Silvia Schibli, Katja Supersaxo: Einführung in die Supervision
Rezensiert von Carla van Kaldenkerken, 23.12.2010

Silvia Schibli, Katja Supersaxo: Einführung in die Supervision.
Haupt Verlag
(Bern Stuttgart Wien) 2009.
265 Seiten.
ISBN 978-3-8252-3249-8.
D: 19,90 EUR,
A: 20,50 EUR,
CH: 33,90 sFr.
Reihe: UTB - 3249.
Thema
Auf dem Klappentext formulieren die Autorinnen den Anspruch, mit der Einführung in die Supervision angehenden Supervisorinnen und Supervisoren solides Basiswissen zu vermitteln. Nach einer geschichtlichen Einführung in die Supervision und der Beschreibung des Prozessverlaufes von Supervision folgt ein breiter Einblick in verschiedene Supervisions- und Organisationskonzepte.
Aufbau
Das Buch beginnt mit einer fundierten Einführung in die Geschichte der Supervision. Die Anfänge und die geschichtliche Entwicklung in den USA werden skizziert, daran anknüpfend wird die Professionsentwicklung von Supervision in Deutschland, der Schweiz und Österreich beschrieben.
Im 2. Kapitel wird in das Prozessberatungsmodell von Supervision mit den einzelnen Phasen eingeführt. Dieser Ablauf wird ergänzt durch das Modell der dynamischen Urteilsbildung als Strukturierung und Reflexionsmodell in Supervisionssitzungen. Die Bedeutung von Interventionen und Methodeneinsatz schließt das Kapitel.
Die beiden ersten Kapitel machen knapp ein Drittel des Buches aus. Der wesentlich größere und zentrale Teil des Buches beschäftigt sich zum Einen mit z.T. sehr unterschiedlichen Theorien aus Beratung und Therapie und ihrer Bedeutung für die Supervision. Zum Anderen werden Konzepte der Organisationsberatung vorgestellt, die supervisorisches Handeln in Organisationen ergänzen, Supervision in Organisationen einbinden und organisationsorientierte Vorgehensweisen in der Teamsupervision erläutern.
Im Ausblick versuchen die Autorinnen die Zukunft der drei Beratungsformate Supervision, Coaching und Organisationsberatung angesichts des Wandels im Arbeitsleben auszurichten und Veränderungen im Format Supervision zu skizzieren.
Die Autorinnen haben das Buch nicht gemeinsam geschrieben, sondern die Kapitel aufgeteilt und einzeln verfasst.
Inhalt
Die Geschichte von Supervision ist von Katja Supersaxa gut und genau beschrieben. Interessant ist die Phasenbeschreibung der Professionsentwicklung im deutschsprachigen Raum, mit Markierungen der Unterschiede in den Ländern Schweiz, Österreich und Deutschland.
Im 2. Kapitel wird Supervision als Prozessberatung beschrieben. Silvia- Schibli- Meier bezieht sich dazu auf die Unterscheidungen von Ed Schein von Fachberatung, Beratung im Arzt- Patient-Modell oder der Prozessberatung. Supervision wird in diesem Kapitel als Prozessberatung markiert. In einem späteren Kapitel kommt das Anbieten von Fachwissen als Element von Supervision aber auch vor. Die Autorin stellt dann 4 verschiedene Phasenmodelle eines Supervisionsprozesses vor. Vorgestellt werden
- Das Phasenmodell von Gordon und Lippitt (1977) mit 6 Phasen
- Das Modell eines Prozessverlaufes mit 3 Phasen nach Kurt Lewin (1986)
- Das tetradische Prozessmodell von Möller (2003)
- Und ein fünfphasiges Modell von Eck und Fatzer (1990)
Die Autorin orientiert sich dann in der Konkretisierung der einzelnen Phasen am Modell von Eck und Fatzer. Die Phasen im Einzelnen sind:
- Einstieg/ Orientierungsphase
- Kontrakt incl. Dreieckskontrakt
- Diagnostik und Zielerarbeitung
- Interventionsphase
- Abschluss, Evaluation
Die einzelnen Phasen werden beschrieben, mit Beispielen aus der Praxis verdeutlicht und mit hilfreichen Leitfragen ergänzt. Methodische Empfehlungen wie die Anwendung des SMART- Prinzips für die konkrete Zielformulierung und Fragestellungen zur Überprüfung eines Kontraktes helfen dem Einsteiger für die konkrete Praxis.
Einige Detailfragen, wie zum Beispiel der Umgang mit knappen Ressourcen, werden erörtert.
Im 2. Teil des 2. Kapitels führt Katja Supersaxo ausführlich in das Modell der dynamischen Urteilsbildung ein. Mit Hilfe dieses Modells von Lex Bos kann ein Problemlösungsgespräch mit Hilfe einer Lemniskate strukturiert werden. „Das Modell der Dynamischen Urteilsbildung ist aus der Überzeugung heraus entwickelt worden, dass Urteilsbildungsprozesse fließend sind, zyklisch und rhythmisch verlaufen und sich zwischen polaren Kräften bewegen: der Suche nach Einsicht einerseits, der Suche anderseits. In der Mitte dieses Spannungsfeldes entwickelt sich das Urteil.“ (Schibli- Supersaxo S. 57, 2009) Das Modell wird mit vielen Beispielen erklärt und die Anwendung in der Supervision bezogen auf die Haltung des Supervisors und die Leitung und Strukturierung von Supervisionsprozessen dargestellt.
Im von Frau Schibli- Meier knapp gehaltenen 3. Teil geht es auf nur 8 Seiten um die Bedeutung von Interventionen im Beratungsprozess. Es wird erörtert, dass schon die Anwesenheit des Beraters Veränderungen im ratsuchenden System bewirken,. Der Berater als Modell und das zur Verfügung stellen von Aufmerksamkeit und Präsenz als wichtiges Element von Beratung wird knapp skizziert.
Methodische Interventionen sind in diesem Kapitel nur mit Namen graphisch an einem Interventionsbaum markiert. Zu den einzelnen methodischen Techniken wird in der Fußzeile auf das Buch „Supervisions- Tools“, Hrsg. von Heidi Neumann- Wirsig 2008 verwiesen. Zu Methoden der Konfliktbearbeitung werden Glasl (1997) und Thoman/ Schulz von Thun (1997) als Methoden ausgewiesen. Einzelne Methoden werden weiter hinten von Katja Supersaxo im Kapitel theoretische Grundlagen und organisationsbezogene Supervision konkreter vorgestellt.
Das 3. Kapitel führt in sehr unterschiedliche, sich zum Teil auch widersprechende Theorien aus Therapie und Beratung ein. Vorgestellt werden die Psychoanalyse, die integrative Supervision, die systemische Supervision, der Einfluss von Organisationskultur in der Supervision und die Rollenberatung und ihre jeweilige Vorgehensweise und Bedeutung in der Supervision.
Das letzte Drittel des Buches beschäftigt sich mit Organisationen, Organisationberatung und Supervision.
Zur Definition und Funktion von Organisationen gibt es einen sehr knappen Einstieg. Dem folgt die Vorstellung von 4 Modellen der Organisationsberatung. Das sind
- Das Modell der drei Subsysteme und sieben Wesenselementen von F. Glasl (1992)
- Das Modell der sieben Basisprozesse von Organisationsentwicklung von F. Glasl (2005)
- Das Modell der Entwicklungsphasen einer Organisation von Lievegoed (1995)
- Das Modell Teamentwicklung als Verfahren der Organisationsentwicklung.
In diesem Kapitel werden einzelne Methoden, die z.T. auch in der Supervision eingesetzt werden können ausführlicher vorgestellt. Das Thema Dreieckskontrakt, sicher im Kapitel über Beratung als Prozess besser aufgehoben, wird hier im Zusammenhang der Verbindung in die Organisation genauer erläutert.
Auf Organisationssupervision als Programm in der Supervision wird eingegangen.
Ein Exkurs über Widerstand und Macht und eine Zusammenfassung und Ausblick schließen das Buch ab. Im Ausblick werden die wichtigsten berufsbezogenen Beratungsformate beschrieben und abgegrenzt.
Diskussion
Das Buch von Schibli und Supersaxo beeindruckt durch fundierte Literaturrecherche. Es eignet sich gut für einen ersten Überblick, vor allem zu den theoretischen Grundlagen. Zum Teil überfordern die vielen Quellen, Definitionen und Modelle. Zum Phasenmodell der Supervision werden 4 Modelle vorgestellt, ein Modell anschließend vertieft.
Da sich das Buch auf dem Klappentext zuerst an angehende Supervisorinnen und Supervisoren richtet, betrachte ich das Buch aus dieser Richtung. Als Ausbilderin und Lehrsupervisiorin habe ich Schüler befragt, welchen Anspruch sie als Anfänger an eine Einführung hätten. Durchgehend alle formulierten den Wunsch nach einer guten Orientierung zum Prozess, zu den Settings und den Methoden. Die Erwartung an eine Einführung ist praxisorientiert, es werden Orientierung und Sicherheit in den Verfahren gesucht.
Aus meiner Sicht ist die von den Autorinnen vorgelegte Einführung in das Format Supervision eher eine Ergänzung, um sich einen Überblick über verschiedene theoretische und methodische Grundlagen zu verschaffen. Wer einen guten Überblick über verschiedene theoretische und methodische Hintergründe sucht, wird mit dem Buch zufrieden sein.
Der Diskurs in der Supervisionsprofession findet meines Erachtens nicht mehr zu den unterschiedlichen Ansätzen statt. Supervision hat sich über viele Jahre mit theoretischen und methodischen Ansätzen und auch mit Organisationsberatung auseinandergesetzt und in Beratungskonzepte integriert. Wichtiger erscheint mir die Berücksichtigung von Theorien des Individuums, der Gruppe, der Organisation, der Gesellschaft und der Kultur für die komplexe Betrachtung von vorgelegten Fallanliegen. Die Betrachtung dieser Theorien, bzw. dieser Dimensionen in den dargestellten Theorien kommt mir zu kurz.
Durch die unterschiedliche Autorenschaft ist das Buch nicht ganz flüssig zu lesen und es ergeben hin und wieder Widersprüche in den Aussagen.
Die Dynamische Urteilsbildung als Prozessmodell hat sich mir als erfahrene Supervisorin nicht vollständig erschlossen. Die Haltung der Supervisorin in diesem Modell erinnert an das Dialogverfahren und die gewaltfreie Kommunikation und ist sicher grundsätzliche eine unterstützende Haltung für jeden Supervisor. Trotz guter Beispiele würde ich mir die Anwendung nicht zutrauen. Es wirkt komplex und ohne genauere Kenntnis und vor allem Erfahrung erscheint das Verfahren nicht anwendbar.
Der inhaltliche Schwerpunkt des Buches liegt eindeutig bei der Zusammenfassung von theoretischen Konzepten aus der Therapie und der Organisationsberatung. Ein eigenständiges Supervisionskonzept, das mir einen Einblick in die Art der superviorischen Arbeit der beiden Autorinnen gegeben hätte, wäre für mich interessanter und für angehende Supervisoren ein Modell gewesen.
Der Exkurs über Widerstand und Macht erscheint mir überflüssig, und im Zusammenhang mit den anderen Kapiteln irritierend.
Der Ausblick wäre vielleicht als erster Einblick und erste Orientierung am Anfang des Buches hilfreich gewesen. Die Abgrenzung und die Verbindung der Beratungsformate Supervision, Coaching und Organisationsberatung wäre ein schöner Leitgedanke durch das Buch gewesen. Konflikte sind die häufigsten Anlässe für die Supervisionsanfrage. Das Beratungsformat Mediation fehlt in diesem Buch leider.
Fazit
Das Buch gibt einen guten Überblick über die Geschichte und verschiedenste Modelle und Theorien, die verschiedene konzeptionelle Richtungen in der Supervision geprägt haben. Einen vertieften Einblick erhält man in das Organisationsberatungskonzept von F. Glasl, das in Folge auf Supervision übertragen wird. Eher ein Buch für praktizierende Supervisoren, die Wissen an der Schnittstelle zur Organisationsberatung suchen und organisationsrelevante Fragen in die Supervision integrieren wollen.
Rezension von
Carla van Kaldenkerken
Dipl. Sozialpädagogin, Supervisorin und Caoch (DGSv), Lehrsupervisorin und Ausbildungsleiterin für Supervision und Coaching (DGSv-zertifiziert), Mediatorin und Ausbilderin für Mediation (BM e.V.), Organisationsberaterin und Fachbuchautorin zum Thema Supervision
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