretisch, wie auch auf konkrete Beispielthemen angewandt.
Aufbau und Inhalt
Der Band wird formal in drei ungleiche Abschnitte gegliedert, wovon der erste durch die Einleitung und Zueignung der beiden Herausgeber gebildet wird, der zweite, der sämtliche 18 Aufsatzbeiträge enthält ist in breiter Offenheit Zugänge zur Mediatisierung benannt, während der dritte, als eine Art Anhang, eine Bibliographie der Schriften des Friedrich Krotz und die obligaten Angaben zu den Beiträgen des Buches enthält. Eine weitere, durch formale Gliederung ausgedrückte oder verdeutliche Struktur in der Abfolge der hier vorgestellten Zugänge zur Mediatisierung gibt es nicht. Metareflexionen und konkrete Fallstudien bzw. Ausführungen zu Beispielmedien und deren Implementierung in Alltagspraxen sowie Wechselwirkungen zwischen Alltagsgestaltung und in Gebrauch befindlichen Medienensembles wechseln sich ab.
Der Einleitungsbeitrag von Hartmann und Hepp, Mediatisierung als Metaprozess. Der analytische Zugang von Friedrich Krotz zur Mediatisierung der Alltagswelt widmet sich dem Jubilar auf zwei verschiedenen Ebenen, einerseits durch die gebündelte Vorstellung des Grundkonzeptes dessen, was Friedrich Krotz meint, wenn er von Mediatisierung spricht und andererseits ad personam, durch ein Nachzeichnen des bisherigen wissenschaftlichen Werdegangs von Krotz, wobei der u.a. studierte Mathematiker Krotz (auch in der Mathematik brachte er es zur wissenschaftlichen Mitarbeiterstelle, interessant hierbei ist auch der Verweis auf eine frühe Publikation, ein Plädoyer für die Abschaffung des Mathematikunterrichts) als ein vielseitig interessierter und sozial engagierter „Grenzgänger zwischen Kommunikations- und Medienwissenschaft“ mit Wurzeln eben in der Mathematik und Soziologie stilisiert wird.
Das Krotzsche Verständnis von Mediatisierung, wie es die Herausgeber hier vorstellen und wie es quer durch die Beiträge wiederholte Male angesprochen werden wird, lässt sich nicht in Einzelmedienstudien, wie einzelne Medien Einfluss auf Kultur und Gesellschaft haben erschöpfen und immunisiert somit dagegen den „Fehler zu begehen ,die Medien“ unhinterfragt als Zentrum eines jeden Wandels zu konstruieren“ (S. 13). Stattdessen ,, zielt [es] auf die Wechselverhältnisse zwischen Medien- und Kommunikationswandel einerseits und Gesellschafts- und Kulturwandel andererseits „in ihrer Gesamtheit“ (S. 11). Einen Meta-Prozess bildet diese Mediatisierung nach Krotz deshalb, weil es sich dabei um Langzeitentwicklungen, die sich auf einen bestimmten Bereich beziehen, deren Anfangs- und Endpunkt, wie auch deren Richtung dabei unbestimmt sind. Das Forschungspotential dieses Ansatzes von Krotz, so führen die Herausgeber aus, zeigt sich unter anderem darin, dass er aktuell Koordinator eines DFG Schwerpunktprogramms zur Erforschung von „Mediatisierte Welten: Kommunikation im medialen und gesellschaftlichen Wandel“ ist. Und natürlich zeigt sich die Anschlussfähigkeit auch in den fruchtbaren Bezugnahmen, die die Beiträge des Bandes zu seinem Konzept herstellen.
Da die Beiträge im inhaltlichen Hauptabschnitt des Buches, Zugänge zur Mediatisierung in ihrer Abfolge sehr durchmischt sind, werden in der Besprechung hier die Inhalte nicht in der Reihenfolge im Buch, sondern möglichst nach thematisch ähnlichen bzw. nach theoretischen Beiträgen und Fallstudien zusammengefasst besprochen.
Die notwendige zeitliche und mithin auch historische Dimension von Prozessen des Wandels oder der Transformation wird, neben dem Text von Knut Hickethier, vor allem im theoretischen Beitrag von Udo Göttlich und im Aufsatz von Patrick Rössler deutlich. Göttlich setzt sich auf festem historischem Fundament, das belegen kann, dass wenn Mediatisierung auch erst in jüngerer Zeit und vor allem mit Blick auf die medialen Entwicklungen seit den 1980er Jahren als Begriff gebraucht wird, darin und dafür relevante Problembereiche und damit bezeichnete Beobachtungszusammenhänge keineswegs zwingend „neu“ sind, mit „praxistheoretischen Herausforderungen der Mediatisierung des kommunikativen Handelns“ auseinander. Ein überaus lesenswerter Beitrag.
Rössler, der, obschon es nicht das Kernstück seines Schaffens ausmacht, schon wiederholt gezeigt hat, dass er für historische Fragestellungen aufgeschlossen und kompetent ist – besonders dann, wenn es sich dabei um künstlerische Versatzstücke von Geschichte, und dabei wiederum speziell die Geschichte des Bauhaus handelt – schreibt zur Mediatisierung von Alltag im NS-Deutschland: Herbert Bayers Bildsprache für die Propagandaausstellungen des Reiches“. Anhand mehrere Ausstellungen, die der ehemalige Bauhaus-Lehrer Bayer für die NS-Propaganda gestaltet hat, beschreibt Rössler wie der Alltag in den ausgestellten Fotografien mediatisiert worden ist.
In Mediatisierung und Medialisierung der Kultur wirft Knut Hickethier „einen Blick zurück“ (S. 91f.) auf „Mediatisierungen vor dem Fernsehen“ und einen Blick nach vorne in die Zukunft, auf „Mediatisierung als Digitalisierung“, allerdings nicht ohne deutlich anzumerken, dass er mit dem Mediatisierungsbegriff als solches nicht ganz glücklich ist und sich lediglich im Sinne der Kohärenz der Festschrift zu dessen Verwendung und für den Vorzug gegenüber seinem präferierten Konzept der Medialisierung entschlossen hat. Er schließt seinen Text mit der dringenden Ermahnung Mediatisierungsprozesse als Begriff und als Konzept eng zu fassen, und keineswegs, wie er das in einer eingeflochtenen Breitseite gegen ein Buch von Wolfgang Raible kritisiert, als Synonym für Mediengeschichte allgemein zu nutzen, da Mediatisierung „in einem sehr viel enger gefassten Bedeutungsfeldd Umschichtungs- und Neuordnungsprozesse des kulturellen Wissens, mediale Neufassungen der kulturellen Produktionen und eine Transformation kommunikativen Handelns“ (S. 95)bezeichnet.
So
wie Hickethier
die Medialisierung als alternativen Begriff einbringt, so bezieht
sich Maren Hartmann
in ihrem eigenen Beitrag auf die (englischsprachige) „Mediation“,
wie sie von Sonia Livingstone in ihrer Presidential Address „On
the mediation of everything“ als Präsidentin der ICA ,
ausgeführt worden ist. Sie will damit einen Gegenpol, der
allerdings mehr als Ergänzung denn als wirklich Alternative zu
Krotzs
Konzept bilden. Sie geht dabei vom Domestizierungsansatz, also dem
Ansatz der (rituellen) Einbindung und Aneignung medialer Technologien
in den Alltag und sieht dies insofern als im Kontrast stehend an,
als die alltäglichen Aneignungsprozesse eben nicht eine
Basisebene des Metaprozesses Mediatisierung bilden würden,
sondern als Voraussetzung derselben zu sehen sind. Keinen „Gegenpol“,
der sich zugleich auch der Arbeit von Krotz
verdankt, wie Hartmann,
sondern eine „Zwischenposition“ will Andreas
Hepp
in Mediatisierung
und Kulturwandel: Kulturelle Kontextfelder und die Prägekraft
der Medien einnehmen.
Darin plädiert er kurz gefasst dafür, nicht unreflektiert
eine lineare Medienlogik als Beobachtungsprisma und
Beurteilungsinstanz vorauszusetzen, aber Mediatisierung durchaus
pragmatisch als Rahmen für Forschung zum Zusammenhang von
Medien- und Kulturwandel heranzuziehen, wozu passend er dann einen
„allgemeinen Analyserahmen für die Forschung zur
Mediatisierung unterschiedlicher kultureller Felder“ (S. 65)
vorstellt.
Was
muss kommunikationswissenschaftliche Forschung leisten?
Nicht weniger als diese grundlegende Sinnfrage stellt Ingrid
Paus-Hasebrinck im Titelzusatz ihres Aufsatzes
Lebens-Herausforderungen:
Medienumgang und Lebensaufgaben. Dabei
stehen Veränderungen im Lebensverlauf und in verschiedenen
Entwicklungsperioden von der frühen Kindheit bis zum späten
Erwachsenenalter sowie dabei sich je wandelnde spezielle Wünsche
und Nutzungserwartungen an Medien, deren Inhalte und
Leistungsvermögen. Um sich der konkreten alltäglichen
Lebensführung und damit dem real existierenden Mediengebrauch
anzunähern, muss die Kommunikationswissenschaft ein integratives
Verständnis entwickeln und empirisch umsetzen, in dem
Produktion, Angebot und Rezeption von Medien mit der vierten Ebene,
der Frage nach den gesellschaftlichen Konsequenzen, etwa neuer
Technologien verbunden zu betrachten und so Auswirkungen für die
„Lebensführung von Menschen unterschiedlichen Alters,
Geschlechts, formaler Bildung und unterschiedlicher Milieus zu
integrieren“ (S. 205). Carsten
Winter schließlich
macht sich in Mediatisierung
und Medienentwicklungsforschung: Perspektiven für eine
gesellschaftswissenschaftliche Medienkommunikationswissenschaft
auf die diskursive Suche nach „normative[n]Perspektiven für
eine kritische gesellschaftswissenschaftliche
Mediatisierungsforschung.
Unter den ebenfalls eher grundsätzlich zu nennenden Betrachtungen lässt sich auch der Beitrag von Helga Theunert & Bernd Schorb zu Sozialisation, Medienaneignung und Medienkompetenz in der mediatisierten Gesellschaft, der aus medienpädagogischer Perspektive zur wenig überraschenden Einsicht gelangt, dass auch in einer mediatisierten Gesellschaft die Ausbildung von Medienkompetenz eine stabile Zielsetzung von Medienpädagogik bleibt. Uwe Hasebrinck & Hanna Domeyer diskutieren die Verfügung über Informationsrepertoires im gesellschaftlichen und biographischen Wandel, und zeigen dabei wie sich in einem – hier vorgeschlagenen – Mehrebenenschema die Informationsbedürfnisse zwischen Konkreten Problemlösungsbedürfnissen, Gruppenbezogenen Bedürfnissen, Thematischen Interessen und Ungerichteten Informationsbedürfnissen klassifizieren lassen und sich sowohl in zeitlicher gesellschaftlicher Entwicklung seit den 1980er Jahren verschoben haben und wie sie sich auch im persönlichen Biographieverlauf wandeln.
Irene Neverla wendet sich in ihrem Aufsatz Medien als soziale Zeitgeber im Alltag. Ein Beitrag zur kultursoziologischen Wirkungsforschung einem ihrer langjährigen Herzensthemen, dem Verhältnis zwischen Medien und Zeit, also dem komplexen Wechselspiel zwischen Mediengebrauch und Zeitvorstellung, von zeitlicher Strukturierung des Alltagshandelns durch und für Mediennutzung, Medienhandeln als aktivem Zeithandeln: Mediatisierte Zeit „bietet Regelmäßigkeit im sozialen Leben und entlastet uns durch das Angebot von Routinen. Sie wirkt aber auch restriktiv und die Freiheit des Individuums einschränkend.“ (S.191). Das Verhältnis von Medien und Zeit in einer polychronen Medienkultur, das Neverla, in ihrem durch Fragen an alltägliches zeitbestimmtes und zeitbestimmendes Medienhandel gerahmten Aufsatz, von einer „doppelbödigen Options-Zwangs-Konstellation“ gekennzeichnet sieht, ist in der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft wenig diskutiert worden. Obschon es, wie dieser Aufsatz zeigt hinreichend relevante Debattenfelder geben würde, u. a. Jenes, wie die für eine Gesellschaft wichtigen Momente von Gleichzeitigkeit produziert werden können, wenn auch die Zeitlichkeit von Kommunikation teilweise stark individualisiert und die synchronisierende Wirkung von Medien partiell angegriffen wird.
Mit Joachim R. Höflich und Iren Schulz, aus Erfurt, sind zwei Beiträger in dem Band enthalten, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Mobilkommunikation mittels des Mobiltelefons widmen. Bei Höflich stehen im Aufsatz Gott – es klingelt! wie der Untertitel präzisiert Studien zur Mediatisierung des öffentlichen Raums, also Momente des privaten, die durch Mediengebrauch im öffentlichen Raum selbst öffentlich werden, im Fokus der Aufmerksamkeit. Schulz hingegen stellt aus einer multimethodischen Langzeituntersuchung einen Teilaspekt, die so bezeichnete „qualitative Intervention ,Zwei Wochen ohne Handy„“ vor, bei der Jugendliche jeweils eine Schul- und eine Ferienwoche ohne Handy verbringen mussten und über ihre dabei gemachten Erfahrungen in Tagebuchprotokollen, wie auch Einzel- und Gruppeninterviews Auskunft gaben. Dabei zeigen sich gleichermaßen weitreichend empfundene Auswirkungen auf Beziehungen zu Familie und „besten Freunden“, für die eigene fragile Identitätsarbeit, die durch eingeschränkte Verfügbarkeit von sozialen Kontakten, wie auch die eigene Unerreichbarkeit und Furcht vor dem Nicht-Vermisst-Werden irritiert wurde, und die Strukturierung des Alltags.
Angela Keppler mit ihrem Aufsatz über Das Fernsehen als Schauplatz der Formung sozialer Identität und Klaus Neumann-Braun (Mitarbeit: Dominic Wirz) zu Selbstpräsentation und Beziehungswahl in Social-Networks wenden sich konkreten Formen des Medienhandelns zu. Hingegen befassen sich die Beiträge von Tanja Thomas über Intellektuelle und Kritik in Medienkulturen, also über die Funktionen und Optionen von Intellektuellen zur Artikulation und Vermittlung von Kritik, und der originelle, wenn auch sich irgendwie nicht ganz einfügende, Aufsatz von Gerhard Kleining über Vorkommen und Verständnisformen von „Vertrauen“ in den Medien und im Alltag mit Abstrakten Konzepten oder Ideen unter mediatisierten Bedingungen.
Im Zuge von Globalisierung und Mediatisierung und zunehmend mobiler Lebenswelten auftretende länderübergreifende Problem- und Handlungszusammenhänge bzw. die dadurch generierten transnationalen Teilöffentlichkeiten stehen im Fokus von Swantje Lingenbergs Text, der das Thema in seinen Grundzügen gut darlegt und sich Interesse weckend zugleich als dringliche Lektüreempfehlung der kürzlich erschienenen Buchfassung ihrer Promotionsschrift zu nämlichem Thema lesen lässt.
Dieter Wiedemann, Direktor der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg, stellt in seinem Beitrag schließlich Überlegungen zu Konsequenzen der Alltagsmediatisierung für die künstlerische Ausbildung an einer Filmhochschule an.
Diskussion
Festschriften als Rituale akademischer Würdigung von verdienten Kollegen sind sehr häufig als Pflichtübungen zu sehen, die sich weniger an wissenschaftlicher Bedeutsamkeit der einzelnen Aufsätze orientieren, sondern versuchen die als mehr oder weniger unentbehrlich erachteten biographischen Wegmarken durch Beiträge abzudecken. Die von Hartmann und Hepp in diesem Band versammelte Festgemeinde kann mehr bieten als das und macht insgesamt gut deutlich, wie vielseitig und auch allgegenwärtig in der (nicht nur) gegenwärtigen Alltagswelt Mediatisierungsprozesse sind und wie sehr die Befassung damit Not tut. Es sei hier nur an die Schilderungen von Schulz erinnert, bei denen sehr schön sichtbar wird, wie essentiell etwa die Mobiltelefonie für heute Heranwachsende geworden ist.
Bei einem gelungenen Musikalbum kennt man die Redewendung „No Fillers, just Killers“, das trifft auf diesen Band nicht ganz zu, vereinzelt merkt man doch, dass sich Aufsätze nicht ganz nahtlos einbringen lassen und doch eher aus der Überlegung wer sonst noch etwas in einer Festgabe für Friedrich Krotz schreiben muss entsprungen sind. Doch insgesamt ist die Komposition des Bandes sehr erfreulich gelungen und einige der Beiträge haben – besonders auch in den theoretischen Beiträgen – versucht anstatt ihre Dauerbrenner als Wiedergänger aufzuwärmen, Krotz zu ehren die Debatte um die Mediatisierung der Alltagswelt einen guten Schritt voranzubringen. Gerade die theoretischen Beiträge sind es, die sich keinesfalls darauf beschränken den Jubilar hochleben zu lassen, sondern im besten akademischen Sinne auch durchaus kontrovers auf einzelner seiner theoretischen Ausführungen eingehen und so die Debatte lebendig gestalten. Die im Band versammelten Zugänge zur Mediatisierung sind so vielseitig und weitreichend, dass für eine vertiefte Diskussion der konkret ausgeführten theoretischen Positionen eine Rezension gewiss nicht der passende Ort ist. So soll nur allgemein festgehalten werden, dass gerade auch die Heterogenität der Perspektiven und die Vielseitigkeit des Buches einerseits illustriert wie wichtig und umfassend das Thema der Mediatisierung ist und zugleich auch, wie viele Fragen rund um diesen Meta-Prozess, bei sich tendenziell noch – etwa durch die Digitalisierung – vermehrenden Fragezeichen, noch unbeantwortet sind. Nicht alle Beiträge können dabei in gleichem Maße überzeugen und ihr Leistungsvermögen für die Debatte offensichtlich machen, vereinzelt erscheinen sie mit einiger Verrenkung unter das Dachkonzept der Mediatisierung gezwungen; den positiven Gesamteindruck eines Buches das Diskursstränge zusammenführt, bündelt und auch in neue Bahnen leitet, kann dadurch nicht getrübt werden.
Fazit
Zum Ende ihrer Einleitung schreiben die beiden Herausgeber, dass dieses Buch der Versuch wäre, sich bei Friedrich Krotz zu revanchieren, und ihm etwas davon zurückzugeben, was er als eifrig und breit interessiert forschender der (wohl zumindest wissenschaftlichen Fach-) Gesellschaft geben würde. Nach der Lektüre lässt sich sagen, es wird damit hoffentlich nicht nur etwas an ihn zurückgegeben, sondern er selbst, wie auch und besonders seine Arbeit voran gebracht.
Das Buch ist mehr als nur eine Festschrift, es ist in weiten Teilen auch selbst ein Fest.
Rezension von
Dr. habil. Christian Schwarzenegger
Senior Researcher and Teaching Associate
Public Communication
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Es gibt 3 Rezensionen von Christian Schwarzenegger.
Zitiervorschlag
Christian Schwarzenegger. Rezension vom 06.10.2010 zu:
Maren Hartmann, Andreas Hepp (Hrsg.): Die Mediatisierung der Alltagswelt. VS Verlag für Sozialwissenschaften
(Wiesbaden) 2010.
ISBN 978-3-531-17042-8.
Reihe: Medien - Kultur - Kommunikation.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/9487.php, Datum des Zugriffs 14.01.2025.
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