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Maren Heise: Informelles Lernen von Lehrkräften

Rezensiert von Dr. Matthias Rohs, 24.04.2010

Cover Maren Heise: Informelles Lernen von Lehrkräften ISBN 978-3-8309-2209-4

Maren Heise: Informelles Lernen von Lehrkräften. Ein Angebots-Nutzungs-Ansatz. Waxmann Verlag (Münster/New York/München/Berlin) 2009. 237 Seiten. ISBN 978-3-8309-2209-4. 24,90 EUR.
Reihe: Empirische Erziehungswissenschaft - Band 16.

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Thema

„Die Perspektive des lebenslangen Lernens für Lehrkräfte bedeutet, dass der Unterstützung der Lehrkräfte in der Anfangsphase wie auch der Schaffung von Anreizen und der Bereitstellung von Ressourcen für die kontinuierliche berufliche Entwicklung in den meisten Ländern viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss“, so zitiert Maren Heise in Ihrer Dissertation „Informelles Lernen von Lehrkräften“ eine OECD-Studie von 2006. Diese Mahnung kann man als Motivation oder Begründung der Beschäftigung mit dem informellen Lernen von Lehrkräften lesen. Allgemein wird dieser Berufsgruppe „eine mangelnde Fortbildungs- und Entwicklungsaktivität“ (S. 199) zugeschrieben. Diese Einschätzung bezieht sich dabei auf die organisierte Weiterbildung, die im Zentrum der meistens empirischen Untersuchungen zur Lehrerfort- und –weiterbildung steht. Angesichts der exponentiellen Informationsentwicklung, einer immer schnelleren Entwertung einmal erworbener Wissensbestände sowie erweiterter Funktions- und Zuständigkeitsbereiche und gestiegener Erwartungen an die Leistungsfähigkeit- und –bereitschaft von Lehrkräften, werden allerdings informelle Lernformen immer wichtiger.

Heise widmet sich daher in der hier vorliegenden Publikation den Fragen, welche informellen Lernwege von Lehrkräften genutzt werden, welche Lerngelegenheiten und Unterstützungsstrukturen für informelles Lernen am Arbeitsplatz Schule vorhanden sind und wie diese Unterstützungsstrukturen die Nutzung informeller Lernangebote durch Lehrerinnen und Lehrern beeinflussen.

Aufbau

Für die empirischen Untersuchungen zur Beantwortung dieser Fragen legt Heise ihr Konzept zum informellen Lernen vor, das sie auf vorhandene konzeptionelle Überlegungen zum informellen Lernen und empirische Befunde zum informellen Lernen in der Lehrerbildung gründet. Daraus schließt sie auf drei für die Lehrerfort- und -weiterbildung relevante Formen des informellen Lernens: Lernen durch Austausch und Zusammenarbeit, Wissenserweiterung und Information über Literatur und Internet sowie Experimentieren und Reflektieren (S. 40ff.).

Darauf aufbauend stellt sie in je einem Kapitel die empirischen Untersuchungen und daraus gewonnenen Ergebnisse zu den drei genannten Leitfragen vor (Kap. 4-6). Im vierten Kapitel wird die Frage nach der Nutzung informellen Lernformen im Lehrerberuf in Deutschland nachgegangen. Dazu wird auf der einen Seite eine Sekundäranalyse repräsentativer Umfragedaten (Mikrozensus, Berichtsystem Weiterbildung sowie Erwerbstätigenbefragungen des BiBB/IAB) vorgenommen und auf der anderen Seite eine ergänzende und tiefer gehende eigene Befragung informelle Lernwege von Lehrerinnen und Lehrern durchgeführt. Im fünften Kapitel wird die Schule als Ort informellen Lernens beleuchtet und der Frage nach Unterstützungsstrukturen und Lerngelegenheiten nachgegangen. Dafür wurde ein standardisierter Online-Fragebogen entwickelt, der allen allgemeinbildenden Schulen in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt wurde. Im Mittelpunkt standen wiederum die drei genannten Formen informellen Lernens von Lehrkräften. Im sechsten Kapitel wurden schließlich die Zusammenhänge zwischen Angebot und Nutzung anhand einer Unterstichprobe der Web-Befragung analysiert.

Ergebnisse

Als Ergebnis der Arbeit entstand eine fundierte Analyse informeller Lernwege von Lehrerinnen und Lehrern, sowie relevanten Kontextbedingungen, die für den deutschsprachigen Raum einzigartig und auch international von großer Bedeutung ist. Dabei zeigte ich unter anderem, dass Lehrende im Vergleich zu anderen akademischen Berufsgruppen (Juristen, Ingenieure) überdurchschnittlich aktiv informelle Lernformen nutzen. Es zeigte sich jedoch auch, dass dabei vor allem Lernformen dominieren, die kurzfristig und mit wenig Aufwand in den schulischen Alltag integriert werden können, wie z.B. informelle Gespräche mit Kollegen oder der Austausch von Materialien. Selten sind hingegen Lernaktivitäten, die eine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen beruflichen Handeln erfordern (z.B. Unterrichtshospitation) (S. 201).

In ähnlicher Weise trifft dies auch für das Lesen von Fachliteratur zu, bei der es sich weniger um wissenschaftliche Zeitschriften, sondern in erster Linie um Praxisliteratur handelt (S. 202).

Bei der individuellen Weiterbildung wird auch wenig auf schulische Angebote zurückgegriffen, was vor allem am Mangel entsprechender Angebote zurückgeführt werden kann. Dabei zeigen sich deutliche Differenzierungen zwischen einzelnen Schulen, die mit der „sozialen Lage“ begründet werden können. So zeigt sich, „dass fatalerweise an sozial stärker belasteten Schulen ein tendenziell schlechteres Unterstützungsangebot für das berufliche Lernen von Lehrkräften besteht“ (S. 203). Dieser Umstand wirkt doppelt, da „Lehrkräfte an Schulen mit einem besseren Unterstützungsangebot auch verstärkt informelle Lernformen nutzen“ (S. 204).

Fazit

Die Arbeit zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass ein bisher kaum erforschter Bereich informellen beruflichen Lernens untersucht, sondern dass dieser auch sehr umfassend beleuchtet wurde und wichtige Bedingungsgefüge für das informelle Lernen von Lehrenden an Schulen aufzeigt. Daher ist dieses Buch nicht nur für die Wissenschaft wertvoll, sondern auch für die Bildungspolitik und Schulpraxis ein reichhaltiger Schatz zur Unterstützung informellen Lernens.

Rezension von
Dr. Matthias Rohs
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Es gibt 4 Rezensionen von Matthias Rohs.

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ISSN 2190-9245