Knut Dahlgaard, Peter Stratmeyer (Hrsg.): Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus
Rezensiert von Prof. Dr. Steffen Fleßa, 19.11.2010

Knut Dahlgaard, Peter Stratmeyer (Hrsg.): Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus.
Luchterhand Verlag
(München) 2007.
600 Seiten.
ISBN 978-3-472-06470-1.
245,00 EUR.
8 Themenhefte, Gesamtseitenzahl geschätzt.
Autoren
Dr. Knut Dahlgaard und Dr. Peter Stratmeyer sind Professoren an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg. Knut Dahlgaard vertritt das Fach Betriebswirtschaftslehre und Personalmanagement. Seine Schwerpunkte liegen in der Planung und Organisation des Dienstleistungsprozesses sowie im Personalmanagement und in der Organisationsentwicklung. In diesem Rahmen beschäftigte er sich auch mit Projektmanagement und Change Management. Peter Stratmeyer ist Professor für Pflegewissenschaft. Nach der Ausbildung zum Krankenpfleger und einem pflegepädagogischem Studium hat er sich auf die Organisation der Pflege, die Krankenhaussystemanalyse, die Pflegeberatung und insbesondere die Versorgung chronisch Kranker spezialisiert. Im Rahmen des vorliegenden Sammelordners arbeiten die Autoren mit weiteren Praktikern und Forschern zusammen, insbesondere mit Prof. Dr. med. Hendrik van den Bussche (Hamburg-Eppendorf).
Entstehungshintergrund
Pflege und Medizin müssen intensiv zusammenarbeiten, um eine effiziente und qualitativ hochwertige Patientenversorgung zu gewährleisten. Der Existenzgrund eines Krankenhauses besteht hierbei primär darin, eine Gesundheitsdienstleistung zu erzeugen, die sich positiv auf den Gesundheitszustand des Patienten auswirkt. Hierbei ist es für den Patienten völlig irrelevant, wer eine bestimmte Teilleistung erstellt und wie die Teilprozesse aufeinander abgestimmt sind. Ihn interessiert ausschließlich der Erfolg der Diagnostik, Therapie und Pflege als Gesamtheit. Die Realität im deutschen Gesundheitswesen war jedoch lange von einer Berufsgruppen-spezifischen Zerteilung des Behandlungsprozesses gekennzeichnet. Ursprünglich verstand sich die Pflege primär als ein Hilfsberuf für den Arzt, so dass im Gesamtbehandlungskomplex pflegespezifische Besonderheiten, wie z. B. die Stärkung und Förderung der Aktivitäten des täglichen Lebens, zu kurz kamen. In den letzten 25 Jahren hat sich die Pflege als eigenständige Disziplin und Wissenschaft etablieren können, was jedoch zum Teil zu einer scharfen Abgrenzung gegenüber der Medizin und somit auch zu einem Konflikt an den Schnittstellen geführt hat. Konsequenter Weise ist die anzustrebende Patientenorientierung derzeit im deutschen Krankenhauswesen höchst selten.
Die beiden Autoren Knut Dahlgaard und Dr. Peter Stratmeyer sehen die Antwort auf den hier geschilderten Konflikt in einem kooperativen Prozessmanagement im Krankenhaus. Sie haben hierfür an der Hochschule für angewandte Wissenschaft in Hamburg den Forschungsschwerpunkt kooperatives Prozessmanagement aufgebaut und ihre Erkenntnisse in acht Themenbänden niedergelegt, die zusammen in dem hier zu besprechenden Sammelordner zusammengefasst werden. Das kooperative Prozessmanagement erscheint in der von ihnen vorgelegten Konzeption als ein adäquates Instrument, um die Patientenorientierung jenseits der Berufsgruppen spezifischen Abgrenzung zu gewährleisten, ohne dabei auf die komparativen Vorteile der Pflege bzw. der Medizin verzichten zu müssen.
Aufbau und Inhalt
Der Sammelordner besteht aus acht Themenbänden sowie einer CD. Das grundlegende Konzept wird im ersten Themenband dargestellt und anschließend in den weiteren sieben Themenbänden vertieft.
Der Schwerpunkt des ersten Bandes stellt hierbei die Abgrenzung bzw. produktive In-Wert-Setzung der Synergien von Prozessen, Management und Kooperation im Rahmen des kooperativen Prozessmanagements dar. Dreh- und Angelpunkt ist hierbei stets die Patientenorientierung im Krankenhaus, die sowohl eine fachgerechte medizinische als auch eine intensive professionelle pflegerische Versorgung erfordert, wobei auch die Einbindung lebensgeschichtlicher sowie sozialer Wirklichkeiten notwendig erscheint. Dies wird aus Sicht der Autoren durch eine konsequente Erfassung und Gestaltung der Prozesse möglich, was wiederum ein vollständiges Management auf allen Ebenen erfordert. Eine konsequente Ausrichtung an den Prozessen ohne Berufsgruppen spezifische Abgrenzung ist kein Automatismus und erfolgt nicht zufällig, sondern erfordert das gestaltende Tätigwerden der Führung. Hierzu gehört auch die bewusste, geplante, aktive und kreative Gestaltung einer verbindlichen und klaren Zusammenarbeit von Pflege und Medizin, in der Informationsprozesse, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar definiert sind. Wenn es gelingt, auf dieser Grundlage ein kooperatives Prozessmanagement zu etablieren, so wird dies sowohl die Effizienz als auch die Qualität der Prozesse erhöhen und somit auch zu einer steigenden Arbeitszufriedenheit beitragen, die sich nicht zuletzt in reibungsfreien Arbeitsbeziehungen zwischen den Berufsgruppen äußert. Der erste Themenband greift hierzu die genannten Teilaspekte (Prozesse, Management, Kooperation) einzeln auf und gibt die entsprechenden Grundlagen im Krankenhaus wieder. Der Themenband schließt mit der Darstellung eines Diagnoseinstruments in Form eines Erfassungsbogens zum Selbstausfüllen von Pflegekräften und Ärzten, die somit in der Lage sind, den Stand ihres kooperativen Prozessmanagements zu bewerten.
In den weiteren Themenbänden werden die Kernelemente (Prozesse, Management, Kooperation) vertieft.
Der zweite Band beschäftigt sich folglich mit der Prozessorganisation. Den Schwerpunkt stellt hierbei der Prozess der Patientenversorgung dar. Die Autoren gehen jedoch auch ausführlich auf begriffliche und handlungsorientierte Grundlagen ein. Der Band beinhaltet auch einen Praxisteil mit Beispielen für grafische und verbale Prozessbeschreibungen.
Im dritten Themenband diskutieren Dahlgaard und Stratmeyer die Struktur- und Leitungsorganisation. Auf den ersten Blick fällt der Band im Rahmen einer Ausführung über kooperatives Prozessmanagement aus dem Rahmen. Er bindet sich jedoch dadurch gut in den Zusammenhang ein, dass die Autoren aus der klassischen Struktur- und Leitungsorganisation im Krankenhaus die Grundlagen eines kooperativen Strukturkonzeptes ableiten.
Im vierten Themenband wird der Schwerpunkt des Prozessmanagements aus dem ersten und zweiten Themenband erneut aufgegriffen und vertieft. Die Autoren stellen die Charakteristika idealtypischer Rollen sowie die Managementaufgaben im Versorgungsprozess dar und diskutieren Fallverantwortung und Fallmanagement. Der Band schließt ebenfalls mit einem Praxisteil.
Im fünften Band wird der Schwerpunkt der Kooperation vertieft, indem kooperative Kernprozesse der Patientenbehandlung diskutiert werden. Anhand des klassischen Drei-Schritts Aufnahmeprozess, integrierter Medizin- und Pflegeprozess sowie Entlassungsprozess wird die Integration bzw. Kooperation von Medizin und Pflege anschaulich dargestellt.
Im sechsten Band stellen die Autoren die Verbindung von Kooperation und Führung her und leiten die Bedeutung einer kooperativen Führung für ein kooperatives Prozessmanagement ab. Nachdem sie die Grundlagen kooperativer Führung ausführlich diskutiert haben, werden die Führungsaufgaben dargelegt und die Visite als Ort kooperativer Führung diskutiert.
Der siebte und achte Band fallen auf den ersten Blick aus dem Rahmen, da sie das Change Management bzw. die Qualifikationsentwicklung diskutieren. Die Autoren zeigen jedoch eindrücklich auf, dass ein kooperatives Prozessmanagement sowohl ein Veränderungsmanagement als auch eine Weiterentwicklung vorhandener bzw. Neugewinnung von Qualifikationen impliziert.
Die beiliegende CD enthält neben einem Vorwort, Stichwortverzeichnis und Autorenhinweisen vor allem die Erhebungsbögen und Checklisten. Sie gibt keine neuen Informationen, erlaubt jedoch das einfachere Weiterarbeiten, da die Dateien als Word-Dokumente zur Verfügung gestellt werden.
Fazit
Der vorliegende Sammelband „Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus“ist kompetent und umfassend für all diejenigen geschrieben, die als Berufspraktiker der Pflege, der Medizin- und der Krankenhausführung neue Wege des Krankenhausmanagements denken und praktizieren möchten. Die Ausführungen sind gut zu lesen und leicht verständlich und sind somit gerade für Praktiker von Wert. Dies dürfte überwiegend daran liegen, dass die Ausführungen wie klassisches Lehrmaterial und weniger wie ein traditionelles Buch gestaltet sind.
Auch für Wissenschaftler, die sich mit dem Krankenhausmanagement und insbesondere der Kooperation von Berufsgruppen im Gesundheitswesen beschäftigen, stellen die vorliegenden Themenbände interessante Ansatzpunkte dar. Eine konsequente Theorieorientierung fehlt dem vorliegenden Band, ist jedoch im Hinblick auf die originäre Zielgruppe weder zu erwarten, noch zielführend. Die Autoren stellen dar, dass nur in der Kooperation der Berufsgruppen Qualität und Effizienz im Gesundheitswesen und insbesondere im Krankenhaus gesteigert werden können. Diese Botschaft ist sehr wichtig, aber jeder Interessent muss selbst entscheiden, ob der relative Mehrwert den Kaufpreis rechtfertigt.
Rezension von
Prof. Dr. Steffen Fleßa
Universität Greifswald, Department of Health Care Management
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