Josef Schreiber: Beschaffung von Informatikmitteln
Rezensiert von Prof. Helmut Kreidenweis, 16.09.2003

Josef Schreiber: Beschaffung von Informatikmitteln. Pflichtenheft, Evaluation, Entscheidung. Haupt Verlag (Bern Stuttgart Wien) 2003. 4., aktualisierte Auflage. 312 Seiten. ISBN 978-3-258-06620-2. 38,50 EUR.
Einführung in die Themenstellung
Angesichts des Rufs nach mehr Wirtschaftlichkeit bei steigenden Anforderungen an Verwaltung und Dokumentation wird der Einsatz von Informationstechnologie in der Sozialwirtschaft immer wichtiger. Auch die Komplexität der verfügbaren Technik-Lösungen steigt stetig an. Vielfach ist die IT bereits zu einem unternehmenskritischen Faktor geworden. Doch nicht selten werden informationstechnologische Entscheidungen eher "hemdsärmelig" getroffen. Fehlgriffe, die oft über Jahre als Bremsklotz auf die Organisation wirken, oder binnen kurzer Zeit schmerzliche Neuinvestitionen nötig machen, sind vielfach die Folge. Professionelle Methodik bei der Auswahlentscheidung von IT-Lösungen tut also zweifellos Not.
Aufbau und Inhalte
Unter dem etwas sperrigen Begriff der Informatikmittel umfasst dieses Buch alles, was heute der Informationstechnologie (IT) zugerechnet wird. Es soll gleichermaßen die Auswahl von Hardware, Netzwerktechnologien, Betriebssysteme, Standard-, Branchen- und Individualsoftware unterstützen. Teil A führt in das Thema ein, spricht die Verankerung des IT-Projektes im Gesamtunternehmen an und bricht vor allem eine Lanze für die methodisch gestützte Beschaffungsentscheidung. Teil B bildet den Kern des Werkes: Hier werden alle Phasen des Beschaffungsprozesses detailliert erläutert und die zugehörigen Methoden vorgestellt. Dazu gehört v.a. die Erstellung des Pflichtenheftes, die Einholung von Angeboten und schließlich Auswahlentscheidung. Teil C rundet das Buch mit einem ausführlichen Beispiel ab.
Zielgruppen
Laut Klappentext wendet es sich gleichermaßen an Benutzer wie an Informatik- und Organisationsfachkräfte. Vorab sei dazu gleich erwähnt, dass das Verlagsinteresse an einer möglichst breiten Käuferschicht nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass das Buch allein schon aufgrund des fachsprachlichen Niveaus kaum für den durchschnittlichen IT-Anwender geeignet ist. So werden beispielsweise Begriffe wie proprietäre Systeme oder Client-Server-Technologie durchweg als bekannt vorausgesetzt.
Diskussion und kritische Bewertung
Das Buch stellt den IT-Beschaffungsprozess zweifellos komplett, jedoch eher lehrbuchhaft idealtypisch dar. Die klassischen Methoden wie Pflichtenheft-Erstellung oder Nutzwert-Analyse werden überwiegend verständlich erläutert und durch Beispieltabellen und Grafiken veranschaulicht. Doch in seiner Lehrbuchhaftigkeit wirkt es etwas spröde und wenig praxisnah. So wird beispielsweise kaum eingegangen auf typische Stolperfallen bei der IT-Projektarbeit wie hohe Arbeitsbelastung der Projektmitarbeiter durch ihr Tagesgeschäft oder Akzeptanzprobleme und Fehleinschätzungen durch mangelnde Rückkoppelung mit den Mitarbeitern an der Basis. Trotz vieler Aktualisierungen merkt man dem Buch auch an, dass sein gedanklicher Rahmen nicht neuesten Datums ist. So wird etwa dem heute so wichtigen Denken in Prozess- und Wertschöpfungsketten lediglich ein Unterkapitel gewidmet, es zieht sich aber nicht als roter Faden durch das Werk hindurch. Auch die zum Prozessdenken gehörenden Methoden, insbesondere die Software-Beschaffungen so wichtigen Ablauf- oder Flussdiagramme zur Darstellung von Geschäftsprozessen kommen hier nirgends vor. Begriffe wie Workflow oder Prozessoptimierung sucht man im Stichwortverzeichnis vergebens.
Jenseits dieser generellen Kritik stellt sich freilich hier die Frage nach dem konkreten Nutzwert des Buches für sozialwirtschaftliche Unternehmen. Wenn überhaupt, so ist es aufgrund seiner Idealtypik sicherlich nur für Einrichtungen mit deutlich dreistelliger Mitarbeiterzahl geeignet. Nur sie verfügen in der Regel über entsprechende Personalressourcen und spezielles IT-Fachpersonal um einen Beschaffungsprozess in der hier beschriebenen Weise durchführen zu können. Leider finden sich so gut wie nie Alternativwege oder Hinweise auf die Möglichkeit zur Abkürzung bestimmter Prozessschritte, die es auch für kleinere Beschaffungsvorhaben geeignet machen könnten.
Sein Nutzwert ist auch noch in anderer Hinsicht eingeschränkt: Zwar werden an vielen Stellen checklistenartige Zusammenfassungen geboten, doch allzu oft verbleibt das Buch im formelhaft-allgemeinen und beschränkt sich auf substantivisch-wertneutrale Darstellung, anstatt den Leser beispielsweise auch einmal auf diverse Kniffe und Tricks von IT-Verkäufern hinzuweisen oder ihn zu ermuntern, mit diesem oder jenem Argument Verhandlungs- und Preisspielräume auszuloten. Dadurch wird die naturgemäß schon recht trockene Materie weiter ausgedörrt und der Lesefluss will sich nicht so richtig einstellen.
Fazit
Ein abgesehen von der mangelnden Prozessorientierung formal korrektes Buch, dem jedoch griffiger und lebendiger geschriebene Literatur zur IT-Beschaffung vorzuziehen ist.
Rezension von
Prof. Helmut Kreidenweis
Professor für Sozialinformatik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Gründer und Vorstand des Fachverbandes für IT in Sozialwirtschaft und Sozialverwaltung FINSOZ e.V., Inhaber der Beratungsfirma KI Consult.
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