Werner Sarges, Heinrich Wottawa et al.: Organisationspsychologische Instrumente
Rezensiert von Prof. Dr. Rüdiger Falk, 06.05.2010
Werner Sarges, Heinrich Wottawa, Christian Roos: Handbuch wirtschaftspsychologischer Testverfahren. Teil Bd. 2., Organisationspsychologische Instrumente. Pabst Science Publishers (Lengerich) 2010. 339 Seiten. ISBN 978-3-89967-568-9. 40,00 EUR.
Autoren
Dr. Werner Sarges ist im Jahr 2006 emeritierter Professor für Quantitative Methoden: Methoden der Empirischen Sozialforschung und Statistik an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg. Zudem ist er Inhaber des Prof. Sarges & Partner Instituts für Managementdiagnostik in Barnitz bei Hamburg.
Dr. Heinrich Wottawa ist Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Methodenlehre, Diagnostik und Evaluation im Bereich Wirtschaftspsychologie an der Ruhr-Universität Bochum.
Christian Roos ist Partner in der Unternehmensgruppe Prof. Sarges & Partner und deckt mit roosconsult. deren Beratungsportfolio ab.
Entstehungshintergrund
Für die Personalauswahl, -beratung und -entwicklung gibt es seit vielen Jahrzehnten leistungsfähige Testinstrumente, auf die heute kein Unternehmen verzichten sollte. Zu teuer für den Betrieb und zu schmerzlich für die Betroffenen sind Fehlentscheidungen, die durch den Einsatz entsprechender Testverfahren hätten vermieden werden können. Das Scheitern beruflicher Ambitionen ist für Betroffene nicht nur belastend, sondern kann auch den weiteren Lebenslauf negativ beeinflussen.
Aus diesen Gründen entstand 2001 die erste Auflage des Bandes I: Personalpsychologische Instrumente, der schon 2004 die 2., erweiterte Auflage folgte. Allein im deutschsprachigen Raum gibt es mehr als 1.000 berufs- und wirtschaftspsychologische Testverfahren. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer jeweiligen Zielsetzung, Qualität und Kosten. Die Autoren mussten aus dieser Vielzahl der Verfahren eine repräsentative Auswahl treffen. Kriterien waren unter anderem ein eindeutiger Bezug zur Personalarbeit, was rein klinische und schulisch-pädagogische Tests ausschloss. Weitere Kriterien waren der Bekanntheits- und Verbreitungsgrad und die Auskunftsbereitschaft der Autoren. Herausgekommen ist eine ausführliche alphabetische Darstellung von 142 Testverfahren, ergänzt um 6 Testsysteme.
In der ersten Auflage waren die Organisationspsychologischen Instrumente noch in die Personalpolitischen Instrumente integriert; in der 2. Auflage wurde hieraus ein eigener Band. Neben Personen hat die Wirtschaftspsychologie zunehmend auch andere «Objekte» entdeckt: organisationale Einheiten. Angesichts der Umstrukturierungen in der Arbeitswelt, in der oft teilautonome Arbeitsgruppen für eine bestimmte Leistung verantwortlich sind und als Gruppe entgolten werden, ist es notwendig, sich nicht nur auf den einzelnen zu konzentrieren. Fehlende Teamfähigkeit kann bei noch so guten individuellen Leistungskomponenten die gesamte Performance stören. Insofern lag es nahe, auch die organisationalen Instrumente in gleicher Form darzustellen.
Dieser 2. Band ist 2010 erschienen. Es werden 39 Messverfahren beschrieben, die Entscheidungen zu folgenden Fragen fundieren können: Arbeitsbedingungen und -anforderungen, Lern- und Transferbedingungen, Leistung von Arbeitsgruppen, Commitment und Haltung der Mitarbeiter zum Unternehmen sowie die Erfassung der Kommunikationsabläufe, des Organisationsklimas und der Unternehmenskultur.
Aufbau
Beide Publikationen sind vergleichbar aufgebaut. Den weit überwiegenden Teil machen die Darstellungen der unterschiedlichen Testverfahren aus. Diese sind alphabetisch angeordnet, wobei Abkürzungen in den gebräuchlichen Formen zugrunde gelegt werden. Die personalpsychologischen Instrumente beginnen bei «16PA», den 16-Persönlichkeits-Adjektiv-Skalen von Hermann Brandstätter und enden bei den «WPBF», The Workplace Big Five von CentACS & PiMedia. Die organisationspsychologischen Instrumente reichen vom «A-B-T», dem Arbeitsbezogenem Transparenzerleben von Joachim Franke & Herbert Winterstein bis zum «TKI», dem Teamklima für Innovation von Felix C. Brodbeck, Neil Anderson & Michael West.
Nun erleichtert die alphabetische Anordnung zwar das Auffinden einzelner Testverfahren, hilft aber nicht bei der Auswahl. Hierfür haben die Autoren dankenswerter Weise verschiedene Register zur Verfügung gestellt, die dem Interessierten das Finden geeigneter Testverfahren erleichtern:
- Getestete Merkmale: Hier sind die Begriffe zusammengefasst, die sich als «erfasste Merkmale» in den Testbeschreibungen wieder finden. Auch diese sind alphabetisch geordnet. Es werden hunderte von Merkmalen genannt von «Abgehobenheit» bis zu «zwischenmenschlichem Verhalten«, denen jeweils die Testverfahren zugeordnet werden, die diese Parameter messen. Dies kann nur ein Test sein oder auch mehrere. Beispielsweise kann »Selbstbewusstsein» mit den Instrumenten BIP, BPI, ELIGO-System, OSP, pro facts-Test-system und pro facts 3600 gemessen werden.
- Vorgesehene Einsatzbereiche: Hier finden sich die in den Beschreibungen genannten Einsatzmöglichkeiten wieder, und zwar jeweils geordnet nach Zweck, Zielgruppen und Inhalt. Hiermit lassen sich sehr schnell passende Testverfahren finden. Geht es zum Beispiel um den Zweck «Auswahl und Beratung» für Erwachsene auf der Basis berufsbezogener Persönlichkeitsmerkmale, so kann auf die Testverfahren BIP, FAF2002,OPQ32 oder OSP zurückgegriffen werden. Würde man jetzt wie bei Punkt 1 als Beispiel angeführt «Selbstbewusstsein» als entscheidendes Kriterium ansehen, dann würde die Auswahl auf das «Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung – BIP» von Rüdiger Hossiep & Michael Paschen fallen, da dieser Test beide Anforderungen erfüllt.
- Inhaltsgruppen von Tests: Tests können auf viele Arten unterschiedlich klassifiziert werden. Zwischenzeitlich hat sich eine Grobklassifizierung nach Leistungs- und Persönlichkeitstests durchgesetzt. Leistungstests sollen ein maximales und Persönlichkeitstests ein typisches Verhalten erfassen. Zu den Leistungstests werden Intelligenz-, Wissens- und Kenntnis-, Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Belastungstests sowie spezielle Funktionsprüfungen im sensorischen oder motorischen Bereich gezählt. Zu den Persönlichkeitstests gehören mehrdimensionale und spezifische Tests, aber auch Einstellungs-, Interessen- und Motivations-Tests. Neben diesen beiden Zuordnungen haben die Autoren weitere Testkategorien eingeführt wie die «Tests zur Sozialen Kompetenz» oder «Testverfahren zum Einsatz als Übung im Assessment-Center».
Ähnlich aufgebaut ist auch der 2. Band Organisationspsychologische Instrumente. Im Register I werden die Merkmale in alphabetischer Form aufgeführt und die entsprechenden Testverfahren, die diese messen, zugeordnet. In Register II, das allerdings nur fünf Kategorien von «Analyse der Arbeitsbedingungen und -anforderungen« bis zu «Erfassung der Kommunikationsabläufe, des Organisationsklimas und der Unternehmenskultur» enthält, wird der Einsatzzweck den Testverfahren zugeordnet.
Inhalte
Angesichts des lexikalischen Stils der Publikation kann es keine Beschreibung der Inhalte geben, weil dieses zwangsläufig eine Wiedergabe des gesamten Buches wäre.
Inhaltlich ist darauf hinzuweisen, dass alle Testbeschreibungen vergleichbar angelegt sind. Den Kopf bilden die Kurzbezeichnung sowie die Langbezeichnung des Tests, Autoren, Verlag, Erscheinungsort und -jahr. Sodann folgt eine kurze Schilderung der Einsatzbereiche, die Konstruktionsgrundlagen, eine ausführliche Schilderung der Inhalte, das Format mit Beispielen, dann die wissenschaftlichen Validierung, Angaben zu Dauer, Bedingungen, Kosten, Rückmeldungen sowie weiterer Literatur.
Diskussion
Beide Bände geben einen aktuellen und sehr guten Überblick über die berufs- und wirtschaftspsychologischen Testverfahren. Es ist nicht nur eine Fleißarbeit, sondern auch eine akribische wissenschaftliche Analyse mit dem Vergleichbarmachen der Testverfahren. Im «Dschungel» von mehr als 1.000 Berufstests – nicht mitgezählt die tausende selbst gestrickter Tests in den Betrieben – sind diese beiden Publikationen Landkarte, Kompass und, in moderner Form, GPS in einem.
Fazit
Personalkosten sind in den meisten Unternehmen der größte Kostenblock. Demotivierte, über- oder unterforderte Mitarbeiter können mehr Schaden anrichten als entgangene Aufträge und ähnliches. Insofern gilt immer noch das uralte Leitmotiv der Personalwirtschaft: «Die richtige Frau, den richtigen Mann auf die passende Stelle setzen!» So offensichtlich und unwidersprochen dieses ist, so verwunderlich ist es, dass deutsche Unternehmen immer noch zögerlich bei dem Einsatz von Testverfahren sind. Wie groß der hierdurch verursachte Schaden für Betriebe ist, lässt sich nur schätzen. Nicht übersehen werden darf das menschliche Leid, das mit einer falschen Personalauswahl einhergeht. Krankheit, soziale und persönliche Krisen können die Folgen sein.
Insofern sollten diese beiden Bände in jedem größeren Personalbüro stehen, das sich mit Recruiting, Entwicklung und Platzierung beschäftigt. Personalsachbearbeiter in KMU sollten ihre Berater nach beiden Publikationen fragen, um sachgerecht Testverfahren auswählen zu können. Nicht vage Empfehlungen oder Hörensagen, sondern eine Übersicht mit zielgerichteter Testauswahl wird hiermit möglich. Nur eine einzige treffsichere Personalauswahl mehr rechtfertigt allein schon die 100 €, die beide Bände zusammen kosten.
Rezension von
Prof. Dr. Rüdiger Falk
em. Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Human Resource Management und Berufsbildung sowie Sportmanagement an der Hochschule Koblenz
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Zitiervorschlag
Rüdiger Falk. Rezension vom 06.05.2010 zu:
Werner Sarges, Heinrich Wottawa, Christian Roos: Handbuch wirtschaftspsychologischer Testverfahren. Teil Bd. 2., Organisationspsychologische Instrumente. Pabst Science Publishers
(Lengerich) 2010.
ISBN 978-3-89967-568-9.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/9504.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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