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Heinz Moser: Instrumentenkoffer für die Praxisforschung

Rezensiert von Prof. Dr. Joachim König, 23.03.2004

Cover Heinz Moser: Instrumentenkoffer für die Praxisforschung ISBN 978-3-03755-001-4

Heinz Moser: Instrumentenkoffer für die Praxisforschung. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2003. 3. Auflage. 156 Seiten. ISBN 978-3-03755-001-4. 17,00 EUR. CH: 32,90 sFr.
Verlag Pestalozzianum.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-7841-2698-2 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.

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Hintergrund und Funktion des Buches

Es hat sich viel getan seit der ersten Auflage des 'Instrumentenkoffers' aus dem Jahr 1997: Das Buch ist mehr als doppelt so dick geworden. Lektorat und Layout hat, obwohl Lambertus noch Mitherausgeber geblieben ist, der Züricher Verlag Pestalozzianum übernommen. Und: das Buch hat inhaltlich an Substanz und Format gewonnen. Ist in erster Auflage noch eher der Eindruck einer theoretisch kurz umrahmten Forschungsmethodensammlung entstanden, so kann jetzt mit Fug und Recht von einer praxisnahen und fundierten Einführung in die Praxisforschung für diejenigen Fach- und Führungskräfte im Sozial- und Bildungsbereich gesprochen werden, die kleinere empirische Zugriffe auf begrenzte Bereiche der Praxis planen und umsetzen wollen. Allerdings ist es wohl immer noch etwas zu früh, um von einem 'Lehrbuch für die Praxisforschung' zu reden - wie es in den Autorenangaben steht. Dazu könnte ja in einer weiteren Auflage die Basis der methodologischen und vor allem der methodischen Grundlageninformation noch weiter verbreitert werden. Bis dahin kann den interessierten LeserInnen durchaus das von Moser 1995 publizierte Buch 'Grundlagen der Praxisforschung' empfohlen werden, auf das der Verfasser auch selbst an einigen Stellen sinnvoller Weise hinweist. Dort kommt auch sein breiter Hintergrund zum Ausdruck, den er sich seit vielen Jahren in der Diskussion um Handlungs- und Aktionsforschung, sowie darauf aufbauend um die (Weiter-)entwicklung der Qualitativen Sozialforschung erworben hat.

Inhaltliche Einblicke in das Buch

Unter dem Motto 'small is beautiful...und weder naiv noch simple' startet das Buch mit einer durch kurze Projektbeispiele illustrierten Ermunterung zu praxisorientierter Forschung mit begrenztem und dafür realisierbarem Umgang, die dann, wenn sie regelgeleitet (oder wie es da genannt wird: seriös) verläuft, nicht nur zu praktisch brauchbaren Ergebnissen führt, sondern vor allem auch einen Beitrag zur - wie Moser das nennt - "gegenseitigen Anschlussfähigkeit von Wissenschafts- und Praxissystem" leisten kann.

Im theoretischen Teil des Buches wird nun zunächst dieses grundsätzliche Verhältnis zwischen Wissenschafts- und Praxissystem vor dem Hintergrund der jeweiligen gesellschaftlichen Funktionen (mit Bezug auf Luhmann) näher beleuchtet und vor allem die nicht unproblematische Rolle derjenigen gewürdigt, die sich - 'von beiden Seiten kommend' - als ForscherIn im Grenzbereich zwischen Praxis und Wissenschaft aufhalten.

Diese systemisch geprägte Perspektive, die einem positivistischen Ansatz gegenüber gestellt wird, zieht sich dann auch durch die Kapitel zu den möglichen Gütekriterien von Praxisforschung, zum Verhältnis zwischen quantitativer und qualitativer Methodik in diesem Zusammenhang, zu den Besonderheiten von Evaluation und zu den verschiedenen Typen praxisorientierter Forschung (Praxisuntersuchung, Evaluation und Aktionsforschung). Immer wieder gelingt es, durch gute Zusammenfassungen, Beispiele und kleine Aufgaben, das Gesagte zu bündeln und in eine sinnvolle Beziehung zueinander zu bringen.

Nun wird es praktisch: In fünf "allgemeinen Prinzipien der Forschungsplanung" versucht Moser wichtige Hinweise zur Zusammenstellung von Untersuchungsgruppen, zur Auswahl geeigneter Erhebungsmethoden, zur Rolle von Triangulation in dem Zusammenhang, zum 'Daten-Feedback' an die Betroffenen und zum Einsatz des Computers zu geben. An der Stelle wird allerdings der schon erwähnte Unterschied zu einem echten 'Lehrbuch' wirklich deutlich: Weil eher oberflächlich und verkürzt, kann hier kein echter Eindruck von der Differenziertheit, etwa der Frage nach der Strategie zur Auswahl einer passenden Methode in einem gerade mal 11-zeiligen Abschnitt entstehen.

Die folgenden Überlegungen zur Entwicklung einer Projektidee und zur Erstellung einer Projektskizze, verbunden mit den Fragen nach der Relevanz verschiedener politischer Interessen und verschiedener ForscherInnenrollen dabei sind wichtig und auch überzeugend und erhellend dargestellt - ebenso die Auflistung der "zehn gröbsten Fehler von AnfängerInnen" in der quantitativen und in der qualitativen Forschung.

Der dritte große Abschnitt des Buches ist nun einzelnen Methoden zur Datenerhebung und schließlich auch der quantitativen und qualitativen Analyse gewidmet. In jeweils zwei- bis fünfseitigen Abschnitten werden die Methoden dargestellt und auch wichtige Aspekte im Hinblick auf ihre effiziente Anwendung diskutiert. So wird das Buch wirklich zu einem Fundus für diejenigen, die solche Vorschläge für ein eigenes Design adaptieren oder übertragen wollen. Die im Abschnitt über quantitative Datenanalyse eingeführten statistischen Verfahren sind zwar einfach, aber gerade deswegen auch für einfache Fragestellungen durchaus praktikabel. Trotzdem bleibt an der Stelle fraglich, ob ohne vorhandenes statistisches Vorwissen (oder auch eine Beratung von außen) die Übertragung in ein eigenes Vorhaben gelingen kann.

SMART ist ja inzwischen ein Kürzel für viele Sachverhalte geworden. Und so hat sich auch Moser dessen bedient um zum Abschluss fünf wichtige Merkmale und auch Vorteile von praxisorientierter Forschung nochmals zusammen zu fassen. Warum dem Buch in einem kleinen 'Serviceteil' ein 'Frageraster für die Forschungsplanung', zusätzliche Hinweise auf das Internet und ein paar didaktische Hinweise für Lehrende erst hinter dem Literaturverzeichnis beigegeben wurden, bleibt unverständlich. An den entsprechenden Stellen im Text selbst hätte diesen Überlegungen sicher mehr Beachtung geschenkt werden können.

Fazit

Ein nicht nur inhaltlich sondern auch didaktisch sehr empfehlenswertes Buch, bei dessen Lektüre Komplexität und Übersichtlichkeit sowie Differenziertheit und Klarheit in einem sehr produktiven Verhältnis stehen. Daher ist es nicht nur für Fach- und Führungskräfte zur Anleitung und Begleitung eigener Ansätze geeignet, sondern auch in der basalen Ausbildung an Hochschulen dann gut einsetzbar, wenn es nicht nur um die Vermittlung von Grundlagenwissen geht, sondern auch um die Fragen der Anwendung von Methoden in praxisorientierter sozialwissenschaftlicher Forschung. Die Hoffnung des Verfassers, durch solche Beiträge eine Annäherung zwischen Wissenschaft und Praxis zu befördern, ist begründet.

Rezension von
Prof. Dr. Joachim König
Evangelische Hochschule Nürnberg
Allgemeine Pädagogik & Empirische Sozialforschung
Leiter des Instituts für Praxisforschung und Evaluation
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Es gibt 26 Rezensionen von Joachim König.

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Zitiervorschlag
Joachim König. Rezension vom 23.03.2004 zu: Heinz Moser: Instrumentenkoffer für die Praxisforschung. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2003. 3. Auflage. ISBN 978-3-03755-001-4. Verlag Pestalozzianum. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/956.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.


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