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Marcus Damm: Praxis der Schemapädagogik

Rezensiert von Prof. Dr. phil. habil. Barbara Bräutigam, 18.10.2010

Cover Marcus Damm: Praxis der Schemapädagogik ISBN 978-3-8382-0040-8

Marcus Damm: Praxis der Schemapädagogik. Schemaorientierte Psychotherapien und ihre Potenziale für die psychosoziale Arbeit. ibidem-Verlag (Hannover) 2010. 240 Seiten. ISBN 978-3-8382-0040-8. 24,90 EUR.

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Thema

In den verschiedenen Praxisfeldern der Sozialen Arbeit sind unterschiedliche Berufsgruppen immer wieder sehr gefordert, mit schwierigen und unmotiviert erscheinenden Klienten umzugehen. Der persönliche Zugang zu dieser Klientel wird oft dadurch erschwert, weil diese bestimmte und mitunter sehr destruktive Wahrnehmungsmuster haben, mit denen sie auf sich und ihre Umwelt blicken. Das aus der kognitiven Therapie entwickelte Therapiekonzept der Schematherapie versucht diese meist frühkindlich entwickelten maladaptiven Schemata aufzuspüren und konstruktiv zu verändern. Marcus Damm nun unternimmt den Versuch dieses therapeutische Konzept für die verschiedenen psychosozialen Arbeitsfelder zu modifizieren und hat daraus den Ansatz der Schemapädagogik entwickelt. Neben der Darstellung der theoretischen Wurzeln der Schemapädagogik beschreibt der Autor vielfältige Möglichkeiten, bei denen der Ansatz der Schemapädagogik gewinnbringend genutzt werden kann.

Autor und Entstehungshintergrund

Marcus Damm ist promovierter Erziehungswissenschaftler und Diplompsychologe und hauptberuflich Berufsschullehrer in Ludwigshafen. Er hat zahlreiche Bücher zu kommunikationspsychologischen Themen verfasst. Der Autor hat den Ansatz der Schempädagogik selbst entwickelt, um somit zur Professionalisierung in den sozialpädagogischen und psychosozialen Arbeitsfeldern beizutragen. Die Schemapädagogik ist derzeit Bestandteil der Lehrerweiterbildung „Berufsförderpädagogik“ am Institut für schulische Fortbildung und schulpsychologische Beratung (IFB) in Speyer.

Aufbau

Das Buch ist in sechs Kapitel unterteilt.

  • Das erste Kapitel beinhaltet die Skizzierung der drei therapeutischen Ansätze, die die theoretische Grundlage der Schemapädagogik darstellen.
  • Im zweiten Kapitel wird der Schema-Begriff genauer erläutert und die Entstehung sowie die Entwicklung unterschiedlicher Schemata beschrieben.
  • Im dritten Kapitel geht der Autor dann auf neurobiologische, bindungs- und motivationstheoretische Erkenntnisse ein, um somit die das wissenschaftliche Fundament der Schematherapie zu demonstrieren.
  • Das vierte Kapitel widmet sich der methodischen Vorgehensweise der im ersten Kapitel beschriebenen schemaorientierten Therapieansätze und
  • im fünften Kapitel wird dann letztlich der Ansatz der Schemapädagogik bzw. der Transfer der Schematherapie auf unterschiedliche psychosoziale Arbeitsfelder dargestellt.
  • Im letzten und sechsten Kapitel gibt der Autor einen knappen Ausblick auf die zukünftigen Verwendungsmöglichkeiten der Schemapädagogik.

Inhalt

Eingeleitet wird mit der These, dass psychosoziale Probleme meist im Zusammenhang mit innerpsychischen Problemen des Betroffenen stehen. Frühkindlich erworbene Beziehungs- und Selbstschemata waren früher einmal sinnvoll und erweisen sich aber in der Gegenwart möglicherweise als irrational und selbst schädigend. Als Beispiel bringt der Autor das beliebte Schema der prinzipiellen externalen Kausalattribuierung, nach dem Motto, immer sind alle anderen schuld. Im Weiteren werden drei schemaorientierte Psychotherapiekonzepte beschrieben, auf denen der Ansatz der Schempädagogik aufbaut. Dazu zählen die kognitive Therapie nach Aaron T. Beck und Albert Ellis, die klärungsorientierte Psychotherapie nach Rainer Sachse und die Schematherapie nach Jeffrey E. Young. Im Verlauf des Buches nimmt der Autor immer wieder insbesondere auf die beiden letztgenannten Therapieansätze Bezug. Sehr ausführlich wird der Schemabegriff dargestellt, der zunächst auf Jean Piaget zurückgeführt und dessen Bedeutung und Funktion in den bereits erwähnten Therapiekonzepten erläutert wird. Es wird zwischen funktionalen und dysfunktionalen Schemata nach Sachse unterschieden und nach Young die Entstehung maladaptiver Schemata, die auf der Frustration emotionaler Grundbedürfnisse beruhen, beschrieben. Die Darstellung der neurobiologischen, bindungstheoretischen und motivationstheoretischen Grundlagen, die sich nach Ansicht des Autors sehr dazu eignen, den hohen affektiven Anteil an der Entstehung dysfunktionaler Schemata zu erklären, gerät dagegen ziemlich knapp; etwas verwunderlich ist auch, dass beispielsweise die Bindungstypen falsch kategorisiert bzw. alphabetisiert werden. Anschließend schildert der Autor das methodische Vorgehen schemaorientierter Psychotherapiekonzepte unter den Aspekten Beziehungsgestaltung, Diagnostik, Schemabearbeitung und Verhaltensänderung. Dabei ist nach Ansicht des Autors insbesondere der Begriff des Schemamodus nach Eckard Roediger sehr brauchbar, da er als erlebnisnäher beschrieben wird und sich insbesondere in der Arbeit mit verhaltensauffälligen Jugendlichen eignen würde. Dazu zählen z. B. verschiedene Kind-Modi, wie etwa das verletzbare, das ärgerliche, das impulsiv-undisziplinierte und das glückliche Kind; wobei dann die Person in dem jeweiligen Modus entsprechend verwundbar, wütend, bockig oder unbekümmert auftritt. Im letzten Teil des Buches wird dann schließlich die Verbindung zur Schemapädagogik hergestellt, die auf dysfunktionale Schemata beim Helfer und beim Klienten fokussiert. In diesem Zusammenhang nennt der Autor ein breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten für schemapädagogisches Arbeiten, wie z. B. die sozialpädagogische Familienhilfe, die Paarberatung, die Schulsozialarbeit und den Strafvollzug. Insbesondere Hinweise zur Beziehungsgestaltung aus den schemaorientierten Psychotherapien erachtet der Autor als sehr wertvoll, um sich gegen sog. manipulierende Psychospiele zur Wehr zu setzen und provokantes Verhalten von Klienten nicht zu persönlich zu nehmen. Der letzte Teil des Buches ist mit vielen Fallbeispielen des Autors aus seiner eigenen Praxis angereichert und illustriert sehr gut dessen praktischen Umgang mit Klienten.

Diskussion

Das Buch richtet sich an all jene, die als Helfende im psychosozialen Bereich tätig sind und ist auch für interessierte Laien gut verständlich, da es sehr praxisorientiert geschrieben ist und sicherlich kein unnötiges Fachkauderwelsch produziert. Andererseits liegt aber auch genau darin die Schwäche des Buches. Es vermittelt eine Art Machbarkeitsphilosophie, nach dem Motto, schwierige Klienten bekommt man schon in den Griff, wenn man ihre Psychospiele durchschaut. Dabei gerät die selbstreflexive Auseinandersetzung mit den auftauchenden Agrgressionen auf Seiten der Helfer beim Umgang mit diesem schwierigen Klientel weitgehend in den Hintergrund. Im Unterschied zu der von Jeffrey E. Young entwickelten Schematherapie, die sehr differenziert die Schwierigkeiten bei der Veränderung destruktiver Schemata aufzeigt und die auch großen Wert auf eine behutsame Vorgehensweise legt, suggeriert der in diesem Buch beschriebene Ansatz ein bißchen zu sehr „frisch drauf los“. Dennoch ist die Übertragbarkeit der Erkenntnisse aus schemaorientierten Psychotherapien für die unterschiedlichen Praxisfelder der Sozialen Arbeit prinzipiell hochinteressant und sicherlich lohnenswert sich damit auseinanderzusetzen.

Fazit

Ein gut verständliches und sehr gut lesbares Fachbuch mit einem deutlich populärwissenschaftlichen Anstrich. Die Thematik ist sehr spannend, durch die aber z. T. vereinfachte Darstellung komplexer Zusammenhänge, kann man das Buch aber nur sehr bedingt im wissenschaftlichen Kontext empfehlen.

Rezension von
Prof. Dr. phil. habil. Barbara Bräutigam
Professorin für Psychologie, Beratung, Psychotherapie an der Hochschule Neubrandenburg, E-Mail braeutigam@hs-nb.de; Homepage: http://www.hs-nb.de/ppages/braeutigam/
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Es gibt 19 Rezensionen von Barbara Bräutigam.

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ISSN 2190-9245