Michael Ganß, Barbara Narr (Hrsg.): Alt und Jung im Pflegeheim
Rezensiert von Gisela Stoll, 06.01.2011

Michael Ganß, Barbara Narr (Hrsg.): Alt und Jung im Pflegeheim. Intergenerative Projekte mit Malen, Werken und Theater. Mabuse-Verlag GmbH (Frankfurt am Main) 2010. 208 Seiten. ISBN 978-3-940529-76-3. 24,90 EUR.
Thema und Autoren
Bildende Kunst und Theaterspielen bieten gute Möglichkeiten für Begegnungen zwischen alten und jungen Menschen. In diesem Buch berichten unter anderem Kunsttherapeutinnen und Theaterpädagoginnen aus der intergenerativen Arbeit mit Kindergartenkindern, Schülerinnen und hochbetagten Pflegeheimbewohnerinnen.
Entstehungshintergrund
Die gesammelten Aufsätze sind ursprünglich für ein Symposium „Kunsttherapie in der Altenarbeit/Intergenerative Arbeit in der stationären Altenhilfe“ entstanden.
Aufbau
Das Buch ist in drei Themenbereiche gegliedert:
- Teil I Biografiearbeit,
- Teil II Theater und Musik und
- Teil III Bildende Kunst.
Inhalt
Im Geleitwort von Iris Marreel,
Projektbüro „Dialog der Generationen“ fand ich
einen Satz, der sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht: „Es ist wichtig zu
beachten, Beziehungen entstehen nicht im luftleeren Raum. Ihre
Entstehung bedarf der Vorbereitung und der Begleitung, dann können
sie aus der organisierten Form heraus lebendig werden.“Auf
den ersten 50 Seiten befassen sich die Autoren Heinz Blaumeiser,
ein Sozialwissenschaftler, und Elisabeth Wappelshammer, eine
Historikerin, sehr ausführlich mit dem Thema Biografiearbeit.
Sie beschreiben u.a. die biografische Grundhaltung,
lebensgeschichtliche Gesprächsführung und die „Wiener
Historie und lebensvolle Alltagsgeschichten“.
Unter der
Rubrik Theater und Musik
beschreibt Jens Clausen, ein Theaterwissenschaftler,
Regisseur und Theaterpädagoge „Rahmenbedingungen
intergenerationeller Projekte“. Zitat: „Erst wenn sich
auch in den Pausen ganz natürlich generationsübergreifende
Grüppchen bildeten, war das für mich ein Hinweis,
erfolgreich gearbeitet zu haben.“ Der Autor betont auch, wie
wichtig die gegenseitige Wertschätzung ist, und dass diese
entstehen kann, wenn weitgehend darauf verzichtet wird, Kategorien
wie „richtig“ oder „falsch“ einzuführen.
Dieser Autor schreibt in einem späteren Kapitel: „Aus der
Praxis, Theaterstücke selbst zu erfinden. Zwischen Anfang und
Aufführung.“
In einem weiteren Beitrag geht Irene
Bruns, eine Sozialpädagogin und Spielleiterin des
Altentheaters auf „Ethische Fragen intergenerativer
szenischer Arbeit“ ein und auf die Frage: „Wie
können verschiedene Altersgruppen/ Generationen von der
gemeinsamen szenisches Arbeit profitieren?“
Hier geht es um
Motivation, Begeisterung, um die unerschlossenen Kapazitäten
älterer Menschen und das Herausfordern von Kreativität.
Die Autorin zählt u.a. die pädagogischen Ziele ihrer
Theaterarbeit auf, z.B. Spaß am Spiel, Selbstvertrauen,
Gemeinschaftsgefühl, Grenzen berühren und überschreiten,
kritische Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt, Reflexion der
persönlichen Lebensrealität anregen und ggf. Veränderungen
dieser Lebensrealität anstreben. Im Weiteren geht sie
ausführlich auf Gütekriterien ihrer Arbeit mit alten
Menschen ein, z.B. dem Raumgeben von Emotionen, der
Dialogbereitschaft in der Gruppe, der Förderung sozialer
Aktionen. Zitat: „Im Spiel kann man verschüttete Talente
wieder zum Leben erwecken, und ich habe erlebt, wie die alten
Menschen sie wie einen wieder gefundenen Schatz angenommen haben.“
Es folgt ein Beitrag von Jan Sterling über die Londoner
Organisation „Magic
Me“, eine intergenerative Kunstorganisation, die
über die Jahre hinweg eine Vielzahl von Projektmodellen
realisiert hat. Dabei handelt es sich um Menschen aus verschiedenen
Kulturen und von unterschiedlichster Herkunft.
>Bei einem weiteren, europaweiten
Modellversuchs von der Londoner Organisation „Age Exchange“
befasst sich Pam Schweitzer mit Erinnerungspflege mit
demenziell Erkrankten und ihren Angehörigen.
Der Abschnitt
über Bildende Kunst beginnt mit einem Kapitel: „Von
plastischen Projekten mit Menschen mit Demenz und jungen Kindern“.
Hier geht es um Projekte des Kunsttherapeuten Michael Ganß,
bei dem Schulkinder in Pflegeheimen mit den alten Menschen gemeinsam
künstlerisch tätig sind, mit Materialien wie Ton,
Ytonstein, Holz, Speckstein, Schrott u.v.a. „Der Blick der
Kinder ist oft noch nicht – und der der alten Menschen nicht
mehr – auf das Endprodukt gerichtet. Das Tun steht ganz im
Vordergrund, und wenn es Spaß macht zu raspeln, wird schon mal
ein Ytonstein ohne Bedauern zu Mehl verwandelt.“
Die
Kunsttherapeutin Barbara Narr behandelt Schulische
Lehrplanthemen als Projektwochen im Altenpflegeheim. Sie beschreibt
dabei ausführlich eine Gruppenarbeit zum Thema: Das alte
Ägypten.
Die Erzieherin Elke Laudan und die
Kunsttherapeutin Carin Broich beschreiben die Zusammenarbeit
des Städtischen Kindergartens „Abenteuerland“ und
des OSTE-MED Haus im Park, Bremervörde, einem Altenpflege- und
Wohnheim. Die Grundstücke grenzen aneinander und sind durch ein
Tor verbunden. Es geht hier um Malprojekte mit unterschiedlichen
Maltechniken und um ein Singprojekt mit Kindern und Senioren.
Zuletzt
zeigt Barbara Narr niedrigschwellige Angebote aus dem
künstlerisch-handwerklichen Bereich, z.B. Aquarellmalerei und
Seidenmalerei „Nass in Nass“, Malen mit fettarmen
Pastellkreiden, Flickenteppiche u.a.
Zielgruppe
Das Buch richtet sich an viele Berufsgruppen und Laien, die mit Kindern oder mit alten Menschen arbeiten und Interesse haben an Projekten, bei denen Alt und Jung gemeinsam kreativ werden.
Fazit
Ich hoffe nur, dass der sehr
umfangreiche, überwiegend wissenschaftliche Beitrag zum Thema
Biografiearbeit nicht den einen oder anderen Leser abschreckt oder
entmutigt weiterzulesen.
Teil II und III dieses Buches halten
dann tatsächlich, was der Titel verspricht, und beschreiben sehr
anschaulich und aus der Praxis für die Praxis eine Vielzahl von
Projekten, die Lust machen und dazu ermutigen, ähnliches auf den
Weg zu bringen.
Rezension von
Gisela Stoll
Fachkrankenschwester für Psychiatrie, Validationsanwenderin (VTI)
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