Asit Datta, Harry Noormann et al. (Hrsg.): Zukunft der transkulturellen Bildung - Zukunft der Migration
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 14.12.2010

Asit Datta, Harry Noormann, Neville Alexander, Sharon Beder, Christoph Butterwegge (Hrsg.): Zukunft der transkulturellen Bildung - Zukunft der Migration.
Brandes & Apsel
(Frankfurt) 2010.
200 Seiten.
ISBN 978-3-86099-685-0.
19,00 EUR.
CH: 34,90 sFr.
Reihe: wissen & praxis - Bildung in der Weltgesellschaft - 159.
Migration ist Alltag
Menschen wandern, seit es sie gibt; aus unterschiedlichen Gründen, massiv oder verhalten, je nach den Lebensbedingungen und Umweltsituationen, nach den Zwängen, Hoffnungen und Illusionen, die sie antreiben, locken und herausfordern. Die Erwartungshaltungen der sich auf den Weg machenden Menschen und die Aufnahmebereitschaft der Sesshaften gegenüber den Ankommenden stoßen oft genug auf diametral entgegengesetzte Bedingungen, die von der Gastfreundschaft bis hin zu rassistischen Ablehnungen reichen. „Deutschland ist (k)ein Einwanderungsland“ und die aktuellen Befürchtungen, dass unser wirtschaftlicher Wohlstand bald flöten gehe, wenn es nicht gelingt, (qualifizierte!) Einwanderer ins Land und an die Arbeitsplätze zu holen, sind auch so ein Widerspruch. Mögen da auch noch so wohlmeinende und programmatische Ansagen unters Volk gebracht werden, wie „Einwanderung ist Vielfalt ist Bereicherung ist interkulturelle Identität!“; die Sarrazins und Seehofers und … werden nicht müde, eine „ethnoreine“ Bevölkerung herbeizuwünschen und demagogisch herbeizurassisieren. Soweit das platte Ärgernis!
Im wissenschaftlichen Diskurs hat Migration, spätestens seit durch die sich immer interdependenter, entgrenzender entwickelnden, durch Umweltschädigungen gefährdeten und durch antidemokratische Machtverhältnisse deformierte Welt, eine gegenwartsstabilisierende und zukunftsweisende Bedeutung erlangt. In zahlreichen Analysen, Prognosen und wissenschaftlichen Darstellungen wird Migration als Zukunftsthema dargestellt und „Universalismus als das Grundprinzip einer globalen Ethik“ artikuliert (vgl. dazu: Bericht der Weltkommission „Kultur und Entwicklung“, 1995). Das Bewusstsein, dass wir Menschen in EINER WELT leben, steht dabei im Vordergrund des Diskurses, verbunden mit der Überzeugung, dass die humanen Formen eines friedlichen Zusammenlebens der Menschen auf der Erde weder vom Himmel fallen, noch den Menschen in die Gene oder Wiegen gelegt werden, sondern erworben, also gelernt und angeeignet werden müssen: Interkulturelles Lernen, transkulturelle Bildung als Herausforderungen für ein menschliches Überleben der Menschheit! (vgl. dazu u. a. auch die Rezension zu Barbara Asbrand, Wissen und Handeln in der Weltgesellschaft, 2009; die Rezension zu 6624Kathrin Oester u.a., Schulen in transnationalen Lebenswelten, Zürich 2008, die Rezension zu Wiltrud Gieseke u.a., Hrsg., Transkulturelle Perspektiven auf Kulturen des Lernens, Bielefeld 2009; die Rezension zu Willi Jasper (Hrsg.): Wieviel Transnationalismus verträgt die Kultur? 2009; die Rezension zu Lisa Rosen / Schahrzad Farrokhzad, Hrsg., Macht – Kultur – Bildung. Festschrift für Georg Auernheimer,2008).
Entstehungshintergrund
Weil eben Bildung (für alle!) eine Voraussetzung ist, gesellschaftliche Prozesse in denkender und vernunftgemäßer Weise zu verstehen, haben Erziehungs- und Politikwissenschaftler, Soziologen und Theologen der Leibnitz-Universität Hannover bereits 1985 einen interdisziplinären Arbeitskreis gebildet, den sie „AG Interpäd“ (Arbeitsgruppe Interkulturelles Lernen und Entwicklungspädagogik) nannten und aus dem im Laufe der Zeit zahlreiche Forschungsprojekte, Initiativen und Anregungen entstanden sind, die (Dritte)Eine Welt in das Bildungsbewusstsein der Schule und Erwachsenenbildung zu bringen. Der Mitbegründer der AG Interpäd, der aus Indien stammende Erziehungswissenschaftler (em.) Asit Datta, legt zum 25jährigen Bestehen der Arbeitsgruppe als Herausgeber einen Sammelband vor, der beansprucht, sowohl ein Resumée der bisherigen Arbeit zu dokumentieren, als auch unter den Aspekten der Zukunftsforschung aktuelle Fragen zur transkulturellen Bildung und Migration zu diskutieren.
Aufbau
Das Buch wird in drei Kapitel gegliedert, die das Autorenteam „Grundannahmen“, „Grundfeste“ und „Grundprobleme“ nennen.
1. Grundannahmen
Im ersten Teil kritisiert die an der australischen Universität Wollongong lehrende Politologin Sharon Beder die neoliberale Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft in ihrem, in englischer Sprache abgedruckten Beitrag „Globalisation: Before and After the Crisis“. Ihre scharfe Analyse endet jedoch nicht in einem „Da kann man nichts machen“, sondern mit einem engagierten Aufruf zum Wandel, verbunden mit der Forderung nach einer global koordinierenden und ordnungspolitisch erforderlichen Regulierung der Finanzmärkte – und der Erwartung, dass die überhitzten, kapitalistischen Entwicklungen sich selbst verbrennen.
Asit Datta referiert über „Weltbevölkerung, Klimawandel und Migration“, indem er auf das zunehmende Ungleichgewicht „Mensch – Natur“ verweist und in seinem Beitrag die zahlreichen falschen Auffassungen und Meinungen über die „Migranten“ in der Welt zurecht weist; etwa, der (falschen) Annahme, dass die Eingewanderten mehrheitlich aus den armen Ländern zu uns (nach Europa) kommen; es sind nämlich nur 37 Prozent, die aus den (unter-)entwickelten Ländern einwandern. Auch die (Biertisch-)Einschätzung, dass die Migranten das Aufnahmeland nur ausnutzten, muss immer wieder durch konkrete Daten und Erfahrungen korrigiert werden. Nicht „mehr Wachstum“ und „throughput growth“, „Durchflusswachstum“, wie dies bereits der Brundtland-Bericht von 1987 diagnostiziert hat, sondern ein Bewusstsein für ein „Risikoweltbürgerrecht“ muss auf der Bildungs- und Aufklärungsagenda von Heute und Morgen stehen (vgl. dazu auch die Rezension zuUlrich Beck, Weltrisikogesellschaft. Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit Frankfurt/M., 2008; die Rezension zu Markus Holzinger u.a., Weltrisikogesellschaft als Ausnahmezustand, Weilerswist 2010; die Rezension zu Herfried Münkler u.a., Hg., Handeln unter Risiko, Bielefeld 2010; die Rezension zu Frank Ettrich / Wolf Wagner, Hg., Krise und ihre Bewältigung in Wirtschaft, Finanzen, Gesellschaft, Medizin, Klima, Geschichte, Moral, Bildung und Politik, Berlin 2010; die Rezension zu Wilfried Bommert, Kein Brot für die Welt. Die Zukunft der Welternährung; München 2009).
Die Migrationsforscherin von der New Yorker Columbia University, Saskia Sassen, argumentiert in ihrem, ebenfalls in englischer Sprache verfassten Beitrag „Europe’s Migrations: The Numbers and the Passions Are Not New“ gegen die gängigen und üblichen Parolen, dass das Boot voll sei und Europa nicht alle Armut der Welt schultern könne. Sie erinnert daran, dass Europa (und vor allem auch Deutschland) sich schon immer durch Einwanderung entwickelt habe und zeigt dies auch an mehreren Beispielen konkret auf. Mit den überzeugenden Fragen „What do wie do with…“ und „How did we do it in the past?“ mahnt sie „an emergent transnational European identity“ an.
Der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge macht sich Gedanken über „Globalisierung, Zuwanderung und Sozialstaatsentwicklung“. Seine Befürchtung, dass die neoliberale Modernisierung noch mehr soziale Ungleichheit schaffe und schaffen solle (!), als ohnehin schon bestünde und „durch das neoliberale Projekt seines ’Um-„ bzw. Abbaus sowie der Verabsolutierung des Wettbewerbs- und Leistungsgedankens ( ) der moderne Wohlfahrtsstaat… zur Disposition (steht)“, belegt er mit zahlreichen Beispielen und lokalen wie globalen Entwicklungstendenzen. Die Aufforderung, im sozialen Denken und Handeln „Migration als Menschenrecht und Normalität in einer offenen Welt“ zu verstehen, bedarf der Realisierung (vgl. dazu auch: die Rezension zu Michael Sommer / Hans-Joachim Schabedoth, Hrsg., Europa sozial gestalten!, Marburg 2008; die Rezension zu Michael M. Thoss / Christina Weiss, Hrsg., Das Ende der Gewissheiten. Reden über Europa, München 2009).
2. Grundfeste
Das zweite Kapitel „Grundfeste“ beginnt der in Hannover Ev. Theologie und Religionspädagogik lehrende und aktuelle Vorsitzende der AG Interpäd, Harry Noormann, mit dem Beitrag „Menschenrechte und die Religion/en“. Er diskutiert das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 und den Vorläufern der europäischen Aufklärung (auch) an die Glaubensgemeinschaften gerichtet ist und setzt sich mit den scheinbar unauflöslichen, unsystematischen und unzumutbaren Ansprüchen, wie dies von einigen Religionseinrichtungen moniert wird, auseinander (vgl. dazu auch die Rezension zu Heiner Bielefeldt u.a., Hrsg., Religionsfreiheit. Jahrbuch Menschenrechte, Wien 2008, Rezension). Es geht darum, den interreligiösen Dialog zu beleben und zu aktivieren mit der Überzeugung, dass die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen nicht auf dem kulturgenetischen, westlichen Ursprung beruhe, wie dies immer wieder behauptet wird, sondern als globale Ethik zu verstehen und zu verwirklichen ist.
Der mit Nelson Mandela und weiteren Regimegegnern des südafrikanischen Apartheidsystems im Hochsicherheitstrakt von Robben Island gefangen gehaltene Neville Alexander klagt mit seinem Beitrag „Enough is as good as a feast“ die neuen südafrikanischen Machthaber und Politiker an; sie würden ihre Privilegien missbrauchen und egoistisch ausnutzen, und dabei die Not und Wohlfahrt der Mehrheit der (schwarzen) Bevölkerung vergessen. Er appelliert an sie, sich auf die Werte zu besinnen, die zur Unabhängigkeit des Landes geführt hätten und das afrikanische Gemeinschaftsgefühl „ubuntu“ wieder zu entdecken: Ich bin ein Mensch nur durch andere Menschen., und an die Weltöffentlichkeit, dieses Bewusstsein mit zu befördern.
Der Hannöversche Erziehungswissenschaftler Dietmar Bolscho referiert über „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“, eine Metapher, die mit der „Entdeckung der Nachhaltigkeit“ (Ulrich Groeber) Heilsversprechen und Überforderung im schulischen und außerschulischen Bildungsdiskurs markiert. Bolschos Anliegen dabei ist, die Zusammenhänge von Globalisierung und Migration als alltags- und globalweltliche Erfahrungen in die curricularen und didaktischen Überlegungen einzubringen, gewissermaßen also das Lokale mit dem Globalen als Bildungs- und Lernanforderung zu verbinden.
Der an der Pädagogischen Hochschule Weingarten lehrende Erziehungswissenschaftler Gregor Lang-Wojtasik reflektiert über die „Zukunft des Globalen Lernens“. Mit einem geschichtlichen Überblick über das (relativ) junge pädagogische Feld verweist der Autor auf die Hier-und-Jetzt-Situation der globalisierten Welt und entwickelt Perspektiven, wie sich in einer künftigen, auf Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit beruhenden „Weltgesellschaft“ (Barbara Asbrand) Globales Lernen etablieren und realisieren lässt.
3. Grundprobleme
Im dritten Kapitel „Grundprobleme“ berichten Dirk Jacobs, Soziologe an der Université Libre de Bruxelles, die Psychologin Karen Phalet und der Soziologe Marc Swyngedouw von der Katholischen Universität von Leuven über die Ergebnisse einer Untersuchung zu „Associational membership of ethnic minorities and perception of group discrimination“ in Belgien. Die Ergebnisse bezüglich der Diskriminierungsintensität und –wucht bei den unterschiedlichen „Fremd“-Gruppen, etwa den marokko- und türkischstämmigen Menschen in Belgien, sind bemerkenswert und dürften auch für die Integrationsbemühungen in Deutschland von Bedeutung sein.
Katrin Hauenschild, Erziehungswissenschaftlerin an der Stiftungsuniversität Hildesheim und Mitglied der AG Interpäd, setzt sich mit der (Selbst-)Definition von gesellschaftlichen Gruppen und Akteuren auseinander, die im Bereich der Interkulturellen Bildung in den verschiedenen, schulischen und außerschulischen, Tätigkeitsfeldern arbeiten. Sie fragt: „Transkulturalität – (k)ein Leitbild für die Weiterentwicklung Interkultureller Bildung?“. Mit dem mittlerweile im (erziehungs-)wissenschaftlichen Diskurs gängigen und akzeptierten Begriff der „Transkulturalität“ soll gewissermaßen ein Perspektivenwechsel von der in der Interkulturellen Bildung nach wie vor üblichen Unterscheidung vom „Fremden“ und „Eigenem“ vollzogen werden. Anhand von drei Studien, die sich mit transkulturellen Orientierungen bei Studierenden mit und ohne Migrationshintergrund, mit dem Kulturverständnis von GrundschullehrerInnen und mit transkulturellen Einstellungen bei Kindern befassen, macht die Autorin deutlich, dass „sich Transkulturalität subjektiv und bereichsspezifisch darstellt und sich auf der Grundlage individueller Erfahrungen mit kultureller Vielfalt justiert“. Katrin Hauenschild plädiert dafür, bei der Weiterentwicklung der Interkulturellen zur Transkulturellen Bildung sich „von Differenzvorstellungen weiter zu lösen und das Verschiedene im Gemeinsamen und nicht das Gemeinsame im Verschiedenen weiterzudenken“.
Die beiden Wiener Sprachwissenschaftlerinnen Marion Döll und Inci Dirim diskutieren die Bedeutung und Probleme der Zwei- und Mehrsprachigkeit in den interkulturellen Kommunikations- und Integrationsbereichen: „Bilinguale Bildung“. Am Beispiel von mehreren Schulversuchen zur Einrichtung von bilingualen Klassen und Schulen zeigen die Autorinnen die Chancen auf, die sich in einer Einwanderungsgesellschaft bieten, machen aber auch auf die institutionellen und gesellschaftlichen Bedingungen aufmerksam. Die Hinwendung zu bilingualen Modellen fordert zum Umdenken im traditionellen Verständnis von Bildung auf und „kann nutzbar gemacht werden, das Bildungssystem zu innovieren sowie herrschaftskritischer und fairer zu gestalten“ (vgl. dazu auch die Rezension zu Beate Schnabel / Mariagrazia Bianchi Schaeffer, Hrsg., Das interkulturelle Klassenzimmer. Potentiale entdecken. Anregungen für Lehrerinnen und Lehrer, Frankfurt/M., 2008; vgl. auch Julia Schieffer, Vertraute Fremde – Migranten im eigenen Land. Menschen aus dem französischen Überseedepartement La Réunion in Lyon, Oldenburg 2008; die Rezension zu Ghodsi Hejazi, Pluralismus und Zivilgesellschaft. Interkulturelle Pädagogik in modernen Einwanderungsgesellschaften: Kanada – Frankreich – Deutschland, Bielefeld 2009).
Der an der österreichischen Alpen-Adria-Universität Klagenfurt lehrende Erziehungswissenschaftler Erol Yildiz setzt sich mit „Migration und Diversität im Zeichen der Globalisierung“ auseinander. Die im europäischen Migrations- und Integrationsdiskurs nach wie vor überwiegend auf krisenhafte und defizitäre Anwürfe orientierten Zuweisungen von Mehrheitsgesellschaften auf Minderheiten wirken kontraproduktiv. Die Festlegung der Migranten auf ethnische Dimensionen behindern Integrationsprozesse und ignorieren, dass insbesondere Jugendliche mit Migrationshintergrund immer stärker transnationale und kosmopolitische Orientierungen für ihre Lebensentwürfe wählen. Dadurch ergeben sich für die (Mehrheits-)Gesellschaft neue Heraus- und Anforderungen, „Diversität als neue Realität zu akzeptieren und anzuerkennen“ und kosmopolitane Wirklichkeiten in das gesamtgesellschaftliche Bewusstsein zu bringen.
Isabel Sievers, Koordinatorin der AG Interpäd an der Philosophischen Fakultät der Leibnitz-Universität Hannover, berichtet im Schlusstext des Sammelbandes über eine explorative Studie über bildungserfolgreiche Migranten im Rahmen von deutsch-türkischen Transmigrationsbiografien. Die Forscher setzen mit der 2009 durchgeführten Untersuchung ein Gegenbild zum dominanten Bild des Migranten als ungebildeten, hinterwäldlerischen, defizitären und anpassungsresistenten fremden Zeitgenossen, indem sie erfolgreiche, innovative und integrierte Menschen mit Migrationshintergrund über ihre Motivationen und Lebenswege befragten, bis hin zur Erkundung der Motive, wenn sie, gut ausgebildet und etabliert, ihre zweite Heimat Deutschland wieder verlassen, um in der Ursprungsheimat, Türkei, eine Existenz aufzubauen. Gefordert sind in diesem Prozess nicht zuletzt die Migrations- und Zukunftsforschung und der neue Blick auf transkulturelle Lebensentwürfe.
Fazit
Die überwiegend skizzenhaften Darstellungen der Neue Begriffe können, wenn sie individuelle und gesellschaftliche Wandlungsprozesse verkörpern und die menschlichen Markierungen von Vergangenheitsbewusstsein, Gegenwartslebendigkeit und Zukunftsvision anzeigen, Wegweiser sein für das zôon politikon, das politische, sprach- und vernunftbegabte Lebewesen Mensch. In der sich immer interdependenter, entgrenzender und offener sich entwickelnden Welt geht es darum, Transkulturalität als einen (inter-)kulturellen Prozess zu verstehen, bei dem die Lebensformen von „Eingesessenen“ und „Zugewanderten“ in der jeweiligen existentiellen Situation immer wieder neu sozial konstruiert werden müssen. Die vielfältigen Ansatzpunkte dafür zeigen sich sowohl in den Bemühungen zu verschränkenden Aktivitäten von schulischer und außerschulischer Bildung, von Theorie und Praxis (vgl. dazu Joachim Dabisch, Hrsg., Transkulturelle Bildung. Befreiende Pädagogik bei Paulo Freire, Freire-Jahrbuch 9, Paulo Freire Verlag, 2007), in den gesellschaftlichen Standortbestimmungen darüber, ob oder ob nicht, warum, wie und weshalb Deutschland ein Einwanderungsland ist (vgl. die Rezension zu Ulrike Bartels, u. a. Deutschland mit anderen Augen. Erfahrungsberichte von Menschen mit Migrationshintergrund, Unkel 2009, Rezension), bis hin zu den Perspektiven zur Weiterentwicklung der humanistischen Entwürfe (vgl. die Rezension zu Jörn Rüsen / Henner Laass, Hrsg., Interkultureller Humanismus. Menschlichkeit in der Vielfalt der Kulturen, Schwalbach/Ts., 2009) und den Forderungen nach einem Perspektivenwechsel und einem Wandelbewusstsein, wie dies die Weltkommission „Kultur und Entwicklung“ (1995) mit dem Appell formulierte: „Die Menschheit steht vor der Herausforderung umzudenken, sich umzuorientieren und gesellschaftlich umzuorganisieren, kurz: neue Lebensformen zu finden“ (vgl. dazu auch die Rezension zu i>Matthias Horx, Das Buch des Wandels. Wie Menschen Zukunft gestalten, München 2009).
Der Herausgeber Asit Datta und das Autorenteam des Sammelbandes „Zukunft der transkulturellen Bildung – Zukunft der Migration“ verstehen ihre interdisziplinäre Arbeit als einen Weg, Zukunft zu gestalten. Ohne ein transkulturelles Bewusstsein, das ja bereits grundgelegt ist in Artikel eins der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, wo es heißt: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen – ist die Zukunft der Menschheit human nicht zu haben.
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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