Julia Franz: Intergenerationelles Lernen ermöglichen
Rezensiert von Prof. Dr. Jochen Schmerfeld, 24.12.2010

Julia Franz: Intergenerationelles Lernen ermöglichen. Orientierungen zum Lernen der Generationen in der Erwachsenenbildung.
W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG
(Bielefeld) 2010.
208 Seiten.
ISBN 978-3-7639-3344-0.
29,90 EUR.
CH: 49,90 sFr.
Reihe: Erwachsenenbildung und lebensbegleitendes Lernen - Band 14 - Forschung & Praxis.
Thema
Das Thema: Intergenerationelles Lernen wird vor allem jenseits von familiären Strukturen behandelt, es geht um die Entwicklung von Konzepten intergenerationellen Lernens, um die Frage, wie es durch professionelle Erwachsenenbildung ermöglicht werden kann.
Autorin
Julia Franz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Post-Doc-Stipendiatin im Rahmen des Programms zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen in Forschung und Lehre der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind:Intergenerationelles Lernen, Gouvernementalität im Bildungswesen, selbstgesteuertes LernenundNeue Medien: Weblogs
Aufbau und Inhalt
„Das Problem für Erwachsenenbildner/-innen besteht hier darin, dass sie kaum auf Hilfestellungen zurück greifen können, wenn sie intergenerationelle Veranstaltungen in ihren Einrichtungen entwickeln wollen.“ (15) Zwar gebe es einige entsprechende Projekte, es fehlten aber empirische Forschungen zu diesem Thema (15).
Die bisher vorliegenden Studien zum Thema implizierten „eine bestimmte Tradierungslogik, in der die Älteren der Familie Orientierungen, Habitus und Handlungsmuster implizit an die Jüngeren weitergeben“ (18), gerade bei intergenerationellen Lernprozessen sei diese Logik nicht eindeutig vorgegeben und kehre sich teilweise um. Weiter lägen bislang kaum Studien zum expliziten Lernen zwischen den Generationen vor. Vor diesem Hintergrund wird in der im Buch dargestellten Studie danach gefragt, „welche Orientierungen Erwachsenenbildner/-innen in Hinblick auf intergenerationelle Lernprozesse und deren didaktische Gestaltung und Steuerung haben.“(20)
Als methodischer Zugang wurde die Rekonstruktion solcher Orientierung mittels einer dokumentarischen Analyse protokollierter Gruppendiskussionen ergänzt durch Befragungen von Erwachsenenbildner/-innen und Teilnehmern sowie teilnehmende Beobachtung der einschlägigen Fortbildungen sowie ausgewählter intergenerationeller Projekte. Die Ergebnisse wurden in eine „sinngenetische Typenbildung“ verdichtet. (21)
In der Einleitung wird, wie in wissenschaftlichen Arbeiten üblich zunächst eine Problemdarstellung gegeben, dann folgt der Überblick über den Forschungsstand sowie die Beschreibung des eigenen methodischen Zugangs.
Im zweiten Kapitel erfolgt die theoretische Grundlegung: die wissenschaftliche Diskussion um intergenerationelles Lernen sowie konzeptionelle Entwicklungen in diesem Bereich werden aufgearbeitet sowie auf das Verhältnis von impliziten und explizitem Lernen hin untersucht.
Im dritten Kapitel findet sich eine ausführliche Auseinandersetzung mit Karl Mannheims Konzepten des ‚Problems der Generationen‘ sowie der konjunktiven Erfahrungsräume. Letzteres dient als methodologische Grundlage der empirischen Studie.
Im vierten Kapitel wird das methodische Vorgehen im Einzelnen dargestellt.
Eine Darstellung der Ergebnisse findet sich im fünften Kapitel, deren ausführliche Diskussion und Darstellung der Schlussfolgerungen daraus erfolgt im sechsten Kapitel.
Im siebten und letzten Kapitel werden Ausblicke und Anregungen für weitere Forschungen thematisiert.
Zielgruppen
Das Buch wendet sich an ErwachsenenbildnerInnen, die sich mit intergenerationellem Lernen beschäftigen bzw. sich dafür interessieren sowie an die entsprechenden WissenschaftlerInnen.
Diskussion
Das Anliegen der Arbeit ist es, die didaktische Gestaltung von expliziten intergenerationellen Lernprozessen auf der Basis eines erweiterten Verständnisses zu fördern. Dabei geht es der Autorin darum, Intergenerationalität nicht auf innerfamiliäre Beziehungen und vor allem implizites Lernen zu beschränken sowie die Möglichkeit einer Umkehrung der Richtung des Lernens (nicht nur: die jüngere lernt von der älteren, sondern auch die Umkehrung ist genauso möglich wie ein Lernen in beide Richtungen) und die Ermöglichung von expliziten Lernprozessen zwischen den Generationen. Die Aufarbeitung theoretischer Grundlagen zum intergenerationellen Lernen, insbesondere die Beschäftigung mit dem Generationenbegriff und zum Verhältnis der Generationen ist geeignet, eine notwendige Erweiterung des erwachsenenpädagogischen Blicks zu initiieren.
Der empirische Teil der Studie hingegen bietet die erwartbaren Resultate: diejenigen Erwachsenenbildnerinnen, die sich in einer Fortbildung mit Theorien und Konzepten intergenerationellen Lernens beschäftigt hatten, zeigten ein differenzierteres Verständnis von intergenerationellem Lernen als die, die sich entweder gar nicht speziell mit dem Thema befasst hatten oder aber sich nur dafür interessierten. Bei diesen Befragten zeigte sich das verbreitete traditionelle Verständnis von intergenerationellem Lernen. Immerhin kann man daraus die Notwendigkeit ableiten, Erwachsenenbildnerinnen (auch Studierende, die in diesem Feld arbeiten wollen) mit dem der Arbeit zugrunde liegenden erweiterten Verständnis von intergenerationellem Lernen bekannt zu machen, was auch durch die Lektüre des Buchs gelingen kann.
Fazit
Das Buch kann Diskussionen innerhalb der Erwachsenenbildung anregen, neu und anders über intergenerationelles Lernen nachzudenken. Insbesondere der theoretische Teil bietet einen Einstieg in eine überfällige intensivere Beschäftigung mit Konzepten intergenerationellen Lernens im erwachsenenpädagogischen Kontext.
Rezension von
Prof. Dr. Jochen Schmerfeld
Professor für Pädagogik an der Katholischen Hochschule Freiburg
Es gibt 21 Rezensionen von Jochen Schmerfeld.